43- Grausame Wunder

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          „Im Namen des Königs, öffnet die Tür!" Das dunkle Holz der Tür erzitterte unter Constantins hämmernden Fäusten. Die Anspannung der umstehenden Soldaten war greifbar. Schwer lag sie zwischen uns in der Luft und machte jede verstreichende Sekunde zu einer Ewigkeit. Allein die Flammen ihrer Fackeln tanzten zu dem Rhythmus des Klopfens.

Ich verlagerte mein Gewicht. Kein Laut war aus dem Zimmer von Lady Vanna zu hören. Nichts, das verriet, ob sich dort drinnen wirklich jemand verbarg, der die Tür verrammelt hatte.

Schließlich ließ Constantin seine Faust sinken und wandte sich seinen Männern zu.
„Findet einen Weg durch diese Tür." Er lief los den Gang hinunter mit der Entschlossenheit eines Scharfrichters.

Ich setzte ihm atemlos hinterher. Wir waren gerannt. Vom untersten Stock des einen Gebäudes über zwei Treppen hoch in die Gästequartiere. Ker mit seiner vollen Rüstung hatte uns irgendwann später eingeholt, folgte mir jetzt jedoch auf dem Fuß. Constantin ignorierte uns.
„Was hast du vor?"

Er rüttelte an der nächsten benachbarten Tür und hielt sie mir dann auf. Sein Gesicht war unleserlich vor Anspannung. Mit großen Schritten durchquerte er das verlassene, mit Tüchern abgedeckte Zimmer.
„Die Räumlichkeiten von Lady Vanna haben ein anschließendes Bad mit Balkon. Vielleicht schaffen wir es von außen herein."

Ker stoppte, den Mund ungläubig geöffnet. Ich zog ihn einfach weiter zu den Balkontüren. Nachts von einem Balkon zum anderen klettern war bestimmt nicht die beste Idee, aber die Einzige, die wir gerade hatten.

Kalte Nachtluft schlug uns entgegen und erinnerte mich unfreundlich an meinen Aufenthalt in den Zellen. Kein Stern war am Himmel zu sehen. Allein das Licht aus dem Garten und aus den Fenstern gab uns einen Eindruck davon, was wir vorhatten.
„Das ist zu weit", sagte Ker, kaum da er an der Brüstung stand und zur Nächsten hinübersah, „Ganz besonders für jemanden im Klei-..."

Das Geräusch meines reißenden Überkleids, das kurz darauf zu Boden fiel, schnitt ihm das Satzende ab. Sein Mund klappte wieder zu, doch ich konnte mir zu gut vorstellen, welcher Horror sich unter seinem Helm verbarg.

Constantin blinzelte nicht einmal, als ich neben ihm in langer Unterhose auf die steinerne Brüstung kletterte. „Willst du, oder soll ich zuerst?"

Anstatt einer Antwort drückte ich ab. Ker hatte recht: Im Kleid hätte ich das nicht geschafft. So landete ich gerade noch auf der anderen Brüstung, ehe mein Ungleichgewicht mich nach hinten zog. Meine Schuhe rutschten von der rauen Oberfläche und mit rudernden Armen versuchte ich, den Sturz zu verhindern.

Constantin landete neben mir und zog mich mit sich nach vorne, gerade als ich den Kampf gegen die Schwerkraft verlor. Er musterte mich für einen Moment kritisch, ehe er weiterlief, ohne auf Ker zu warten. Der landete einen Herzschlag später neben mir und gemeinsam eilten wir zu der Glastür ins Bad hinein.

Bereits im Bad hörten wir die Lady Vannas Schluchzen. Die Tür zum Zimmer stand einen Spalt offen und Constantin schlug sie so auf, dass der Holzrahmen ächzte.

Ich war zuvor noch nie in Lady Vannas Gemächern gewesen. Sie waren groß, allerdings nicht so weitläufig, dass jemand Empfangs- und Schlafbereich getrennt hätte. Stattdessen führten drei oder vier flache Stufen auf der gegenüberliegenden Seite zu einer Wandnische, die mit schweren violetten Vorhängen abgegrenzt worden war.

Der Boden war aus schlichtem Marmor, auf dem sich von einem riesigen Buntglasfenster die einzelnen Farben spiegelten. Es war irgendeine Szene aus Des Schriften, in denen ein Heiliger sich selbst und ein mythologisches Monster ohne Arme und Beine in einen tiefen Brunnen warf.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt