Auch Blaine kann sich nun ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen. Doch statt weiter darauf einzugehen, entwendet er mir meine Flasche voll flüssigem Glück.
»Nett, dass du an mich gedacht hast.«
Er dreht die Flasche auf und genehmigt sich einen Schluck, gibt sie mir jedoch nicht wieder zurück.
Ich halte ihm auffordernd meine offene Hand hin, doch er grinst nur blöd und geht davon.
»Sehr witzig, Blaine«, rufe ich ihm hinterher, doch er ignoriert es. Schnell laufe ich ihm nach. Als er plötzlich stehen bleibt, renne ich mit voller Wucht in ihn rein. Das darauffolgende Geräusch von Glas, was auf dem Steinboden zerschellt, bricht mir das Herz.»Warum zur Hölle bleibst du einfach stehen«, meckere ich wütend und traurig zugleich.
Dann entschuldigt sich ein Typ, der gerade offensichtlich ebenfalls in Blaine reingelaufen war. Genervt rolle ich mit den Augen und begutachte die zerbrochene Flasche auf dem Boden. Langsam verteilt sich der Whisky auf dem kalten Gestein. Traurig seufze ich.»Ich kauf' dir 'nen Neuen.«
»Gut, dann müssen wir jetzt gehen«, sage ich kurz entschlossen. Blaine lacht.
»Was ist denn jetzt schon wieder so komisch?«, frage ich verwirrt. Dabei fege ich die Scherben mit meinem Fuß zusammen.
»Du bist so unschuldig, wenn du betrunken bist.«
Erneut zündet er sich eine Zigarette an und beobachtet mich dabei, wie ich Ordnung schaffe.
Kurz denke ich darüber nach. Ist mein Pegel bereits so hoch, dass ich unschuldig geworden bin?»Kann nicht sein!«, protestiere ich, »Soviel habe ich heute noch gar nicht getrunken.«
Doch Blaine schmettert meine Verteidigung ab, indem er mich darauf hinweist, wie voll die Flasche nur noch war.
Fuck. Eigentlich wollte ich es nie wieder soweit kommen lassen. Ich werde zum Kleinkind, sobald ich es mit dem Alkohol übertreibe.
Genervt lehne ich mich gegen die kalte Wand. In der Hoffnung, dass sich einige Promille auf diese übertragen lassen.»Ich bringe dich zu deiner Freundin.«
Auffordernd sieht er mich an, doch ich bin mir sicher, dass der Transfer zwischen der Wand und mir noch nicht abgeschlossen ist. Also bleibe ich stehen und starre gebannt auf den Boden.»Wie lange hast du mich überhaupt beobachtet, um zu wissen, dass ich in Begleitung bin?«
»Lange genug«, antwortet er knapp. Seine Schritte kommen währenddessen immer näher.
»Kommst du nun?«
Er stellt sich so dicht vor mich, dass meine Schuhe die Seinen berühren. Mit Sicherheit schaut er gerade abwartend auf mich hinab.»Warten deine Freunde nicht auf dich? Geh ruhig schon vor. Ich komme nach, wenn ich wieder nüchtern bin.«
Langsam richte ich meinen Blick nach oben, um in die blauen Augen des Dunkelhaarige zu sehen. Regungs- sowie wortlos erwidert er meinen Blick stur. Der Geruch von Whisky und penetrantem Zigarettenrauch, welcher sich um uns legt, betäubt schleichend meine Sinne. Ich lasse meinen Blick schweifen.»Wartet deine Freundin nicht auch auf dich?«
Blaine holt mich zurück aus meinem kleinen Delirium. Sofort fange ich an, dümmlich zu grinsen.»Touché«, antworte ich mit einem Lachen und beobachte seine Mundwinkel dabei, wie sie nach oben wandern. Kurz schließe ich meine Augen. Alles dreht sich. Verfluchter Mist. Ich bin doch betrunkener, als ich dachte.
Ich öffne meine Augen und könnte schwören, Blaine ist mir nun noch näher. Sein Blick hält mich gefangen, während ich verfluche, dass ich mich damals nicht doch auf ihn eingelassen habe. Ohne weitere Umschweife lege ich deshalb meine Hände an seinen Hals.
»Ich werde dich kein zweites Mal warnen, Jeanne. Alles was hiernach kommt, obliegt deiner Verantwortung.«
Seine Stimme gleicht einem ruhigen Flüstern und irgendwie löst es ein angenehmes Kribbeln in mir aus. Mein Blick fällt auf seine Lippen, ehe ich sie mit meinen in Verbindung bringe.Als ich mich etwas von ihnen löse, steht Blaine da wie angewurzelt. Doch bevor ich ein zweites Mal zu einem Kuss ansetzen kann, drücken mich seine Hände an meiner Hüfte fest gegen die kalte Wand. Fordernd legen sich seine Lippen auf meine. Sanft umfasst er mit einer Hand meinen Hals, was mich überrascht. Es ist das erste Mal, dass ein Mann mich so fordernd berührt. Abgesehen von dem einen Abend.
Ich reiße die Augen auf und drücke Blaine von mir weg. Mein Körper reagiert automatisch, ich kann ihn nicht daran hindern. Selbst, wenn ich wollte. Dann fasse ich mir schwer atmend an den Hals. Verwirrt beobachtet mich der Blauäugige dabei. Als er näher kommen will, weise ich ihm mit meiner freien Hand, dass er Abstand halten soll. Er bleibt stehen. Jedenfalls für ein paar Sekunden, ehe er zu mir kommt und mich in eine feste Umarmung zieht.
Mein gesamter Körper spannt sich an. Vor Angst.»Du hast es noch nicht verarbeitet«, stellt Blaine schließlich ruhig fest.
Als er anfängt meinen Nacken zu streicheln, schließe ich die Augen.»Hast du es jemandem erzählt?« Hakt er nach.
»Nein. Niemandem«, spreche ich gegen seine Brust.
»Gut. Dann hast du nun erneut die Wahl aus folgenden Optionen.
Erstens. Ich bringe dich jetzt zu deiner Freundin, suche dich später aber nochmal auf. Zweitens. Ich bringe dich nach Hause und verschwinde erst wieder, wenn die Sonne aufgeht.
Drittens. Ich nehme dich mit zu mir nach Hause und du bleibst, solange du willst.«Ein Lächeln kann ich mir nicht verkneifen. Er scheint es wirklich zu lieben, Andere vor die Wahl zu stellen. Kurz überlege ich und entscheide mich schließlich für die erste Option. Ich werde definitiv nicht gehen, ohne gründlich die Sau rausgelassen zu haben. Davon hält mich auch dieser kleine Rückschlag nicht ab.
Blaine'
Ich lasse mich auf das ranzige Leder fallen und beobachte, wie Jeanne sich zu ihrer Freundin an die versiffte Bar setzt. Dass Caven mich neugierig von der Seite beobachtet, entgeht mir dabei nicht.»Was ist?«, frage ich daher etwas zu harsch.
Genervt stößt er Luft aus und verdreht die Augen. Ich hasse es, wenn er das macht.
»Wer ist das Mädchen? Deine heutige Eroberung?«
Angestrengt schaut er in Jeannes Richtung. Zu meinem Glück ist er jedoch kurzsichtig. Da helfen nichtmal die abgelaufenen Kontaktlinsen in der falschen Stärke. Als er dann auch noch beide Augen zusammenkneift, pruste ich los.»Hey, ist das nicht die Kleine, die dich abserviert hat?!«, grölt er dann ebenfalls los.
Mein Lachen stoppt. Seine Kontaktlinsen haben doch nicht gänzlich an Funktion verloren. Mist.»Wer hat Blaine abserviert?«
Mischt sich nun auch noch Alex ein. Genervt winke ich die dürre Blondine vom letzten Mal ran, um einen Drink zu bestellen. Erst als sie den Sazerac vor mir abstellt, schüchtern lächelt und sich dann wieder aus dem Staub macht, widme ich mich wieder meinen Kollegen.»Und hast du sie diesmal an der Angel?«, fragt mich Caven breit grinsend. Doch ohne weiter drauf einzugehen, wende ich mich an Alex.
»Habt ihr alles geklärt?«, frage ich mit Nachdruck. Alex nickt und berichtet, dass Polizisten in Zukunft kein Problem mehr für uns sein werden. In sämtlichen Beschlüssen wurde festgelegt, wann ausgerückt wird und wann der Streifenwagen stehen bleibt.
Er mutmaßt außerdem, dass sich die Lage in der Stadt zukünftig noch weiter zuspitzen wird. Die Gemüter werden zerstörerisch heiß. Politiker währenddessen immer leiser.
Zufrieden nicke ich. An einer Hand einen IT-Spezialisten und an der anderen Hand einen Kommissaranwärter. Viel besser kann es für mich fast gar nicht mehr laufen.»Wie kommt es eigentlich, dass meine Auftraggeber in letzter Zeit immer wieder versuchen, mich small zu talken?«, frage ich Caven, welcher sofort ein Grinsen unterdrückt.
Ich weiß, dass seine kranken Griffel im Spiel sind.»Komm schon. Ein kleines Pläuschen unter Geschäftspartnern tut doch niemandem weh. Etwas Kommunikation würde dir sicher gut tun.«
Sein süffisantes Grinsen macht mich rasend, doch ich versuche ruhig zu bleiben. Er liebt es, mich zur Weißglut zu bringen.»Wie du weißt, pflege ich eine andere Art der Kommunikation. Also solltest du künftig Interesse daran haben, mit jemandem in dieser Weise in Kontakt zu treten, dann reiß' weiter deine dummen Witzchen.«
Sein Grinsen ebbt ab.
»Du bist so zynisch«, grummelt er vor sich her, während Alex sich vor Lachen den Bauch hält. Genervt wende ich mich ab, um mich wieder den Brünetten an der Bar zu widmen.
Doch mein Blick fällt ins Leere.
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INSANITY - Dark Mind
Acción»Dunkelheit ist nicht einfach da. Ihre Entstehung ist ein schleichender Prozess.« Blaine lebt sein Leben, als wäre es ein Spiel, in dem er nicht verlieren kann. Als wäre er unbesiegbar, streift er durch die Stadt, lässt dabei den ein oder anderen Au...