Meeresrauschen

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Jareds Sicht:


Ich steuere eine kleine Felsnische am Ende des Strandes an. Sie liegt etwas versteckt. Dort kann ich immer meine Ruhe haben, ohne gesehen zu werden. Zudem hat man einen schönen Blick auf das Meer und die Klippen.
Ich höre Kims Schritte im feinem Kies hinter mir knirschen, und weiß so, das sie mir folgt.
Dort angekommen, setzte ich mich auf einen umgefallenen Baumstamm.
Das Mädchen meiner Träume steht unentschlossen vor mir. Also klopfe ich mit meiner Hand auf den freien Platz neben mir. Sie hebt ihren eben noch gesenkten Kopf, und kommt zögerlich auf mich zu, bis sie sich noch etwas wacklig neben mich auf den Baumstamm setzt.

Wir schweigen eine ganze Weile, und lauschen nur den Wellen. Ich habe viele Fragen an Kim, wie zum Beispiel warum sie fast ertrunken wäre, sie nicht nach Hause möchte....
Doch ich möchte ihr erst mal etwas Zeit verschaffen, um sich auszuruhen.
Es muss jetzt so etwa um 5 Uhr am Morgen sein. So schafft die aufsteigende Sonne eine sehr schöne und ruhige Atmosphäre.
„Jared?" erklingt auf einmal ihr Stimme. Sie klingt noch sehr gehaucht und schwach.
Ich drehe meinen Kopf zu ihr, und lächle sie an.
Kim beißt sich leicht auf die Unterlippe.
„Warum hast du mich aus dem Wasser geholt?"
Hat sie das wirklich gefragt?
Wie hätte ich denn jemanden einfach ertrinken lassen können?
Als ich von meiner Schicht nach Hause laufen wollte, sah ich wie eine Silhouette im Meer verschwand, und als sie nicht wieder kam, bin ich natürlich gucken gegangen.
Dort sah ich, wie ein Mädchen immer tiefer und tiefer von den Wellen ins Meer getragen wurde.
„Ich konnte dich doch nicht sterben lassen." sage ich schließlich. Ich weiß nicht genau was für eine Antwort sie erwartet, aber diese ist die gekürzte Wahrheit.
„Wie lange wohnst du schon hier?" frage ich sie, da es nicht den Anschein erweckt, als das sie sich hier auskennen würde.
„Seit Gestern." antwortet sie.
„Wo hast du vorher gelebt?" frage ich weiter, und hoffe sie nicht zu verscheuchen.
„Nevada, Las Vegas."
Ihre Stimme hat etwas merkwürdiges. Wenn sie spricht scheint es, als müsse sie die Worte aus ihrem Mund heraus zwingen, als würde es ihr schmerzen. Der klang ist ausdruckslos. Gleichgültig.
Wie von selbst bewegt sich meine Hand auf ihren Arm zu, während mein Blick auf ihren Lippen hängt.
Sie sind wunderschön, natürlich rot und voll. Aber sie sind auch gerissen. Und trocken.
Am liebsten würde ich sie küssen.
Plötzlich schreckt ihr Kopf zu mir herum, und sie rutscht etwas weiter weg. Ich habe gar nicht bemerkt, wie meine Hand sich für kurze Zeit auf ihren Arm gelegt hat. Ich bin wie in Trance, wenn ich sie genauer betrachte.
„Warum seit ihr weggezogen? Wenn ich fragen darf?"
Sie schweigt, und kauert nachdenklich auf ihrer Unterlippe.
„Es ist kompliziert." sagt Kim schließlich.
Ich hab das Gefühl, als würde sie darüber reden wollen, weiß aber nicht genau wie.
„Ich bin sicher, das ich dir folgen kann." versuche ich es weiter.
Sie schaut mich an, und ich muss mich beherrschen, nicht von ihren dunkelblauen Augen hypnotisiert zu werden.
Ich denke sie wägt ab, ob sie mir vertrauen kann. Das verletzt mich etwas. Schließlich kann sie mir alles anvertrauen. Allerdings kennt Kim mich auch erst seit ein paar Stunden. Sie braucht einfach Zeit!
Schließlich wendet sie ihren Kopf ab, und öffnet ihre Lippen.
„Ich..... Es... Meine Eltern dachten, das... das es besser für mich wäre, für eine Zeit.. zu meine Oma zu ziehen." Es fällt ihr sichtlich schwer das preis zugeben. Ich würde es Kim gerne irgendwie erleichtern können!
„Wie geht's dir damit? Also das du nun bei deiner Oma wohnst, und deine Eltern dich wegschicken?"
Wieder neigt sich ihr Kopf in meine Richtung, und der Blick in ihrem Gesicht, ist ähnlich, dem meines besten Freundes...



Flashback


Es klingelte das Telefon.
Mein Vater war in der Dusche, also rief ich schnell:
„Ich gehe schon!"
Ich sprang schnell die Treppe runter und nahm den roten Telefonhörer von der Gabel, auf der gelben Kommode im Flur ab.
„Hallo?" fragte ich in den Hörer.
„Hallo Jared." erklang die Stimme von Sam's Vater.
„Ist dein Dad zu Hause?" fragte er.
Sein Anruf wunderte mich etwas. Die beiden hatten eigentlich nichts miteinander zu tun.
„Ja. Aber er duscht grade." sagte ich.
„Oh. Könntest du ihm bitte sagen das ich angerufen habe?"
„Natürlich."
„Und Danke Jared. Hättest du vielleicht Lust dich Heute mit Sam zu treffen, im Park?"
„Sehr gerne!" rief ich vor Freude und legte auf.

