Kapitel 19 || Lavendelblüten

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Am nächsten Morgen wurde ich von einem überraschend enthusiastischen Ruf seitens Manu geweckt. "Aufstehen, wir haben viel vor!", verkündete er. Ich rieb mir die Augen und begann wie selbstverständlich, ihm zu helfen, unsere Sachen zusammen zu räumen. Mit der Zeit hatte ich mich doch recht gut an Manus Leben gewöhnt, auch wenn man noch lange nicht behaupten konnte, dass ich irgendetwas gut konnte.

Ich wollte mich schon auf den Weg nach draußen machen, doch Manuel hielt mich zurück. "Ich will mir nochmal deinen Fuß angucken.", verlangte er und ich setzte mich auf den Boden um Schuh und Socke aus zu ziehen. Ich fand es immer noch verwunderlich wie schnell die Schwellung und der Bluterguss zurückgegangen waren, auch das Auftreten tat kaum mehr weh. Er hatte sich vor mich gekniet und drückte vorsichtig an die Stelle, wo noch eine leichte Lila Färbung auf der Haut zu sehen war. Als er fertig war stand er abrupt auf erklärte: "Das ist absolut nicht mehr geschwollen und in ein paar Tagen sieht man bestimmt nichts mehr. Für die heutigen Zwecke wird der Fuß die Belastung auf jeden Fall aushalten."

"Was haben wir vor?", wollte ich wissen und zog mich wieder an. "Wirst du sehen", erwiderte er trocken und verschwand mit dem Rucksack auf den Schultern zur Tür hinaus. Es wunderte mich ein Wenig, dass nicht ich den Rucksack tragen musste, da er auf Grund der Verletzung diese Aufgabe in den letzten Tagen übernommen hatte. Nichts desto trotz folgte ich ihm hinaus in den Wald.

Mittlerweile waren wir wohl fast auf den anderen Seite, denn die Bäume standen lange nicht mehr so dicht wie vor einigen Tagen noch und es war angenehm hell. Wir liefen nur wenige Stunden und gegen Mittag machten wir Halt.

Mitten im Wald befand sich eine Klippe unter deren Steinvorsprüngen man gut Schutz finden konnte, umgeben war der Platz von großen, ungewöhnlich dicken Bäumen. Außerdem lag ein interessanter Geruch in der Luft, neugierig schnupperte ich und versuchte heraus zu finden woher er stammte. Als Manu das mittbekam drehte er sich lachend zu mir herum. "Du klingst wie ein Schweinchen.", stellte er fest und beschämt schaute ich zu Boden.

"Ich zeig dir was, komm mit.", forderte er mich auf lief an der Felswand entlang. Ich folgte ihm gespannt. An einer Stelle wo der Abhang etwas flacher wurde und die Wand nicht mehr so hoch auf ragte blieb Manu stehen. "Hier kommen wir hoch.", stellte er fest und ließ mir den Vortritt.

"Ich kann doch gar nicht klettern.", wollte ich mich verteidigen doch Manu zuckte die Schultern: "Irgendwie musst du es ja lernen. Ich bin hinter dir falls etwas passiert."

Was blieb mir schon übrig? Wenn Manu mich zu etwas aufforderte hatte es meist keinen Sinn sich zu weigern und so stellte ich meinen Fuß in eine Lücke in den zerklüfteten Felsen. Tatsächlich fiel das Klettern leichter als ich erwartete hätte, doch ich war langsam und der genervte Manuel stichelte hinter mir, ich solle mich beeilen. Als ich mich endlich über den Rand der Klippe gezogen hatte und zu ihm zurück schaute staunte ich über die Leichtigkeit und Eleganz mit der er sich von Vorsprung zu Vorsprung hangelte. Nur Sekunden später stand er neben mir.

Erst jetzt musterte ich die Umgebung und mir blieb einen Moment die Luft weg. Auch hier oben standen Baumriesen mit ausladenden, grün leuchtenden Kronen. Sie bildeten ein Blätterdach durch das die Sonnenstrahlen auf den Boden fielen. Dieser war übersäht mit zahllosen Lavendel Sträuchern, deren violette Blüten sich im seichten Wind wiegten. Nun wusste ich was ich zuvor gerochen hatte, es war der Lavendelduft gewesen.

"Es ist wundschön hier.", hauchte ich ehrfürchtig. Als er sprach, konnte ich das Grinsen aus Manus Stimme raushören. "Sie blühen das ganze Jahr über, deshalb heißt es auch Lavendel Wald."

Ganz plötzlich zerstörte er den Moment und lief weiter. "Los komm, ich bin nicht nur zum Spaß hier hoch geklettert." Er führte mich zu einem Platz an dem nicht mehr ganz so viel Lavendel wuchs und nahm dann seinen Bogen vom Rücken. Besser gesagt nahm er seinen und einen Zweiten, etwas kleineren Bogen, diesen drückte er mir in die Hand.

"Er ist von einem Skelett, ich habe ihn ein bisschen aufgearbeitet. Für das erste Training sollte er ganz gut sein.", erklärte er und streckte mir ebenfalls eine Tasche mit einigen Pfeilen entgegen.

"Oh, okay." Ich war erstaunt, welche Mühe er sich für mich gemacht hatte. "Weißt du, ich habe beschlossen, du brauchst ein bisschen Training, bevor das mit den Jagen klappen kann.", erzählte er gut gelaunt. "Schieß einen Pfeil, dort auf den Baumstamm.", befahl er dann. 

Ich nickte etwas verunsichert und hob den Bogen, doch sofort kritisierte er mich: "Du stehst nicht frontal zu deinem Ziel." Er stellte sich vor mich und zeigte auf seine Füße. "Die Fußspitzen stehen in einer Linie auf dein Ziel gerichtet und wenn du den Bogen hoch nimmst, achte darauf dich nicht zur Seite zu lehnen. Gerade stehen."

Ich war etwas überfordert, doch versuchte ihm so gut es ging zu folgen. Er schien nun einigermaßen zufrieden, denn er sagte nichts weiter. Ich zog den Bogen aus, meine Hand zitterte ein wenig und als ich schließlich los ließ verfehlte der Pfeil sein Ziel um einige Meter.

"Gut", begann Manuel seinen Vortrag, "Wenn du den Bogen ausgezogen hast, brauchst du einen Punkt an dem du die Hand platzierst, damit du nichts so rum wackelst. Die Sehne liegt dann an Kinn und Nasenspitze. Außerdem musst du darauf achten, dass du die Finger nach hinten von der Sehne löst, sonst verreißt du den Pfeil ganz einfach. Damit du das hinkriegst musste die Kraft mehr aus der Schulter kommen."

Er steckte den  Arm aus und berührte einen Punkt auf meinem Rücken. "Hier musst du im Prinzip hin ziehen." Ich nickte und versuchte mir alles zu merken. Manu holte seinen Bogen hervor und ging alles was er gesagt hatte noch einmal durch, dabei zeigte er mir was er meinte und langsam hatte ich das Gefühl das Prinzip zu verstehen. Zielsicher traf Manus Pfeil letztendlich ein Astloch im Baumstamm.

"So, jetzt du.", forderte er mich auf. Immer noch etwas unsicher hob ich den Bogen erneut und zog ihn aus, ich versuchte mich darauf zu konzentrieren die Hand so weit danach hinten zu ziehen, dass ich mit der Sehne an die Nase stieß doch bevor das passieren konnte waren meine Finger schon von der Sehne gerutscht. "Nochmal.", war Manuels Anweisung und ich nahm den nächsten Pfeil.

Als ich den Bogen gehoben hatte korrigierte Manu: "Gerade stehen." Mit der rechten Hand drückte er leicht meine Hüfte nach rechts und meine Schulter weiter nach links. "So bleiben und jetzt ziehst du die Hand bis unter das Kinn."

Er legte leicht die Hand an meinen Ellenbogen und schob ihn passen zu meiner Bewegung weiter nach hinten. "Sehr gut und jetzt noch weiter in die Schulter rein ziehen." Ich versuchte mich ganz auf das zu konzentrieren was er mir erklärt hatte und tatsächlich als ich die Hand schließlich vom Bogen löste sauste der Pfeil davon und blieb im Baumstamm stecken.

"Das war zwar nicht so schlecht, aber du hast eine Menge zu über. Nächster Pfeil.", ordnete Manu an, aber ich meinte so etwas wie einen kurzen Schimmer von Stolz in seinem Gesicht sehen zu können.

Geschrieben von:
IzyMoonlight

Avec Toi ° KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt