Note 6

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M A Y

Diesmal hatte ich andere Pläne, ich wollte dem Botschaftenschreiber hinter die Schliche kommen, koste es was es wolle.

Wie gewöhnlich nahm ich meine Sachen aus dem Spind und verstaute sie in meiner Tasche. Danach schloss ich den Spind wieder und sah sicherheitshalber noch mal nach ob auch wirklich kein pinker Zettel daraufklebte. Da dies nicht der Fall war krammte ich in meiner Tasche und fischte meine grünen, kleinen Zettel heraus.

Why can't u tell me?

Ich schrieb diese fünf Worte darauf und klebte ihn danach in die rechte Ecke. Zufrieden grinste ich und ging den Gang zu den Treppen entlang. Hinter der ersten Mauer blieb ich stehen und wartete. Wartete darauf, dass sich das Licht aufgrund des Bewegungsmelders wieder einschalten würde.

Als nach zehn Minuten nichts passierte wurde ich langsam etwas ungeduldig und wollte gerade abhauen, als sich plötzlich das Licht anschaltete. Wie angewurzelt blieb ich stehen und drehte wieder um. Ganz leise streckte ich meinen Kopf um die Ecke um einen Blick auf meinen Spind zu werfen, doch Fehlalarm, es war nur ein Mädchen aus meiner Klasse von dem ich nicht mal ihren Namen wusste.

"Morgen", murmelte sie grummig und ging dann einfach an mir vorbei, ohne mich auch nur einen Blick zu würde. "Blöde Kuh", murmelte ich und verdrehte genervt meine Augen. Spätestens jetzt wusste ich, warum ich ihren Namen nicht wusste.

Ich nahm wieder meinen Platz hinter der Mauer ein und wartete wieder. Noch zehn Minuten hatte ich Zeit, bis ich zum Unterricht musste, aber das eine weitere Mal zu spät kommen war mir jetzt auch schon egal. Meine schulischen Leistungen gingen in letzter Zeit sowieso den Bach runter und es müsste ein Wunder geschehen, dass ich dieses Schuljahr noch positiv abschließen würde.

Plötzlich hörte ich einen Spind, der gerade eben zugeschmissen wurde. Ich spürte, wie sich mein Herzschlag verschnellerte, da ich inständig hoffte endlich das Geheimnis dieser Botschaften zu lüften.

Langsam streckte ich wieder meinen Kopf um die Ecke und erkannte vor meinem Spind wirklich jemanden. Die Statur lies mich darauf schließen, dass es Junge war. Er war ziemlich groß, trug eine schwarze Skinny Jeans und einen schwarzen Hoodie. Leider hatte er die Kaputze auf, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte.

Ich konnte beobachten, wie er einen weiteren seiner pinken Zetteln an meinem Spind befestigt und nervös im Kreis herum sah, ob ihn auch wirklich niemand beobachtete. Ich hatte Glück, er hatte mich nicht entdeckt.

Nachdem der Zettel an meinem Spind hielt hängte er sich seine Tasche wieder um und eilte die Treppen auf der anderen Seite nach oben. Ohne groß darüber nachzudenken folgte ich ihm einfach unauffällig nach oben und sah zu, wie er die Toilette betrat.

Ich wollte gerade die Tür zur Toilette öffnen, als mir wieder einfiel, dass ich dort drinnen nichts zu suchen hatte. Es war die Jungstoilette und wenn ich meinen Körper so betrachtete hatte ich nichts männliches an mir. Was du nichts sagst.

Ich hatte in manchen Situation die komische Angwohnheit mich mit einer inneren Stimme selbst fertig zu machen, als ob die anderen dies nicht schon oft genug taten. Einfach vor der Tür stehen zu bleiben würde auch komisch aussehen, aber was sollte ich den schon anderes tun?

Schnell ging ich ins Mädchenklo und schloss die Tür bis auf einen kleinen Spalt. Als ich die Tür nebenan zufliegen hörte eilte ich nach draußen und hätte demjenigen fast die Tür gegen die Nase geknallt.

"Oh sorry", stammelte die Person schüchtern, obwohl eigentlich ich diejenige war, die die Tür wie von der Tarantel gestochen aufgerissen hatte.

"Michael", sagte ich schockiert.

"Uhm yeah?", fragte er etwas versunsichert und sah mich fragend an.

"Oh uhm sorry I just thought you are already in class."

"I'm on my way there. Wanna come with me?", bot er mir an und lächelte.

Ich nickte leicht und gesellte mich zu ihm. Auf dem Weg versuchten wir etwas Smalltalk zu führen allerdings ohne Erfolg. Die letzten hundert Meter liefen wir einfach schweigend hin und her, ich total in Gedanken versunken.

War es wirklich Michael, der mir diese Botschaften an meinen Spind heftete? War er vielleicht nur zufällig auch auf der Toilete und der richtige Botschaftenschreiber befand sich noch dort drinnen als Michael herauskam?

Ich musste mehr herausfinden. Ich wollte unbedingt wissen wer mir immer meinen Tag versüßte. Ich wollte mich einfach bei ihm bedanken, dass er es schaffte, trotz meines eher traurigen Lebens, mir für eine kurze Zeit ein echtes Lächeln zu entlocken.

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Ich hab beschlossen, dass die Story aus 10 Kapiteln + Epilog bestehen wird.

Auch wenns für viele wenig erscheint, für diese Storyline wären mehr Kapitel einfach nicht passend. 

Compliments ✿ m.c ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt