Bonus - Yeontan

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Ich saß vor dem Kamin und versuchte die Kälte draußen wenigstens ein wenig zu ertragen. Es war Winter. Einer dieser Wintertage an denen es pausenlos schneit und die Welt in weiß getaucht wird. Vorsichtig fuhr eine alte zerbrechliche Hand über meine etwas längeren, braunen Haare. Es löste schon immer ein angenehmes Gefühl in mir aus. Es zeigte mir, dass ich geliebt werde. Das ist leider nicht immer der Fall gewesen. Früher, als ich noch ein kleiner Hundewelpe war, wurde ich von meinem Besitzer misshandelt und verletzt. Sowohl meine menschliche Gestalt als auch meine Hundegestalt. Ich wurde ausgenutzt. Die ältere Dame setzte sich auf den Ledersessel vor dem Kamin und beobachtete gemeinsam mit mir wie kleine rote Funken hinauf in die Luft flogen. Sie gab mir ein Zuhause. Einen Ort an dem ich mich wohl und geborgen fühle. Ihr machte es nichts aus, dass ich kein normaler Junge bin. Sie sagte immer.
Yeontan, du bist etwas besonderes.
Sie gab mir Mut. Sie zeigte mir, dass ich wertvoll sein kann und zu etwas zu gebrauchen bin. Doch als sie starb änderte sich alles schlagartig..
Bis ich ihn traf und er meine Welt auf den Kopf stellte.

Yeontan Pov:

Es riecht angenehm. Ein Geruch von frischem Fleisch. Ich habe lange nichts mehr gegessen. Seitdem meine Besitzerin an Altersschwäche gestorben ist, lebe ich auf der Straße. Ich versuche mich durch das Klauen von Lebensmitteln am Leben zu erhalten. Doch mein Magen knurrt ununterbrochen. Ich laufe den alten Marktweg entlang. Viele Blicke sind auf mich gerichtet. Einige sind neugierig während andere abstoßend wirken. Ich fühle mich unwohl. Ich versuche meinen Hundeschwanz so gut es geht unter meinem grauen Mantel zu verstecken. Meine Konzentration liegt dann wieder auf dem Geruch der mir durch die Nase steigt. An einem Stand etwas weiter weg bleibe ich stehen. Ich beobachte dort einen Mann der Würstchen und andere Fleisch Arten verkauft. Ich lecke mir über die Lippen. Verdammt! Ich darf mich nicht erwischen lassen. Mein Hunger ist aber zu groß. Ich denke darüber nach, wie ich am besten etwas stibitzen kann. Ich sollte mich lieber nicht erwischen lassen. Ob meine Hundegestalt dafür vielleicht besser wäre? Doch ich schüttel den Gedanken schnell wieder ab. Vielleicht wäre ein Ablenkungsmanöver nicht schlecht. Meinen Blick lasse ich durch die Gegend schweifen. Ich bleibe an einer großen Uhr hängen. Es ist gleich 12 Uhr vormittags. Die Uhr wird dann ein Musikstück spielen, wodurch einige Menschen für einen Moment lang abgelenkt sind. Genau das ist meine Chance. Ich setze mich auf eine Steinmauer am Straßenrand und beobachte derweil das Treiben. Mein Hass gegenüber Menschen ist immer noch stark ausgeprägt. Sie werden irgendwann selber daran schuld sein, dass sie aussterben.

Es ist 12 Uhr. Das Glockenspiel beginnt und ich laufe geschickt los. Mit meiner Hand greife ich mir eine Wurstkette. Plötzlich umfasst jemand mein Handgelenk. Fühlt sich nass und rau an. Ich blicke in das verärgerte Gesicht des Verkäufers. 
»Finger weg oder sollte ich lieber Pfoten sagen.«
Es ist ein dicker Mann, der mir bedrohlich sein Hackebeil vor das Gesicht hält. Eigentlich wäre es besser, mich jetzt ohne mein Essen loszureißen. Doch mein Hunger ist größer als der Verstand. Also stoße ich mit meiner anderen Hand den Tisch um. Der dickere Mann lässt daraufhin erschrocken meine andere Hand los. Ich schnappe mir die Würstchen und laufe weg.
»Haltet den Dieb!« schreit der Stand Besitzer.  Währenddessen versuche ich mich durch die Menschenmenge zu quetschen. Auf einmal ertönt eine schrille Pfeife. Durch meinen ausgeprägten Gehörgang ist es für mich doppelt so laut. Mein Blick richtet sich auf einen Polizisten, der mir mit seinem Schlagstock hinterherrennt. Während ich die Würste fest in meiner Hand umklammert habe, renne ich durch die Gassen von Manhattan. Ich lege den Polizisten Kisten in den Weg und versuche so gut es geht ihn abzuhängen. Doch habe ich dabei wenig Erfolg.

Ich biege um eine Ecke und falle mit voller Wucht auf den Boden. Vor mir steht ein Mann der monoton zu mir herunter schaut.
»Wo ist er? Wir müssen ihn unbedingt kriegen. Er darf nicht schon wieder ungestraft davonkommen.«
Der Mann vor mir schaut in die Richtung woher der Lärm kommt. Er sieht erst mich skeptisch an und dann zu den Lebensmitteln die auf dem Boden liegen.
»Bitte helfen sie mir. Ich.. Ich. sie dürfen mich nicht, ich.«
Doch weiter kann ich nicht sprechen, denn der Blick des Mannes schüchtert mich ein.
»Verwandel dich.«
»Was?«
»Bist du schwerhörig? Ich sagte verwandel dich.«
ich ziehe also meinen Mantel aus und verstecke ihn hinter einer Kiste. Anschließend verwandle ich mich in einen Hund. Der Mann mit den dunkelbraunen Haaren nimmt mich auf dem Arm und versteckt mich gemeinsam mit den Würstchen in seiner Tasche.

Hier drinnen riecht es angenehm nach Lavendel. Mein Blick schweift über eine Sammlung von Büchern. Letztlich bleibt mein Blick bei einem schwarz - weißen Foto hängen. Darauf zu sehen sind eine Frau und der Mann der mich gerade in die Tasche gesteckt hat. Ich kann die Stimme des Polizisten hören »Entschuldigen sie der Herr. Haben Sie vielleicht einen Jungen mit Hundeohren gesehen?«
»Nein, tut mir leid. Ich bin gerade erst hier lang gelaufen und habe keinen Jungen gesehen. Ich würde jetzt auch  gerne in die Bibliothek gehen, also wenn sie mich dann entschuldigen würden.«
Daher also die ganzen Bücher.
Ich spüre wie die Tasche sich bewegt.
Plötzlich wird sie jedoch rum geschleudert und ich muss mich zusammenreißen keine Geräusche zu machen. 
»Jetzt warten Sie doch mal.«
»Wer gibt Ihnen die Erlaubnis mich einfach anzufassen?«
Die Stimme des Mannes klingt ziemlich wütend. 
»Sir, wir machen nur unsere Arbeit.«
»Nun, dann sollten Sie das auch tun und diesen Jungen suchen und mich hier nicht weiter aufhalten.«
Echt raffiniert der Kerl. 
»Bitte entschuldigen Sie die Störung.«
Die Tasche setzt sich wieder in Bewegung.
»Warte Kleiner, gleich kannst du dort wieder raus.« höre ich die Stimme von meinem Retter sagen. Seine Stimme ist zwar tief aber trotzdem sehr angenehm. Plötzlich öffnet sich die Tasche und ein Lichtstrahl scheint mir ins Gesicht. Ich werde herausgehoben und vorsichtig auf den Boden gesetzt. Als ich mich wieder zurück verwandelt habe drückt mir der Mann die Würstchen in die Hand.
»Du solltest das nächste mal besser aufpassen.«
»Danke.«
Mein Blick ist schüchtern auf den Boden gerichtet. Die Situation ist mir doch ein wenig unangenehm.
»Wie dem auch sei, ich gehe jetzt .«
Der Mann schultert seine Tasche und macht Anstalten dazu zu gehen. »Warte mal.«
Der Mann bleibt stehen, dreht sich aber nicht zu mir um.
»Wie heißt du eigentlich?«
»Taehyung, Kim
Taehyung.«
»Also danke Taehyung.«
Er dreht sich zu mir um und wuschelt mir durch die Haare.
»Kein Problem Kleiner.«
Durch diese kleine, aber sanfte Geste, wird mir bewusst dass ich von nun an, an ihn gebunden bin. Ich halte ihm am Arm fest.

»Kann ich vielleicht mitkommen?«
Taehyung sieht mich ein wenig verwundert an.
»Hör mal zu Kleiner.«
»Mein Name ist Yeontan.« 
»Nun gut Yeontan. Ich habe leider keine Zeit auf jemanden wie dich aufzupassen.«
Ich werde ziemlich traurig. Ich will doch einfach nur endlich wieder jemanden haben, der mir Geborgenheit schenkt. Ich wende meinen Blick ab. Einige Tränen bahnen sich den Weg nach unten.
»Jetzt wein doch nicht direkt.«
Es tut mir Leid, aber ich möchte nicht mehr alleine sein.«
Mein weinen wird immer lauter und ich lasse mich langsam auf den Boden fallen. Ich halte diese Einsamkeit nicht mehr aus. Plötzlich legen sich zwei starke Arme um meinen zerbrechlichen Körper.
»Nagut. Du kannst bei mir bleiben, aber nur bis ich den Auftrag erledigt habe.«
Ich darf bei ihm bleiben. Mich endlich wieder geliebt fühlen. Aber was für einen Auftrag meint er?
»Was denn... für.. ei..ei..ein Auftrag?«, frage ich ihn mit zitternder Stimme.
»Sagen wir es so, ich habe jemandem etwas versprochen.«
»Etwa dieser Frau auf dem Bild?«
Taehyung drückt mich ein Stück von sich weg.
»Woher weißt du das?.«
»In deiner Tasche ist ein Bild.«
Er kramt in seiner Tasche und hält das Bild in seiner Hand. Taehyung scheint ziemlich traurig zu sein.
»Du hast recht, ich habe dieser Frau ein Versprechen gegeben.«
»Sie ist wirklich schön.«
»Ja, das war sie.«
Ich will ihm die Trauer nehmen. Seine Schmerzen lindern, die sich in seinen Augen wiederspiegeln. Ich werde für ihn da sein. Ihm dabei helfen sein Versprechen einzuhalten. Taehyung den Halt geben, den er braucht.
Ich will sein Held auf vier Pfoten werden.

Yeontan as. Leeaamariee

𝐒𝐔𝐏𝐄𝐑𝐍𝐀𝐓𝐔𝐑𝐀𝐋 ᵇᵗˢ ᵒˢWo Geschichten leben. Entdecke jetzt