siebter akt.

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Das Referat läuft weniger schlecht, als gedacht. Sicher, deine Stimme zittert. Und sicher, es wird nicht viel besser, als Henderys warme Hand - versteckt hinter dem Pult - nach deiner greift. Aber ihr bringt es auf den Platz.

Du lässt Henderys Hand los, als ihr euch für die Besprechung der Professoren kurz aus dem Raum entfernt, greifst aber sofort wieder danach, als ihr zurückgerufen werdet. Als ihr erfahrt, dass ihr bestanden habt, bist du sogar so erleichtert, dass du Hendery noch vor den Professoren um den Hals fällst. Womit du ihn so unerwartet triffst, dass er das Gleichgewicht verliert und mit dir im Arm nach hinten wegkippt. Für ein paar Sekunden liegst du auf ihm, Körper auf Körper, hemmungslos lachend. In den Sekunden löst sich etwas in dir.

Es ist okay. Es ist okay Hendery zu mögen.

Vielleicht liegt es an der Art, wie du ihn anlächelst. Daran, wie du ihm die Hand hinhältst, um ihm mit hochrotem Kopf vor den amüsierten Prüfern wieder auf die Beine zu helfen. Vielleicht erkennt Hendery es daran. Dass es okay ist.

„Was ist Hendery eigentlich für ein Name?", fragst du ihn, als ihr das Gebäude endlich hinter euch gelassen habt und über den Campus spaziert.

„Was meinst du?"

„Hen-de-ry. Warum nicht Henry?"

Er zuckt mir den Schultern. „Jetzt wo du's ansprichst... ich weiß es nicht mehr."

Bevor du weiter darauf eingehen kannst, entdeckst du etwas anders, was deine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Ein unartikuliertes Quiecken entgleitet dir, als du begeistert auf den Baum vor euch am Wegesrand zeigst. „Schau mal, der blüht schon! Wie schön!"

Amüsiert betrachtet Hendery, wie du auf einen pink blühenden Baum zu rennst, darunter stehen bleibst, dich nach den Blüten reckst und doch keine erreichst.

„Was ist das für ein Baum?", ruft er dir zu. Steckt die Hände in die Hosentaschen und folgt dir.

„Eine Magnolie", erklärst du und versuchst vergeblich einen der Äste zu dir herunter zu ziehen, um an den Blüten zu riechen. „Ein Tulpenbaum. Schön, oder?" Du erreichst den Ast nicht, egal, wie sehr du deine Hand danach austreckst. Es ist bescheuert.

Dann wird es kitschig:

Hendery stellt sich hinter dicht dich, greift über deinen Kopf hinweg nach dem Ast. Nach der Blüte. Sein Körper berührt deinen komplett, dir wird heiß.

„Ja", sagt Hendery leise und sein Atem streift durch deine Haare. „Wunderschön." Statt den Ast zu dir herunterzuziehen, pflückt er eine der pinken Blumen. Dann hält er dir die Blüte hin – eigentlich um dich herum, denn er bewegt sich kein Stück vom Fleck. Deine Wangen brennen.

„Ich wollte eigentlich nur daran riechen", murmelst du, greifst aber trotzdem nach der Blume. Streifst seine Hände, absichtlich.

„Sorry." Ohne eure Nähe großartig zu unterbechen, dreht er dich vorsichtig an deinen Schultern zu sich herum. Hendery sieht, wie rot deine Wangen sind. Er hat noch nie so schöne Wangen gesehen. Er bebt vor Entzücken.

„Ich dachte, du willst..." Hendery beendet den Satz nicht. Sondern nimmt dir die Blüte wieder aus der Hand. Will sie in dein feines Haar weben, hinter dein Ohr klemmen, dich damit krönen – aber er schafft es nicht. Die Blume will nicht halten. Und dass dein Blick mit einem Mal so intensiv auf seinen roten Lippen liegt, trägt auch nicht zu seiner Konzentration bei. Zu seiner Selbstbeherrschung.

Ach was.

Zum Teufel – welche Selbstbeherrschung?

Hendery lässt die Arme wieder sinken. Die Magnolienblüte fällt lautlos zu Boden. Du bist erstaunt über dich selbst, als sich deine Hände heben um wie in Trance sein Gesicht zu berühren.

Sanfte Fingerspitzen streifen über weiche Haut, zart. Hendery ist high. Er schließt die Augen unter deiner federleichten Berührung. Und du verstehst mit einem Mal, dass du dich geirrt hast. Dass du doch nicht die einzige bist, die nervös ist. Deine Berührungen eine ebenso große Wirkung auf ihn haben, wie seine auf dich.

Hendery seufzt leise, als du sanft über seine Augenbrauen streichst. Vielleicht hast du dich ja noch weiter geirrt. Vielleicht übst du sogar eine noch größere Kraft auf ihn aus.

Vielleicht ...solltest du das testen.

Aber gerade, als du dich auf die Zehenspitzen stellst, um deine Fingerspitzen durch deinen Mund zu ersetzen, öffnet Hendery die Augen. Seine Hand schließt sich um deine, hält sie fest. Bringt sie langsam an seine Lippen, drückt sie dagegen. Seine Augen schließen sich wieder. Er atmet tief durch die Nase ein. Und aus. Spielt mit deinen Fingern. Zählt sie durch, nur um sich schließlich für einen zu entscheiden. Henderys warme Lippen legen sich um deinen Ringfinger. Du keuchst auf. Hitze schießt durch deinen Körper. Hitze sammelt sich in deiner Mitte, als du Henderys samtige Zunge spürst. Vor Schock entziehst du ihm die Hand.

Hendery öffnet die Augen. Seine Pupillen sind riesig, sein Blick verklärt. Er ist im Rausch. Du stehst noch immer dicht vor ihm, eure Oberkörper berühren sich fast, deine Augen glänzen. Er hat noch nie etwas Schöneres gesehen. Er hat noch nie etwas wunderbareres geschmeckt.

Jetzt bleibt sein Blick an deinen Lippen hängen, kleben. Du nickst ihm zu, kommst ihm entgegen.

Du hast gedacht, Hendery würde dich zart küssen. Weich küssen, wie die Blütenblätter und wie sein Blick. Wie seine Berührungen. Aber Henderys Kuss ist nichts dergleichen. Er presst seinen Mund mit einer Intensität auf deinen, die dir die Luft abschnürt. Seine Lippen bewegen sich langsam gegen deine, aber nicht weich. Seine Hand legt sich um deinen Kiefer, bestimmt, aber nicht schmerzhaft, drückt ihn hinunter, drückt deine Lippen auseinander.

Du stöhnst und versucht nicht daran zu denken, dass Hendery das wahrscheinlich hören kann, spüren.

Seine Zunge stupst gegen deine, erkundet deinen Mund, erkundet alles – langsam. Deine Hände legen sich um seinen Nacken, verlieren sich in seinen Haaren. Ziehen daran, reißen daran – langsam. Ihr nehmt euch Zeit. Zeit entschwindet.

Seine Hand um deinen Kiefer löst sich, liegt nur noch sanft an deiner Wange und hebt deinen Kopf an, während die andere sich in deiner Hüfte vergräbt. Vielleicht ein bisschen schmerzhaft. Vielleicht sogar verzweifelt.

Du löst dich fast mit Gewalt von ihm, als du nicht mehr atmen kannst. Henderys Lippen fahren über deine Wange bis hin zu deinem Ohr. Er atmet deine Haut ein, deinen Geruch, deinen Geschmack. Du lässt es geschehen, schmilzt dahin.

Schließlich vergräbt Hendery sein Gesicht in deiner Halsbeuge. „Nur einen Moment noch", flehen seine Lippen an deinem Schlüsselbein. „Bitte."

Deine Augenlider schließen sich flatternd.

Seine Armen schlingen sich noch weiter um dich. Drücken dich noch stärker an ihn. So innig, als hinge sein ganzes Leben davon ab.

°•○●

Du trägst eine Krone aus pinken Magnolien, ein Kleid aus riesigen Blütenblättern. Deine Haut ist samtig, wie die Hülle, durch die die pinken Blätter ihre Köpfe brechen. Hendery will dich berühren, aber er kann es nicht. Aus Angst, dich zu brechen.

„Ich will eigentlich nur daran riechen", hast du gesagt. „Ich will nicht gepflückt werden."

Hendery weiß nicht, ob er dich halten kann. Er weiß nicht, ob du verdorrst, wenn er dir zu nahe kommt. Dich aus Versehen entwurzelt, abbricht, in Stücke reißt.

Hendery ist Asche. Als König kann er dich berühren, ohne auch dich in grau-weiße Asche zu verwandeln.

Aber er ist nicht immer ein König.

Es macht ihn wahnsinnig.


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his heroine. wkhWo Geschichten leben. Entdecke jetzt