Lesenacht Teil 3: Vertrauen, oder der berechtigte Mangel davon.

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Trigger-Warnung für dieses Kapitel, bzgl. Vergewaltigung. Falls ihr dieses Kapitel nicht lesen möchtet, aus Rücksicht auf eure psychologische Gesundheit, bitte schreibt mir und ich werde euch ermöglichen, dass ihr die folgenden Kapitel trotzdem problemlos weiterlesen könnt. Es wird keine Vergewaltigung im Detail beschrieben, doch mir ist bewusst, dass Trigger für jede Person aus anderen Dingen bestehen. 
Love & Hugs

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1 Jahr, 11 Monate und 4 Tage vorher

         Jemand sollte einen vorwarnen, wenn man im Laufe des Tages betrogen werden würde. Es musste gar nichts Großes, Zeremonielles sein. Ich verlangte keine göttliche Eingebung im Traum, die ich erst umständlich entschlüsseln und deuten musste. Eine einfache Notiz auf meinem Nachtschrank hätte mir genügt. Fast wie ein Horoskop: ‚Zwischen Sonnenaufgang und Mittag wird sich einer Ihrer Vertrauten als Schlange entpuppen. Bleiben Sie wachsam und halten sie sich außerdem von Krustentieren fern. Die bekommen Ihnen nicht.'

Gab es diese Notiz, hatte ich sie nicht gesehen und so kam ich vollkommen blauäugig den Gang zu meinem Anhörungssaal entlang. Dabei war es bisher ein guter Morgen gewesen. Constantin und die meisten anderen Höflinge hatten bereits ihr Frühstück beendet, bis ich unten ankam und so war ich unbehelligt von sämtlichen Vorwürfen bezüglich meiner See-Eskapade geblieben.
Ganz im Gegenteil: Meine Kammerzofe hatte mir beim Ankleiden von der Begeisterung der Leute berichtet und deshalb sah ich den heutigen Anhörungen eigentlich entgegen.

Zumindest tat ich das, bis ich Constantin vor der kleinen Tür zwischen meinen Wachen warten sah. Instinktiv beschleunigte ich meine Schritte. Er war nie bei irgendwelchen Anhörungen dabei. Und wenn er dafür eine Ausnahme machte, dann bedeutete das: Probleme. Dementsprechend sparte ich mir jede ausschweifende Begrüßung.
„Was ist los? Was machst du hier?"

Er kam die letzten Schritte auf mich zu und zog mich zu den offenen Säulenbögen hinüber, auf der Suche nach etwas Privatsphäre.
„Ich vermisse meine Köni- AU! Schon gut! Schon gut!", er rieb sich den Oberarm, wo ich ihn getroffen hatte, „Heute wird es keine Anhörungen in dem Sinne geben", erklärte er mir gedämpft, „Es wurde ein Tribunal für einen größeren Vorfall ausgerufen und mich hat man hierher geschleift, um deinen Rechtsspruch zu bestärken."

Ich runzelte die Stirn. Bisher hatte noch niemand meine Rechtsprechung in Frage gestellt. Und um ehrlich zu sein, fand ich es beleidigend, dass irgendwer dachte, ich bräuchte ausgerechnet Constantins Unterstützung. Nichts gegen Constantin. Es interessierte ihn nur generell wenig, wer wie wo Recht sprach, so lange es nicht Sebastian war.

Doch er schüttelte bereits den Kopf und fuhr mit beiden Händen über meine Arme.
„Keine Sorge, ich werde nur dasitzen und zuhören. Ganz still und brav. Und wenn du meine Hilfe brauchst, bin ich an deiner Seite. Mehr nicht."

Das änderte nicht sonderlich viel an meiner gerunzelten Stirn.
„Von was für einem Fall sprichst du? Was ist passiert?"

Er verzog das Gesicht und seine Hände fielen wieder von mir ab. Einige Augenblicke vergingen in Stille, ehe er schließlich hervorpresste: „Jemand hat mehrere Mädchen in der Stadt vergewaltigt. Jemand mit Verbündeten im Palast."

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Das Verfahren fand nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wie ich zuerst angenommen hatte. Aber im Gegensatz zu normalen Anhörungen, war die Luft hier drinnen geladen, wie zuletzt nach meinem Hunger-Dekret. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sich unter der spitzzulaufenden Decke Sturmwolken zusammengebraut hätten.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt