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Anouk summte eine leise Melodie, während sie einige Dinge aus ihrem Korb holte. Pyr sah sich in dem Raum, in welchem sie sich befanden, langsam um. Neben der Tür befand sich ein Schreibtisch aus hellem Holz, mit einem passenden Stuhl davor, welcher auf der Sitzfläche ein einladendes, rotes Polster besaß. Auf dem Schreibtisch selbst befand sich nichts. In der linken Ecke des Raumes, schräg gegenüber der Tür, war ein großes Bett platziert. Das Bett war in einem cremefarbenen Ton gehalten, wobei die Decke sowie die Kissen weiß waren. Ein großes Fenster befand sich rechts neben dem Bett, es fing augenblicklich Pyrs Aufmerksamkeit. Langsam schritt sie darauf zu und blickte hinaus. Sie schnappte nach Luft als ihr die vielen Häuser auffielen. Pyrs Blick fiel auf die Wege, welche die Häuser miteinander verbanden und schließlich in verschiedenen, größeren Wegen und Straßen endeten. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund, als sie Fae erkannte. Die Fae liefen in kleinen Gruppen, aber auch alleine, zu verschiedenen Häusern, oder einfach zu ihr unbekannten Zielen. Ihr war bewusst, dass in dem Haus in dem sie sich befand, mit Anouk zusammen, bereits drei Fae befanden. Doch sie war nicht darauf gefasst, inmitten eines Dorfes gelandet zu sein. Ihr Herz raste. Wie sollte sie hier wieder herauskommen – auch wenn Nael sie gehen lassen würde? Mindestens ein Fae würde auf sie aufmerksam werden und sie schließlich töten. Pyr lief ein unangenehmer Schauer über den Rücken, während sie mehr von dem Dorf in sich aufnahm. Sie sah einen Fluss, welcher quer durch das Dorf floss. An insgesamt drei Stellen waren beide Hälften des Dorfes durch Steinbrücken miteinander verbunden. Die Brücken waren elegant verziert, Pyr konnte verschiedene Blumen, an einer ihr nahen Brücke, erkennen. Zudem befanden sich jeweils vier Steinsäulen auf den Brücken, verbunden durch Seile, welche wiederum mit Blumen geschmückt waren.

»Geht es dir nicht gut?« Pyr drehte sich zu Anouk. Ihre Wut überrollte sie als sie auf die Fae zu lief. »Wir sind in einem Dorf?« Anouk nickte leicht, sichtbar unsicher über das, was sie Pyr wissen lassen durfte und was nicht. »Niemand ist auf die Idee gekommen, mir zu sagen, dass ich von dutzenden von Fae umgeben bin?« Die Fae machte Anstalten etwas zu erwidern, doch Pyr unterbrach sie, in dem sie zur Tür stapfte und die Hand auf den Knauf legte. »Ich will augenblicklich mit Nael reden. Ich will hier raus. Jetzt sofort.« Anouk sah sie zögernd an und seufzte schließlich. »Nael ist momentan nicht im Haus.« Er war einfach gegangen? Sollte dies beleidigend wirken? Als Zeichen seiner Macht – dass er jeder Zeit das Haus verlassen konnte, im Gegensatz zu ihr? »Was ist mit der anderen Fae, Tara? Sie konnte auch das Haus einfach betreten, also muss sie es auch verlassen können.« Anouks schweigen sagte ihr bereits alles, was sie wissen musste. Tara würde sie auch nicht gehen lassen, ob sie sie nun hier haben möchte, oder nicht. Pyr ballte die Hände zu Fäusten und starrte aus dem Fenster. Sie würde hier herauskommen, das schwor sie sich. Das schwor sie Gideon, Kezia und allen anderen aus ihrem Dorf, die von den Fae gefangen gehalten werden.

Anouk schwieg einige Zeit, ließ Pyr Raum für ihre Gedanken und Zeit, sich wieder zu sortieren und nicht mehr von der Wut leiten zu lassen. Und sie war ihr dankbar dafür. Im Vergleich mit den Fae die sie bis jetzt getroffen hatte, war sie ihr am sympathischsten. Anouk war nicht aufdringlich und wusste, wann sie ihr besser Freiheit geben sollte. Sie blieb ruhig und freundlich, war nicht eingebildet.

Als Pyr sich wieder beruhigt hatte, ließ sie sich auf das Bett sinken und beobachtete die Fae still. Sie nahm einen Kamm aus ihrem Korb und legte ihn auf den Schreibtisch, ehe sie den Korb auf den Boden platzierte und sich zu ihr umdrehte. »Darf ich dir deine Haare kämmen?« Pyr antworte nicht augenblicklich, sie wägte ab ob es klug wäre, sich von der Fae anfassen zu lassen. Sie hatte in Kezias Geschichten davon gehört, wie Fae sich langsam und heimlich das Vertrauen der Menschen erarbeitet hatten, nur um dieses dann gegen sie verwenden zu können. Die Fae würden sie gezielt nach Informationen fragen und wenn man nichts mehr zu bieten hatte, nahmen sie einem das Leben. Es waren widerwertige Monster. Und sie würden es alle bleiben. Vielleicht spielte Anouk auch nur ein Spiel mit ihr. Würde versuchen, sie davon zu überzeugen mit Nael zusammen zu arbeiten. Pyr erkannte, dass sie lange geschwiegen hatte, als die Fae sich leise räusperte. Als Anouk ihren Mund öffnete um etwas zu sagen, stand Pyr auf und setzte sich auf den Stuhl vor ihr. Sie spürte ihren überraschten Blick auf sich. »Worauf wartest du Anouk?« Die Fae lächelte leicht und schlang ihre dünnen sonnengebräunten Finger um den Stiel des Kammes, ehe sie diesen hob und vorsichtig damit begann, Pyrs Haare zu kämmen.

Flammendes LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt