Kapitel 24 - We are just like the waves that flow back and forth

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Immer und immer wieder fragte ich mich ein und dieselbe Frage: was tat sie hier? Sie ging leichtfüßig den Weg zur Straße hinunter, durch die Dunkelheit konnte ich ihr Gesicht nicht deuten. Jedoch wirkte sie keinesfalls deprimiert auf mich, eher zufrieden und ein wenig wissend. Die Wut in mir brodelte und ich kniff mir verzweifelt in den Unterarm um nicht laut aufzuseufzen und meine Verwandtschaft auf mich aufmerksam zu machen. „Willst du sie holen?", fragte mein Vater ungeduldig und tippte auf seine Armbanduhr. Ich nickte nur leicht mit dem Kopf und ergriff mit zittrigen Händen die Klinke um die Autotür zu öffnen, aus den Augenwinkeln sah ich einen Schatten in einem anderen Auto verschwinden und davonbrausen. All die Freude über das Urteil, den Ausgang der Verhandlung, die mögliche Zukunft in London war längst verpufft. Ich eilte zur Tür und klingelte Sturm, nach einigen Sekunden ertönte Chloes Stimme aus der Gegensprechanlage: „Was willst du noch?" Sie wirkte genervt und die Tonlage dämpfte ein wenig meine Wut, sie schien nicht erfreut über den vorigen Besuch. „Ehm, ich bin's", sagte ich leise und fast schon ein wenig verunsichert. „Babe? Komm hoch, ich bin gleich soweit!", antwortete Chloe und ließ mich hinein. Ich nahm mehrere Stufen auf einmal und mein Herz schlug mir bis zum Hals als ich vor ihrer Tür zum stehen kam. Aufregung mischte sich zu meiner Wut, die langsam begann zu verpuffen. Chloe öffnete mir die Tür mit leicht verweinten Augen, ohne eine Frage zu stellen oder sie meine Wut spüren zu lassen nahm ich sie in meine Arme und strich ihr beruhigend über den Rücken. Ich schloss die Tür hinter mir und hielt sie einfach nur fest, solange bis sie sich beruhigte und mir tief in die Augen sah. „Ich liebe dich", nuschelte sie in mein Haar und ich massierte mit einer Hand ihren steifen Nacken. „Ich liebe dich auch, Chloe! Was ist passiert?", fragte ich vorsichtig und schob sie Richtung Schlafzimmer um ihre Sachen zu holen. Meine Hand blieb in ihrem Nacken wo meine Finger zielstrebig über ihre verspannten Muskel fuhren, was Chloe ein leises Stöhnen entgleiten ließ. Chloe schluckte hörbar, sie drehte sich zu mir um und ich erblickte Angst in ihren blauen Augen. Ihre Augen waren dunkler als sonst, ein trüber Schleier lag über ihnen. „Chloe?", fragte ich und trat ein Stück näher an sie heran, „Du brauchst keine Angst haben mit mir zu reden." Ihre Unterlippe wippte leicht auf und ab während sie nach den richtigen Worten suchte, ich hoffte inständig sie würde sich mir gegenüber öffnen. Es war an der Zeit für sie da zu sein, ihr den Rücken zu stärken und keine falschen Schlüsse zu ziehen ohne ihr die Chance zu geben es zu erklären. „Tara", flüsterte sie und ich nickte. „Ich weiß", sagte ich und sie blickte erschrocken zu Boden. Mit meinen Fingern hob ich ihr Kinn leicht an und sah erneut die Tränen in ihren Augen, ich hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und wartete. „Du musst es mir nicht jetzt sagen, Chloe. Das hat Zeit", bot ich ihr an und schloss sie fest in meine Arme. Ein Schluchzer entwich ihr und sie krallte sich an meinem Rücken fest, Fingernägel bohrten sich in mein Fleisch und ich knurrte unerwartet auf. Chloe hickste vor lauter Lachen und auch ich schaffte es nicht es mir zu verdrücken: „Tschuldige. Bist du fertig?" Sie nickte und ich ergriff ihre Tasche die geschlossen auf dem Bett lag, sie fühlte sich tonnenschwer an. „Du weißt schon, dass wir nur für das Wochenende dort bleiben, oder?" Ich zog eine Augenbraue hoch und biss mir gleichzeitig auf die Lippe, Chloe lächelte mich verschmitzt an. „Hm", summte sie und küsste mich zart auf die Lippen, „ich weiß. Aber ich brauche das alles. Ich schwöre!" Ich nickte und zog sie hinter mir her. Aus dem Augenwinkel entdeckte ich ein zersprungenes Glas im Wohnzimmer, ich blieb schlagartig stehen und scannte Chloes Körper ab. „Bist du verletzt?", meine Stimme zitterte und Chloe schüttelte heftig den Kopf. „Mir geht es gut. Los lass uns gehen", sie drückte mich zur Haustür und wir eilten die Treppen hinunter. Im Licht der Dunkelheit rannten wir zu dem Auto meines Vaters, nicht ohne vorher einen Blick nach links und rechts zu werfen und öffneten die Türen um hineinzuschlüpfen.

Stunden später hielten wir auf einem schummrig beleuchteten Parkplatz, ich öffnete die Tür und der Geruch vom tobenden Meer schlug mir entgegen. „Endlich", rief ich in die Dunkelheit hinein und alle um mich herum begannen von Herzen zu lachen. Ich lauschte in die Nacht hinein und hörte die Wellen tosen und an den Felsen brechen. Ich ließ alles stehen und liegen und lief einen kurvigen und sehr vertrauten Sandpfad hinunter. Unterwegs entledigte ich mich meiner Schuhe und genoss den kalten Sand zwischen meinen Zehen. Als das dunkle und kalte Meer meine Haut berührte jauchzte ich auf, mit dieser Kälte hatte ich nicht gerechnet. Es war Mitte April und vor einigen Jahren war ich trotz dieser Jahreszeit im Meer baden, vielleicht waren meine Erinnerungen bezüglich der Wärme des Wassers doch ein wenig getrübt. „Du wirkst unheimlich glücklich", ertönte Chloes Stimme hinter mir und ich drehte mich lächelnd um. „Das bin ich auch", sagte ich und blickte zum Himmel, „schau doch mal nach oben, Chloe! Wie kann man da nicht glücklich sein?" Ich ergriff ihre Hand, zog sie näher an mich heran und zeigte nach oben, die Sterne über uns funkelten um die Wette und stellare Figuren zierten den Himmel. Chloe stimmte brummend zu und lehnte ihren Kopf an meine Schulter, ich sog den Duft ihrer Haare ein und platzierte einen kleinen Kuss auf ihrer Schläfe. „Es ist wunderschön", murmelte sie und ich schlang zusätzlich meinen Arm um ihren zierlichen Körper. Ihre Wärme überzog meine leicht kalten Arme und ich kuschelte mich glücklich an sie heran. Wir verweilten einige Zeit stillschweigend vor dieser atemberaubenden Kulisse bis mein Vater nach uns rief. Fast schon widerwillig machten wir uns auf den Rückweg und hielten am Auto an um unsere Taschen rauszunehmen. Ich zog Chloe hinter mir her und zeigte ihr wo es lang ging. Ich mochte schon ewig nicht mehr hier gewesen sein, doch kannte ich dieses Haus wie meine Westentasche.

Midnight Rain - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt