Kapitel 34 || Feuer

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Wir schlenderten durch die Straßen von Frost, ich zeigte ihm die wichtigsten Geschäfte und Ecken und genoss die Zeit so sehr, dass ich nach gefühlten Sekunden feststellte, dass es bereits am späten Nachmittag war.

"Wir sollten uns beeilen, es ist schon spät.", meinte ich und löste hastig unsere Hände voneinander. "Ich habe vorhin einen schönen Mantel gesehen, den ich eventuell kaufen würde. In der Nähe von der Taverne, ich hab leider den Namen vergessen." "Das wird wohl Irmas Laden gewesen sein. Ich bring dich -" "Nein, Manu, geh nur. Ich bin mir sicher, dass ich den Weg finde. Außerdem musst du in die entgegengesetzte Richtung." Ich betrachtete ihn unschlüssig. "Wenn du meinst... Aber wehe dir passiert irgendetwas." "Ich kann auf mich aufpassen, ich bin kein Kind mehr." "Als ich dich aufgenommen habe, warst du auch keins mehr." "Mach dir nicht so viele Sorgen." Er trat wieder einen Schritt näher zu mir und strich mir mit der Hand über die Wange. "Bitte." Dann vereinte er unsere Lippen ein zweites Mal an diesem Tag. Mit einem sanften Lächeln erwiderte ich den Kuss, als er sich von mir löste, nickte ich schließlich. "Wir treffen uns bei Mathilda. Und erzähle bloß keinem, dass du aus Nya bist." Er nickte. Dann drehte ich mich um, und überquerte die Straße. Auf der anderen Seite angekommen, blickte ich noch einmal zurück. Er stand immer noch im flackernden Schein der Straßenlaterne, lächelte und winkte mir zu. Dann drehte er sich um und stiefelte davon. 

Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen. Gelegentlich schnaubte ein Pferd, welches eine Kutsche vorbei zog oder mir kamen ein paar Menschen entgegen, doch wirklich wahrnehmen tat ich nichts davon. Ob ich wollte oder nicht, Patrick ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Das Lächeln eben, irgendetwas daran störte mich, störte mich auf die selbe Art, wie das Ewas, dass in seinem Blick gelegen hatte, als er mich gefragt hatte, ob ich ihn durch die Stadt führen würde. Er meinte, er würde zu Irma gehen. War es Zufall, dass er an das andere Ende der Stadt wollte? 

Gedankenverloren betrat ich die kleine Hütte des Waffenhändlers. Im unteren Geschoss befand sich sein Laden, darüber wohnte er mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Er war einer der wichtigeren Leute in Frost, viele bewunderten ihn, manche waren sogar eifersüchtig. Er führte ein vorbildliches Leben, Eines, das ich selbst nie wollte. Trotzdem hatte ich nichts gegen ihn. 

"Manuel!" Er begrüßte mich mit seinem strahlenden Lächeln. "Hallo, Norvig. Ich bin hier für einen neuen Bogen, aber ich habe weder viel Zeit, noch Geld." "Zeig her was du hast, dann können wir gucken, was sich machen lässt.", meinte er und trat neben mich. Normalerweise schaffte er es mit seiner offenen Art und der tiefen Stimme immer mich zu beruhigen, wenn nicht sogar ein Gefühl von Zuhause zu vermitteln, doch gerade war ich so gestresst, wie schon lange nicht mehr. 

Ich legte die Münzen von Patrick auf den Tresen und beobachtete, wie sich seine Augen weiteten. "Nicht viel Geld? Manuel, dass sind eintausenddreihundert Dirua, zwar kannst du dir davon kein Totem kaufen, aber für meinen besten Bogen reicht es allemal." "Tausenddreihundert?", hakte ich erstaunt nach und betrachtete die dreizehn Münzen. "Tausenddreihundert.", bestätigte er meine Aussage erneut, "Das sind alte Münzen, sogar in Evon waren sie schon verdammt viel Wert. " Ich runzelte die Strin. Patrick konnte nicht wissen, was er mir da gegeben hatte, oder? "Dann gib mir deinen besten Bogen.", verlangte ich. Ich hatte gehofft, dass eine von ihnen den Wert von zwanzig Dirua hatte, doch eintausenddreihundert? Niemals wäre mir das in den Sinn gekommen. "Warte kurz hier." Norvig lief zu der Vitrine, die gut sichtbar vor dem Fenster stand. Die Waffen dort drin wurden so gut wie nie verkauft, sie dienten hauptsächlich zu seiner Selbstdarstellung. "Weil du mein Freund bist, gebe ich dir das Prachtstück hier für achthundert." Er kam zu mir zurück und hielt mir einen Bogen aus Eibenholz hin. Andächtig nahm ich ihn in die Hände, strich darüber und lächelte. "Danke." Ich packte die restlichen fünf Münzen zusammen und wollte aus dem Geschäft gehen. "Willst du mir deinen Alten denn nicht zurück geben?" "Nein, ich habe bereits jemanden gefunden." "Wen denn?" "Meinen Begleiter." Der Mann brach in schallendes Gelächter aus. "Du und eine Begleitung? Niemals." "Doch, ich habe jemanden gefunden." "Dürfte ich die wunderliche Person, die es mit dir aushält, denn kennenlernen?" "Er ist gerade nicht hier. Und jetzt entschuldige mich bitte.", antwortete ich schnippsch und stürmte aus dem Geschäft. 

Norvigs Bemerkung hatte mich stutzig werden lassen. Wenn ich wirklich so anstrengend war, wie mir alle immer nachsagten, wie hielt Patrick es dann mit mir aus? Wollte er es überhaupt mit aushalten? Plötzlich fielen mir die Gespräche am Vormittag wieder ein, erst jetzt bemerkte ich, dass er mich die meiste Zeit über die Portalstation und Yorid ausgefragt hatte. Die Taverne war gegenüber davon, wahrscheinlich hatte er sich nicht einmal für den Mantel interessiert. Die Unterhaltung, sein seltsames Verhalten, plötzlich ergab alles Sinn. Zwar wollte ich hoffen, dass das alles nur ein Hirngespinst war, aber in diesem Moment schien es zu logisch. Er konnte doch nicht zurück nach Nya, erst recht nicht jetzt und ohne irgendetwas zu sagen.

Als wäre sie gerufen worden, kam eine Kutsche kam vorbei. Kurzerhand schwang ich mich auf den Kutschbock, riss dem verdutzen Mann die Zügel aus der Hand und trieb die Pferde an. "Wir machen einen kurzen Ausflug zur Taverne.", informierte ich ihn. Auf den Widerwillen in seinem Ausdruck hin, setzte ich mein abstoßendes Grinsen auf. "Dann passiert dir und deiner Familie auch nichts." Er biss die Lippen zusammen und nickte zaghaft. "Gut." Ich lachte, obwohl mein Inneres sich zusammenkrampfte und mein Herz pochte, als wäre es am durchdrehen. 

Der Weg dauerte nicht lange, doch für mich zog er sich Ewigkeiten in die Länge. Ich riss an den Zügeln und die Pferde kamen zum Stehen. Unter anderen Umständen hätte ich mich spielerisch bei dem Kutscher bedankt, doch jetzt blieb mir nicht die Zeit. Ich sprang ab und rannte in das Bürgeramt, in dem sich die Portalzentrale befand. Die Schlange war nur noch kurz, immerhin war es schon spät und die Einrichtung machte bald zu, doch ich drängelte mich an den empörten Leuten vorbei. 

Ich war fast an meinem Ziel angekommen, als sich ein Mitarbeiter des Sicherheitspersonals mir in die Wege stellte. "Bursche, du kommst hier nicht weiter.", meinte er und sah mich triumphierend an. Ein Blick über die Schulter genügte, um zu sehen, dass sie mich einengten. Kurzerhand riss ich eine Fackel aus dem Halter an der Wand und schwenkte sie ihm entgegen. "Wenn ich nicht vorbeikomme, dann kommst du nicht nach Hause." Der Mann stolperte zurück, starr vor Angst. Mit einem selbstgefälligen Grinsen hastete ich weiter, der Ausschilderung folgend, bis mir drei geschlossene Türen den Weg versperrten. Ich rüttelte an dem ersten Knauf, es war abgeschlossen. Auch die Zweite ließ mich nicht ein, doch bei der Letzten hatte ich Glück.

Die Tür knallte gegen die Wand. In dem sterilen Raum war neben Patrick, der gegenüber von ihr stand, eine Frau, sie hatte sich über einen weißen Tisch gebeugt, in der Hand eine Feder und vor ihr ein Stapel Papiere. Hinter ihnen befand sich ein Portal. Der blaue Rauch war in einem weißen Marmorrahmen eingebettet, der viel zu edel für Varia schien. Ich wusste nicht, ob ich wütend oder erleichtert sein sollte. "Wie kannst du es nur wagen?" Ich gestikulierte wild, die Fackel in meiner Hande hatte ich in meinem Zorn vergessen. Die Frau kreischte erschrocken auf, Patrick starrte mich an, während ich ihm immer näher kam. Schnell drückte ich der Beamten, die immer noch wie paralysiert an die Wand starrte, die Fackel in die Hand. Ich hätte merken müssen, dass etwas nicht stimmte, spätestens als sich dder beißende Geruch von Feuer in dem Raum breitmachte. Doch ich lief nur wieter auf Patrick zu. "Warum? Warum wolltest du mir das antun?", schrie ich und rüttelte an seinen Schultern. Er stand immer noch wie eine Salzsäule da. Dann legte ich meine Lippen auf seine, nur um ihn wieder wegzustoßen.

Avec Toi ° KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt