Kims Sicht:
Ich laufe, und laufe, und laufe, während ich versuche, meine Umwelt auszublenden. Ich kann nicht länger bei ihm sein! Ich kenne ihn nicht, und es wäre besser für uns beide, wenn wir uns nicht näher kennen lernen würden.
Nun muss ich das tun, was ich verzweifelt versucht habe, so lange hinauszuzögern. Aber es ist unausweichlich.
Ich muss in mein neues Zuhause.
Ein Heim, welches mir so fremd ist, obwohl ich es gut kenne.
Doch vielleicht ist es grade das, was es so unerträglich für mich macht, diesen Ort zu betreten.
Die Erinnerungen, die hochkommen, wenn ich es sehe, rieche, alleine wenn ich daran denke.
Doch sie kann nichts dafür. Meine Großmutter kann nichts dafür. Ich muss versuchen ihr eine Chance zu geben. Ich muss versuchen, um ihrer Willen, nicht um meiner, meine Gefühle zu unterdrücken, um sie zu verbergen.
Aber das dürfte nicht schwer sein. Denn seit Jared nicht mehr bei mir ist, geht es wie automatisch. Meine Umwelt verschwimmt. Wichtig ist bloß das, was sich direkt vor meiner Nase befindet, um nicht dagegen zu laufen. Alles andere war Luxus, den Jared durch seine Anwesenheit hervorrief. Wie auch immer er das getan hat. Ich glaube, ich möchte es gar nicht wissen. Manchmal ist es besser, bestimmte Dinge nicht zu wissen. Natürlich ist es anstrengend, eine Reizüberflutung, die mich verzweifeln lassen kann. Aber es ist trotzdem schön, ab und zu auch zu fühlen, was sich hinter den Dingen versteckt, was sie überhaupt erst aus macht, was sie etwas besonderes werden lassen.
Ich habe mich vielleicht ein klein wenig übernommen mit der Strecke. Ich muss vom Second Beach erst einmal über den First Beach, und dann ein Stückchen die Straßen entlang, zu einer Häuserreihe, nicht weit weg vom Wald. Zum Glück gibt es auch in La Push Straßenschilder, denn sonst würde ich das Haus nie finden. Ich war schon Jahre nicht mehr dort.
Das ich mich übernehme, merke ich daran, das ich langsam beginne zu schwitzen. Ich möchte mir meinen Pullover über den Kopf ziehen, doch ich merke, das ich noch Jareds Lederjacke anhabe.
Verdammt! Jetzt muss ich ihn wiedersehen, um ihm seine Jacke zu geben.
Aber eigentlich möchte ich ihn wiedersehen. Oder? Ich möchte fühlen, ihn sehen, mich wohl fühlen. Doch wie kann ich das, wenn ich ihn nicht kenne, und ich ihm durch meine bloße Anwesenheit nicht verletzen will!?
Flashback
„Und warum standen sie im Regen?"
Ich konnte diese dummen Fragen nicht mehr ertragen! Merkte er es denn nicht? Ich brauchte keine Hilfe! Ich war falsch hier! Ich sollte, und wollte nicht in diesem bescheuerten Sessel sitzen, und mir von einem Menschen, der selbst keine Ahnung davon hatte, was ich durchmachte, vorschwafeln lassen, was mit mir los war, indem er mir sinnlose Fragen stellte.
Aber wäre ja auch mal was neues, wenn sich jemand für das interessieren würde, was mich tatsächlich bewegte!
Meine Erwartungen an diesen Mann mittleren alters im Sessel gegenüber von mir waren schon vor der Sitzung gering, eigentlich so gering, das ich dachte die Erwartungen könnten nicht noch tiefer sinken.
Aber das konnten sie!
Selbst die Hoffnung, das er mir eine ernst gemeinte, oder zumindest ernst klingende Frage stellte, war dahin.
„Und?" wollte er wohl wissen. Ich wusste, das ich meine Chance, nicht in die Klapse zu kommen, nicht verspielen durfte, aber das war doch wirklich bescheuert!
„Kennen sie nicht den Song von Travis ‚Why does it always rain on me*'?" fragte ich spöttischer als gewollt.
Er runzelte die Stirn.
„Nein. Sollte ich?"
„Naja, der Song war vielleicht Inspiration dazu..." Natürlich war das gelogen, aber ich brauchte keine Diagnose, um herauszufinden, was mit mir los war.
„Und nur wegen dieses Songs, st.."
„Nein! Natürlich nicht!" schrie ich ihn an, und sprang dabei auf. Wie sollte er mir helfen?
„Bitte beruhigen sie sich." versuchte er mich zu besänftigen.
„Beruhigen? Beruhigen!" schrie ich weiter.
„Wie soll ich mich beruhigen, wenn sie mich zum Narren halten!"
Er schwieg, und wirkt nervös.
Ich setzte mich wieder auf meine Sessel, und fragte ganz normal:
„Wann ist die Sitzung um?" Als ich zu sprechen begann, zuckte er leicht zusammen.
„Jetzt." sagte er schnell.
Ich lief nach Hause. Ob mein Vater da sein würde?
Ihn hatte die ganze Sache nur genervt. Er fragte mich, wie man so blöd sein kann, auf einen Spiegel einzuschlagen, und sich dann auf die Straße zu stellen. Seitdem war er alles andere als gut auf mich zu sprechen!
Flashback Ende
Es kommt mir entgegen.
Das Haus meiner Großmutter. Ich habe sie überhaupt nicht gegrüßt, als ich mit dem Taxi angekommen bin. Ich bin direkt ausgestiegen, und mit dem Bus zum Pier gefahren, um den grauenvollen Erinnerungen noch länger aus dem Weg zu gehen.
Aber jetzt ist es so weit.
„Oh Kim!" kommt sie schon auf mich zu.
Maske auf, das heißt lächeln.
„Hallo Oma." begrüße ich sie kurz.
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!" tadelte sie sofort.
„Tut mir leid! Ich wollte mich nur schnell umgucken. Hat dann etwas länger mit dem Bus gedauert. Die fahren ja nicht regelmäßig." Wow so viel auf einmal habe ich lange nicht mehr gesagt!
„Schon okay. Sag das nächste mal Bescheid. Wie siehst du überhaupt aus?"
Ich gucke an mir herunter. Schmutzig.
„Du kennst mich doch!" scherzte ich.
„Na dann geh erst mal rein, geh unter die Dusche, und dann kannst du ja noch ein bisschen schlafen."
Ich nicke, während sie schon zum Haus geht. Meine ganzen Sachen müssen schon in meinem Zimmer in Kisten sein.
Ich atme tief ein und wieder aus, bevor ich beginne, langsam auf die Haustür zu zutreten.
Ich steige die alten Holzstufen die Veranda empor, und mache vor der Tür halt. Ich muss mich jetzt selbst schützen, um nicht zu brechen.
Also wieder den Blick auf das vor meiner Nase reduzieren, es nicht bewerten, und die Maske aufbehalten.
Der erste Schritt ins Haus.
Die Gefühle offenbaren sich um so weniger, je tiefer sie sind.************************************************************
Vielen Dank, für alle Views, Sterne und Kommentare! Es freut und motiviert mich riesig!
DU LIEST GERADE
Forever
FanfictionManche Dinge findest du erst, wenn du nach ihnen suchst, da sie vorher für dein Auge unsichtbar sind. Wenn dir etwas oder jemand begegnet, nach dem du nicht gesucht hast, dann ist es Schicksal. Es gibt keine Zufälle, da alles aus einem wichtigen Gru...