„Mr. Uley hat Heute am Morgen angerufen, als du unter der Dusche warts." erzählte ich meinem Dad.
„Komisch. Danke!" erwiderte er nur.
„Ich hab dich schon eine Weile nicht mehr so glücklich gesehen." bemerkte er leise.
„Ich gehe jetzt in den Park." sagte ich, sprang auf und schnappte mir meinen Rucksack vom Treppengeländer.
„Mach nicht so lang und pass auf dich auf!" rief er mir noch hinterher, bevor einer der schlimmsten Tage in meinem Leben begann.

„Hey Sam!" rief ich schon vom weitem, als ich meinen Freund auf der Schaukel sah, und sprintete auf ihn los.
Er drehte sich um, und lächelte mich an. Sein Lächeln war anders als sonst. Dann breitete er die Arme aus, und wir umarmten uns.
Wir hatten und lange nicht mehr gesehen. Das lag größten Teils an mir. Ich war immer noch traurig wegen meiner Mum.
Aber ich hatte Sam vermisst. Er war einer der Gründe, warum ich bei meinem Vater geblieben bin.
Ich wusste das er mich brauchte. Obwohl er drei Jahre älter war als ich. Und es tat gut, ihn wieder zu sehen.
Wir lösten und wieder voneinander.
„Hey Kleiner." neckte er mich und struppelte mir durch die Haare.
„Was ist los mit dir?" fragte ich ihn, da ich merkte das irgendetwas nicht mit ihm stimmte.
„Du hast schon immer zu viel gemerkt." sagte er betrübt.
„Wollen wir zum Strand?" fragte er nun mich.
„Wir dürfen da nicht hin!" sagte ich.
„Ich weiß! Ich will ja auch nicht baden gehen, ich möchte dir etwas sagen, und will nicht das es jemand hört."
Ich überlegte. Mein Vater würde sauer auf mich sein.
„Außerdem möchte ich dir noch etwas zeigen."
Das klang verlockend!
„Ich passe schon auf dich auf. Versprochen!"
„Na gut." sagte ich schnell.

Wir liefen schnell zum Strand. Ich merkte wie die Luft immer kühler wurde, und hörte die Wellen gegen die Klippen klatschen. Der Boden wurde immer sandiger, und mein Gefühl mulmiger.
Sam dagegen wirkte erleichterter. Von Schritt zu Schritt.
Dann betraten wir den Second Beach.
„Komm." sagte Sam als er merkte wie ich immer langsamer wurde.
Ich lief ihm hinterher.
Er lief bis zum Ende des Strandes, also dort, wo die Klippen begangen.
Er lief um die Ecke, und dort offenbarte sich mir eine kleine Nische, ähnlich einer Höhle. Ein Baumstamm lag darin, es war dunkel, aber an hatte einen tollen Ausblick auf das Meer, wie es an den Klippen brach.
„Setz dich." wies er mich an, und klopfte neben sich auf den Stamm.
Ich gehorchte.
Sein Gesicht wurde ernst. Sehr ernst. Ich wusste das er ernst sein konnte. Mein Vater sagte immer Sam wäre eine alte Seele. Doch so schaute er noch nie. Mein ganzes Leben lang nicht. Denn so lange waren wir schon die besten Freunde.
Er räusperte sich.
„Weißt du, was Misshandlung ist?" fragte er mich.
Ich schüttelte den Kopf.
„Misshandlung ist etwas furchtbares. Das ist wenn Menschen, wie Kinder, absichtlich verletzt werden."
Ich schluckte.
„Das heißt, das es Menschen gibt, die mit Absicht anderen Menschen weh tun?" fragte ich ungläubig.
„Ja. Und das immer wieder. Dann wirst du von deinem eigenen Vater geschlagen und angebrüllt. Und niemand merkt es."
Er klang sehr verletzt.
Ich schwieg, wusste nicht was ich sagen sollte.
„Sam?"
Er schaute auf den Boden, und seine Augen glänzten.
„Wirst du Misshandelt?"
Sein Kopf wandte sich mir zu.
„Ich wurde." sagte er mit schwerer Stimme.
Ich wusste das Sams Vater ihm Probleme bereitete, allerdings nicht welche.
„Heute, ist mein Vater aus dem Haus gestürmt, mit einem riesigem Koffer. Er wuchtete ihn in den Kofferraum seines Wagens und fuhr davon."
Gegen Ende wurde Sams Stimme wütend.
„Und ich glaube er kommt nie wieder." beendete er das Erlebnis.
Ich wurde an das Verschwinden meiner Mutter aus meinem Leben erinnert.
Plötzlich sprang Sam auf. Ich lief ihm hinterher.
„Sam wo willst du hin?" fragte ich ihn, als er begann auf die Felsen zu klettern.
Ich stand kurz unschlüssig unten.
Bei Sam sah das klettern ganz leicht aus. Also folgte ich ihm. Ich durfte ihn jetzt nicht alleine lassen.
Er war schneller als ich, also versuchte ich aufzuholen.
Die Steine waren feucht, und pikten in meine Handflächen.
Doch ich kletterte schneller.
Ich durfte ihn nicht verlieren.
Ich hab nur einmal nicht aufgepasst, und schon spürte ich den Fall.
Ich hörte meinen Schrei.
Und ich sah Sams Gesicht.
Als wäre es seine Schuld, als würde er alles zerstören.
Dann war alles Schwarz.


Flashback Ende




Genau diesen Blick sehe ich grade bei Kim. Und ich frage mich verzweifelt, warum?



Wer den kleinsten Teil seines Geheimnisses hingibt,
hat den anderen nicht mehr in der Gewalt.

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