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Pyr war schon früh wieder wach. Doch trotz allem was gestern passiert war hatte sie relativ gut schlafen könne. Sie hatte bereits alles sorgfältig eingepackt, ein wenig Brot gegessen und sich erneut durch den Schlitz gedrückt, nur diesmal nach draußen. Sie stützte sich mit dem Stock während sie den Sonnenaufgang betrachtete. Es war ein unglaublich schönes Farbenspiel. Auf Okko waren die Sonnenaufgänge auch schön, aber dieser hier auf Orell wirkte fast schon magisch. Sie hörte einige Vögel leise singen. Es wirkte fast schon ruhig hier. Sie zog ihre Jacke etwas höher und machte sich dann auf den Weg. Wohin sie genau ging wusste sie nicht, aber je länger sie in dieser Höhle bleiben würde, desto stärker würde ihr Geruch werden und sie war sich sicher, die Wesen hier waren schon auf sie aufmerksam geworden. Die Fae war schließlich auch aus dem Nichts gekommen. Wieso diese ihr nicht hinterher gelaufen ist war ihr immer noch ein Rätsel, aber vielleicht hatte sie schon genug Menschen getötet an diesem Tag. Eine Gänsehaut bildete sich an ihrem Körper, doch nicht aufgrund der Kälte. Sie lief durch den Schnee, durch welchen ihre Fußspuren einfach sichtbar waren, denn es schneite nicht. Pyr hielt nach allem Möglichen Ausschau, was auf den Wagen oder die zwei Bären hinweisen könnte. Doch sie war sich sicher, dass es keine Spuren auf dem Boden mehr von ihnen gab. Ihr Magen knurrte und sie legte sich die freie Hand auf diesen. Essen musste sie auch noch heute finden, genauso wie etwas zu trinken. Sie sah sich um als sie kurz stehen blieb. »Ich finde dich Gideon.« Sie flüsterte es leise – für sich und für alles was womöglich ein Auge auf sie warf. Pyr legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel.

Aber wie sollte sie ihn finden? Sie hatte keine Ahnung wo sie war, geschweige denn eine Idee wo er sein könnte. Mit geschlossenen Augen atmete sie tief durch und klammerte sich an den Stock. Pyr öffnete die Augen als sie eine Schneeflocke auf die Stirn traf. Trotz des leichten Gewichts dieser spürte sie sie ganz genau. Es folgte noch eine, diesmal auf die Spitze ihrer Nase. Immer mehr folgten der Ersten, bis es zu viele zum Zählen waren. Es schneite nicht stürmisch, aber doch stark genug um langsam die Spuren ihrer Schuhe zu verdecken. Pyr lächelte leicht – sie war vermutlich noch nie so dankbar für Schnee gewesen. Entschlossen richtete sie ihren Blick wieder nach vorn und ging weiter.

Ihre Beine wurden durch die Kälte langsam taub, ihre Hand klammerte sich immer fester um den Stock. Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich weiter zu gehen. Mit ihrer freien Hand drückte sie die Jacke enger um sich. Pyrs Sicht wurde mit der Zeit verschwommener und sie schwankte. Zuerst ging sie weiter, doch als sie sich nicht mehr sicher auf den eigenen Beinen fühlte hielt sie an und atmete tief durch. Ihre Beine begannen zu zittern als sie hinter sich etwas Schweres auf den Boden aufkommen hörte. »Die Götter stehen mir bei.« War das einzige was sie leise flüsterte, ehe sie sich umdrehte, die freie Hand schoss sofort zu ihrem Schwert und sie zog es aus dessen Scheide. Pyr war bereit sich der Fae vom gestrigen Tag zustellen. War bereit zu verlieren - jämmerlich zu verlieren. Doch dort war nicht die elegante Fae die sie erkannt hätte. Es war ein männlicher Fae, welcher sie anstarrte. Seine dunkelblonden Haare waren in einen Mittelscheitel geteilt und wurden durch den kühlen Wind sanft bewegt. Er sah ihr mit seinen tief braunen Augen direkt in die Eigenen. Pyrs Herz schlug viel zu schnell gegen ihre Brust, sie stolperte einige Schritte zurück, wobei sie aufgrund ihrer zitternden Hände den Stock fallen ließ, welcher mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufkam. Ihre nun freie Hand griff zitternd nach ihrem Dolch. Der Fae legte den Kopf etwas schief, ehe er ihn ruckartig zur Seite drehte – er schaute an ihr vorbei. Anscheinend hatte er etwas gehört, was ihr entgangen war. Sie sah kurz neben sich. Und was sie schließlich sah, ließ sie aufschreien.

Flammendes LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt