sechster akt.

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Die Verhandlungen beginnen und Hendery beweist aufs Neue, was für ein genialer Redner er doch ist. Entschieden stellt er sich gegen Gewalt auf, gegen Ausbeutung, gegen all die widerlichen Hässlichkeiten des Lebens. Sein langer schwarzer Mantel weht über die marmornen Fliesen zu seinen Füßen, während er hin und her schreitet, redet, überzeugt. Die Krone mit den hellroten Diamanten bedeckt seine Haare, schirmt jegliche negativen Gedanken von ihm ab.

Dann kippt mit einem Mal die Stimmung. Der Gesandte aus Österreich verliert die Fassung. Sein Gesicht verzieht sich zu einer grässlichen Grimasse, er will kämpfen, er will Blut. Henderys Blut und das der ganzen Welt. Er wirft den prunkvollen Stuhl um, den Hendery ihm eben noch geboten hat, rennt zu dem riesigen Kamin über dem das zwei Meter große Portrait von Hendery hängt. Es sieht stumm lächelnd auf den Abgesandten nieder, während Hendery selbst sich nicht mehr rühren kann. Wie versteinert muss er mit ansehen, wie der Österreicher nach dem Kaminschieber greift, ihn in Henderys erkühltes Herz spießen will.

Er hat sich schon mit dem Schmerz abgefunden, als jemand dazwischen springt. Dein dunkelgrünes Samtkleid fegt über den Boden. Deine Haare tanzen um dein Gesicht, schimmern im Licht der wilden Glut.

Du stoppst die Gewalt mit deinem Lächeln. Hendery fällt auf die Knie.

°•○●

Auf dem Handout steht ein Name, den du nicht kennst.

„Seit wann heißt du Wong Kunhang?", fragst du Hendery, als du am Montagmorgen kurz vor der Prüfung so tust, als würdest du das Handout, das er für euch erstellt hat, kritisch überprüfen.

„Seit meiner Geburt." Er grinst, als du die Augenbrauen hochziehst.

„Ist Hendery dein Streetname?"

Er lacht auf. „So ähnlich."

Du versuchst mitzulachen, deine Angst vor der Prüfung wegzulachen, aber es klappt nicht. Du bist einfach zu nervös. Scheiße nervös.

„Hey", sagt Hendery leise. Legt eine warme Hand in deine Wange, streicht zart mit dem Daumen darüber. Du fragst dich, wie eine eigentlich so simple Geste so eine enorme Auswirkung auf jede einzelne Zelle deines Körpers haben kann. Darf. Haben darf.

„Atme", flüstert Hendery, sein Blick ist so weich und ehrlich, dass du ihm nicht standhalten kannst. Er missinterpretiert es. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht kann er ja ganz genau sehen, welche Auswirkung er auf dich hat und dich deswegen so ungehemmt an sich ziehen. An seine Brust drücken, an sein Herz. Vielleicht kann er deswegen so angstfrei seine andere Hand in deine Taille krallen, während die in deinem Nacken zärtlich über deinen Hinterkopf zu streichen beginnt.

Vielleicht macht dich die Angst vor der Prüfung zusammen mit Henderys Geruch so benebelt, dass deine Arme sich von ganz allein um ihn schließen.

Hendery spürt, wie deine Hände seinen Rücken auf und ab fahren und er weiß, dass du es unbewusst tust. Genauso wie seine Körper sich unbewusst immer näher an deinen drückt. Er will dich nie wieder loslassen, er kann es nicht. Er will dich rauchen, er will dich trinken, er will in dir versinken, wie in zartrosa Wolken im Sonnenuntergang. Es ist überwältigender als jeder Trip. Du machst ihn süchtiger als jede Droge.

„Tief durchatmen", wispern Henderys rote Lippen dicht an deinem Ohr. Du bist dir nicht sicher, wen von euch beiden er nun damit meint.

°•○●

Ein Bad aus Milch. Du liegst in einem Bad aus weißer Mandelmilch, auf der tiefpinke Rosenblüten tanzen, und hast die Augen geschlossen. Deine Haare sind lose nach oben gebunden, einzelne Strähnen schwimmen im hellen Nass. Die Fliesen des Bads sind cremefarben und rosa, Dampf verklärt die Sicht. Rauch verklärt die Sinne.

Hendery sitzt am Rand des gefliesten Beckens und kann nur den kleinen Finger eintauchen. Er trägt ein weites hellgrünes Hemd und eine Pumphose aus Leinen.

Die Krone mit den blutroten Diamanten liegt neben ihm auf dem Boden.

Es ist eine winzige Ruheoase in dem kalten Sturm.


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his heroine. wkhWo Geschichten leben. Entdecke jetzt