Kapitel 7 - I want you to stay lonely

1K 41 1
                                    

Einen Tag später fand ich mich in meinem alten Zimmer wieder, ich hasste es hier zu sein, die Erinnerungen holten mich ein, bereiteten mir Bauchschmerzen. Egal wohin ich ging, überall dachte ich Ben zu sehen, ihn zu hören, zu riechen. Szenarien holten mich ein, spielten sich vor meinem inneren Auge ab. Ich bekam Panikanfälle, es fühlte sich an wie eine Hand die sich um meine Kehle legte und zudrückte. Das passierte mir gefühlt alle fünf Minuten, jede Ecke dieses Hauses rief diese Symptome hervor. Ich lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett und konzentrierte mich auf meine Atmung, nur um so ein wenig runterzukommen. Unten vernahm ich ein Rumoren, es klang nach Topfgeklapper und Pfeifen. Mein Vater hatte sich riesig gefreut als ich mit gepackten Koffern vor seiner Tür stand, es interessierte ihn überhaupt nicht warum ich wieder da war, für ihn war nur die Tatsache dass es so war wichtig. Seine Arme rissen mich regelrecht ins Haus, gaben mir keine Chance mich langsam an die Situation zu gewöhnen. Meine Gedanken wanderten zurück zu den Erlebnissen in meinem Zimmer, von der letzten Misshandlung war eine Delle in meiner Tapete, dort wo mein Kopf gegen die Wand gedonnert wurde. Bevor wieder diese Atemnot einsetzen konnte, drehte ich mich zur Seite und roch an dem schwarzen Pulli der neben mir lag. Ein blumiger Duft erfüllte meine Nase und mein Herzschlag verlangsamte sich schlagartig – es roch nach Chloe. Es war ihr unverkennbarer Duft, es fühlte sich fast so an als würde sie neben mir liegen. Warum sie das gerade nicht tat? Im Krankenhaus haben wir ein ewig langes Gespräch geführt, eines was uns die Tränen in die Augen trieb, nicht einmal, nicht zweimal, nein mindestens 50 Mal. Wir haben diskutiert, debattiert, Pro und Kontras abgewogen und sind im Endeffekt zu dem Entschluss gekommen, ich musste aus ihrer Wohnung raus. Wir wollten es Beide nicht, es tat unglaublich weh sich dafür zu entscheiden, aber aufgrund der Erpressung durften wir keine Risiken mehr eingehen. Das Einzige was mich ein wenig beruhigte war die Tatsache, dass Ben nicht mehr hier war. Hier in diesem Haus konnte er mir nicht mehr weh tun, dafür aber die Erinnerungen. Eine unterschätzte Folter meines Geistes, die ich wirklich nicht mit einberechnet hatte.

„Essen!", der Ruf meines Vaters ließ mich hochfahren, stirnrunzelnd machte ich mich auf dem Weg nach unten und versuchte eine gute Miene aufzusetzen, auch wenn mir danach überhaupt nicht zumute war. Ich hatte noch immer keinen Plan wie ich meinem Vater gegenüber treten sollte, ob ich schon bereit war ihm zu verzeihen. Unser letztes Aufeinandertreffen lief nicht gerade ideal ab, so würde es hier auch die nächsten Tage zugehen: angespannt und ständig auf der Hut vor erneuten Diskussionen. Ich musste aufpassen mich nicht zu verquatschen, nicht damit rauszukommen wo ich die letzten Wochen eigentlich gewohnt hatte. Mein Vater fragte zwischendrin immer wieder einmal nach meiner „ach so netten" Lehrerin, die die sich um mich scherte als er es nicht getan hatte. „Nudeln mit Pesto. Die magst du doch so gerne", sagte mein Vater während ich schlecht gelaunt in die Küche kam. „Schon seit Jahren nicht mehr", antwortete ich trotzig und ignorierte das Bauchgegrummel was meinen Hunger verriet. Ich hörte ihn schnauben, vereinbarte jedoch mit mir selbst nicht darauf zu reagieren. Er glaubte Nudeln mit Pesto würden alles Geschehene vergessen machen, mich besänftigen? Damit lag er falsch und das sollte er spüren. John stellte einen dampfenden Teller vor mir ab, setzte sich und fing an in seinen Nudeln herumzustochern. Immer wieder ertappte ich ihn dabei wie er in meine Richtung schielte, den Mund aufmachte um etwas zu sagen und doch wieder schwieg. Ich schob den Teller von mir weg und verschränkte die Arme, endlich sah er auf und zog eine Augenbraue nach oben: „Du kannst sauer auf mich sein, Lilly. Ich habe es verstanden, aber du solltest etwas essen." Sein Blick wanderte über meine knochigen Schultern, blieb kurz an meiner zu weiten Hose hängen und er drückte den Teller wieder auf seinen alten Platz zurück. Mit gefletschten Zähnen piekte ich zwei Nudeln auf und schob sie widerwillig in meinen Mund. Es war nicht so, dass ich keinen Hunger hatte, mir fehlte es lediglich an Appetit. Der Fakt nicht mehr bei Chloe wohnen zu können, erpresst und von den Vipers bedroht zu werden setzte mir zusehends zu. Als ob meine Vergangenheit noch nicht Strafe genug wäre, legte das Leben noch eine Schippe drauf.

Midnight Rain - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt