Note 3

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M A Y

Am nächsten Schulmorgen fühlte ich mich noch schlechter als am Tag zuvor, doch einen weiteren Fehltag konnte ich mir einfach nicht mehr leisten. Ich hing so schon sehr am Lehrstoff nach und würde vermutlich das Jahr ohne Hilfe nicht positiv abschließen können. Ich wollte meine Eltern nicht noch mehr enttäuschen und rappelte mich schweren Herzens auf. Ich zog mich an, versuchte erst garnicht mich mit Schminke akzeptabel zu machen, sondern schnappte mir einfach meine Schultasche und ging die Treppen nach unten.

"Wie gehts dir?", fragte mich meine Mutter mit besorgtem Gesichtsausdruck.

"Gut", antwortete ich ihr, da ich ihr nicht unnötig noch mehr Sorgen machen wollte, als sie eh schon hatte.

Seitdem ich so in mich gekehrt bin und die Schule ziemlich schleifen lasse bemerkte ich, wie meine Mutter immer weniger lächelte, mehrmals täglich in mein Zimmer kam um nach mir zu sehen und immer mit meinem Vater flüsterte, wenn ich nicht in der Nähe war.

Es tat weh zu wissen, dass ich der Grund dafür bin, dass meine eigene Mutter nicht glücklich ist, doch ich konnte es nicht ändern. Ich konnte mich nicht ändern. Ich war nun einmal so wie ich war. Anders. 


Ich verabschiedete mich von meinen Eltern und machte mich auf den Weg zur Schule. Dieses Mal nahm ich mein Fahrrad, da ich keine Lust darauf hatte mit so vielen Menschen auf engem Raum im Bus zu sitzen.

Am Schulgelände angekommen stieg ich ab, kettete mein Fahrrad an, damit es mir nicht gestohlen werden konnte und betrat das Schulgebäude, dass für mich momentan der schlimmste Ort der Welt war. 

Es waren schon etliche Schüler in den Gängen. Ich zwängt mich durch eine Gruppe von Schülern durch bis zur Kellertreppe, die mich zu meinem Spind führte. 

Ich ging wieder den langen Gang entlang und blieb vor meinem Spind stehen. Aus irgendeinem Grund suchte ich den Spind nach einer weiteren Nachricht ab, doch ich fand keine. Etwas niedergeschlagen deswegen öffnete ich den Spind und schnappte mir die Sachen, die ich in den ersten drei Stunden benötigte. Englisch, Geografie und Mathematik.

Ich schleppte mich die Treppen hoch in den dritten Stock und ließ die Folter beginnen. Sobald ich den Klassenraum betrat ging das Getuschel los. Überall erhaschte ich flüchtige Blicke die auf mir lagen, doch sobald sie mitbekamen, dass ich sie erwischt hatte taten sie so, wie wenn sie nichts getan haben.

Jeder Blick wurde schnell abgewandt, jeder bis auf einer. Ich spürte den Blick und drehte mich in diese Richtung. Es war der rothaarige Junge, den ich gestern im Keller gesehen hatte. Ich wollte ihn ansprechen, mich entschuldigen, dass ich ihm nicht geholfen hatte, doch ich konnte nicht.

Schnell setzte ich mich an meinen Platz in der letzten Reihe, da meine Englischlehrerin die Klasse betreten hatte. Ich dachte, sie würde wie normalerweise auch, die Hausaufgaben, die ich wieder mal nicht gemacht hatte, kontrollieren, doch ich lag falsch.

"Wie einige von euch vielleicht schon mitbekommen haben, haben wir einen Austauschschüler aus Australien dieses Jahr bekommen."

Alle Blicke wandten sich automatisch zu dem Jungen mit den feuerroten Haaren. Natürlich, er war ein Austauschschüler, darum hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen.


Er stand von seinem Platz auf und ging nach vorne. Unsere Lehrerin bat ihn sich vorzustellen und wie ich mir bereits gedacht hatte konnte er perfekt Englisch mit einem australischen Akzent.

Ich erfuhr, dass er 19 war, also zwei Jahre älter als ich. Er hieß Michael und wollte mal etwas Neues ausprobieren, deshalb der Austausch. Er wollte Deutsch lernen und neue Kontakte aus anderen Ländern knüpfen.

Während Michael sprach, bemerkte ich, wie diese ganzen Schulschlampen in der ersten Reihe ihn mit ihren Blicken förmlich auszogen. Sie widerten mich einfach nur an, ich meine, wie konnte man nur so billig sein?

Den Rest der Stunde verbrachten wir damit, Michael alle möglichen Fragen zu stellen, doch ich bemerkte, wie unwohl er sich in dieser Situation vorkam.

Geografie und Mathematik verliefen relativ schnell, da ich ihn Gedanken noch immer bei Michael war. Nicht direkt bei Michael, eher bei Australien. Ich interessierte mich schon lange für dieses Land und wollte selbst einen Austausch starten, doch dann begann ich mich zu verändern und traute mich nichtmal mehr vor die eigene Haustür.

Endlich läutete die Glocke zur Mittagspause und ich bemerkte, dass ich meine Jausenbox zu Hause vergessen hatte. Da ich nie Geld für Essen ausgab, hatte ich genug Geld um mir ein Mittagsessen in der Cafeteria zu kaufen.

Ich stellte mich in die Schlange und bestellte mir mein Essen. Schweinsbraten gab es heute. Ich fühlte mich schlecht, da mich jeder dabei beobachte würde, wenn ich Essen zu mir nahm, doch ich hatte heute keine andere Wahl, da man mit diesem Essen die Cafeteria nicht verlassen durfte.

Ich schaute mich nach einem geeigneten Platz um und fand sogleich einen in der hintersten Ecke. Wo auch sonst? 

Ich näherte mich meinem Platz und stellte das Tablett auf dem Tisch ab. Ich wollte mich gerade setzten, doch der Stuhl war verschwunden und ich landete mit meinem Hintern unsanft auf den Boden. Ungeschickt wie ich bin, riss ich dabei mein vollgeladenes Tablett mit mir mit zu Boden und der gesamte Schweinsbraten landete auf meinem T-Shirt.

Hinter mir fingen Typen an zu lachen und bald hatte die ganze Cafeteria mein Unglück mitbekommen. Mit schnellen Schritten verließ ich die Cafeteria und stürmte ins Mädchenklo, auf dem sich gerade drei Mädchen schminkten, doch als sie mich sahen sogleich die Flucht ergriffen.

Ich wusch mir die Soße so gut es ging heraus, doch ich bräuchte definitiv ein neues Shirt. Da fiel mir ein, dass ich meine Sporttasche noch im Spind hatte. Ich wartete bis die Pause vorbei war und schlich mich dann runter in den Keller um mich umzuziehen.

Diesmal lief ich den Gang entlang zu meinem Spind, da ich nicht noch mehr vom Unterricht verpassen wollte, als ich es eh schon hatte.

Ich wollte gerade meinen Spind öffnen, als mir das altbekannte Pink eines kleinen Zettels in die Augen stach.

Ich musste leicht lächeln und löste den Zettel ab.

Don't let these stupid people ruin your life.
You are stronger than them.
I believe in you.

Compliments ✿ m.c ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt