Schmerzen

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Kims Sicht:

„Wie geht's dir damit? Also das du nun bei deiner Oma wohnst, und deine Eltern dich wegschicken?" fragt er mich mit seiner unbeschreiblichen Stimme.
Es ist schwer, für alles wieder die richtigen Worte zu finden, wo ich doch so lange nichts mehr gefühlt habe, und daher nichts beschreiben musste.
Ich rede mit ihm.
Ich sehe ihn an, und empfinde dabei keine Leere.
Ich bin ausgefüllt, weiß aber trotzdem nicht, was ich fühle, und warum.
Und dann diese Frage, wie es mir geht.
Wie soll es mir schon gehen?
Ich zerstöre das Leben anderer Menschen.
Das Leben der Menschen, die mir am meisten bedeuten müssten.
Und jetzt bin ich hier.
Meine Eltern nicht.
Ihnen geht es nicht gut, und das ist allein meine Schuld.
Ich bemerke das Jareds Blick abwesend wird.
Er legt seine Stirn in Falten, und bekommt einen traurigen Ausdruck im Gesicht.
Habe ich es jetzt schon geschafft, ihn zu verletzten?
Aber wodurch?

Sein Gesicht wird wieder klarer, und er wendet es mir zu.
„Wo wohnt deine Oma denn?"
„Ich will noch nicht zurück." sage ich. Es ist ein schlimmer Ort, der mich an furchtbare Dinge erinnert.
„Das musst du nicht."
Das nehme ich als stille Versicherung, das er noch mit mir am Strand bleibt.
„Ist dir nicht kalt?" fragt er mich, und beäugt mich kritisch, weshalb ich automatisch meine Arme verschränke, um meinen Körper, vor seinen Blicken zu schützen.
Er beginnt leicht zu lächeln, schüttelt den Kopf, und zieht sich seine schwarze Lederjacke aus, unter der er nichts trägt.
Grade als er Anstalten macht, mir die Jacke überzuziehen, frage ich ihn etwas, worauf er nur mit einem kurzen lache antwortet.
„Ist dir dann nicht kalt?"
„Mir wird nicht so schnell kalt." sagt er nur amüsiert.
Um ihn nicht so zu verletzen, wie vorhin, als ich von ihm weggerückt bin, lasse ich mir die Jacke von ihm, um meine noch nassen Klamotten legen.
Aber ich merke, wie vorsichtig er ist, und versucht, mich nicht zu berühren.
Dann setzt er sich auf den Boden mir gegenüber, und starrt auf seine Hände.
Ich traue mich das erste mal, ihn genauer anzusehen, da sein Blick nicht auf mir liegt.
Sein Äußeres strahlt etwas aus, was mich schaudern, und gleichzeitig erwärmen lässt.
Es ist schwer zu beschreiben.
Worte finden.
Er ist...
Ich finde kein passendes Wort.
Ein Junge in meinem alter, würde ich schätzen.
Am meisten fasziniert mich sein Gesicht, in welchem so viel Ausdruck liegt.
Es wirkt so freundlich, und liebevoll.
Seine Augen aber, wirken wie von einem leichten, unsichtbaren Tränenschleier belegt.



Flashback



Ich war allein in unserem Haus.
Wo mein Vater war, wusste ich nicht.
Alleine das Wort „Vater" für diese Person zu verwenden, schmerzt, und lässt mich Hass empfinden.
Ich hockte in der Ecke des Zimmers, und fragte mich, ob es einen Sinn hatte zu leben, wenn das eigene Leben doch so furchtbar schmerzhaft war.
Was sollte mir das zeigen?
Das ich für immer alleine war?
Das ich von Grund auf ein schlechter Mensch war?
Draußen regnete es.
Ich starrte auf die weiße und leere Zimmerdecke.
In der einen Hand, fühlte ich immer noch den spitzen Gegenstand, welcher mir die Schmerzen, in der anderen Hand zugefügt hatte.
Nun senkte ich den Blick, und starrte die Wunde in meiner Hand an.
Es blutete sehr stark, doch ob es schmerzte wusste ich nicht.
Die Spiegelscherbe, spiegelte nur noch mein Blut.
Der Rest des Spiegels, lag zersplittert auf dem Boden unter mir, und mein Rücken lehnte an der Wand, wo nur noch einzelne Scherben mein Fleisch zerschnitten.
Jetzt konnte er mich nicht mehr verpönen.
Vorher, zeigte er mir das, was ich am meisten hasste.
Mich selbst.
Schmutzig.
Kaputt.
Nichts Wert.
Ich rappelte mich auf, und lief die Treppe hinunter.
Ob es auch anderen Menschen so ging wie mir?
Waren sie auch so verletzt und kaputt?
Oder war ich die einzige?
Ich sah noch, wie mein Blut von mir gespült wurde, und auf der Straße in den Gully verschwand.
Später fragte mich eine Frau, was ich dort im Regen mache.
Ich redete nicht mit ihr, und antwortete ihr nicht.
Mein Vater war immer noch nicht da. Also brachte sie mich ins Krankenhaus.
Das bekam ich aber schon nicht mehr mit, da ich zu viel Blut verloren hatte, und bewusstlos geworden bin.
Es wurde nach meinen Eltern gefragt.
Ich sagte, dass ich keine hätte, weil es für mich auch so war.
Die Polizei fand schließlich meinen Vater zu Hause, und sprach mit ihm.
Dieser sagte, das sie mit mir machen sollten, was sie für richtig hielten.
Sie steckten mich in eine Psychiatrie.


Flashback Ende



Strahlend!
Das war das Wort, welches ihn beschrieb.
Sein Inneres, strahlte nach Außen, und spiegelte auch sein Aussehen wieder.
Langsam wende ich meine Augen wieder von ihm ab.
Stattdessen schaue ich auf die immer höher steigende Sonne.
Ich will nicht zurück, aber ich muss.
Es fällt mir schwer das jetzt zu tun, da ich Angst habe ihn nie wieder zu sehen.
Doch gleichzeitig sage ich mir, das er mir nichts bedeutet.
Ich kenne ihn nicht.

„Ich gehe jetzt, Jared."
Erschrocken hebt er den Blick von seinen Händen.
„Soll ich dich fahren?" fragt er nach.
Ich muss aus irgendeinem Grund versuchen die Tränen zu unterdrücken, die aufkommen.
Er bedeutet mir nichts!
Ich schüttel nur den Kopf, und sehe, wie traurig er wird.
Du hast es schon wieder getan!
Bevor ich ihn weiter verletze, drehe ich mich um und gehe.
Ich spüre wieder den Schmerz, den es verursacht, wenn ich den Blickkontakt abbreche.
Aber da ist noch was anderes.
Doch mal wieder fehlen mir die Worte, es zu beschreiben.
Ich merke Schritt für Schritt, wie ich beginne weniger wahrzunehmen.
Das ist gut.
Abgesehen davon, das ich nicht mehr ihn fühlen werde.
Aber dort wo ich nun hingehe, will ich nichts fühlen!
Auf Wiedersehen, Jared!
Das denke ich noch, und versuche ihn mir genau in mein Gedächtnis einzuprägen, weil ich ihn nicht vergessen will.


Fühle nichts, was deiner Seele schaden könnte!

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