Liebeshass

110 20 0
                                    


31. Januar 2014

Alter: 28

Das Klingeln der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Ich streiche kurz über meine Arbeitskleidung, die aus einem übergroßen Karo Hemd und einer Boyfriendjeans besteht. Schließlich packe ich meine Stifte zur Seite und lege den großen Zeichenblock auf den Tisch vor mir. Ich streiche mir die Strähnen, die aus meinem Dutt gefallen sind aus dem Gesicht und checke das letzte Mal, ob ich alles habe.

Süßigkeiten: Check.

Soda: Check.

Sekt: Check.

Zur Not konnte ich eine Pizza bestellen.

Schließlich opfert sie ihre Zeit für mich. Ich kann sie momentan leider nicht anders bezahlen....Vielleicht in ein paar Monaten, Ivy....

Ich bin mehr als froh, dass sich eine Frau namens Joar Roarke Macbain auf meine Anzeige als Modell gemeldet hat. Meine einzige Voraussetzung war, dass die Person blond war. Ich hätte es nicht ertragen können, vielleicht einen dunkelhaarigen Mann vor mir sitzen zu haben. Es hätte zu sehr weh getan.

Ich war Mom unglaublich dankbar, dass sie mir das Geld gegeben hatte. Ich wusste nicht, was aus mir in den letzten Monaten geworden wäre ohne mein Atelier. Ohne die Perspektive von Arbeit, in die ich mich hatte stürzen können.

Ich greife auf dem Weg zur Tür nach einem Milkyway und schiebe es mir in den Mund. Ich bin immer noch viel zu dünn. Em erzählte mir jedes Mal, wenn wir uns trafen, dass ich mehr essen musste. Aber ich konnte einfach noch nicht. Und schon gar nicht momentan. In zwei Wochen war Valentinstag und all die gestauten Emotionen schienen jeden einzelnen Tag aus mir hervorzubrechen.

Ich setze ein Lächeln auf, greife nach der Türklinke und öffne die Tür.

Das Lächeln in meinem Gesicht fällt in sich zusammen, stattdessen ist mein Gesicht nun von purem Schock gezeichnet.

Ich stehe wie angewurzelt da und nehme den Anblick direkt vor mir in mich auf. Keinen halben Meter vor mir steht ein blonder, großer, bärtiger, breiter Mann. Seine braunen Augen bohren sich in meine, bevor ein Lächeln auf seinem Gesicht erscheint, das sich über sein ganzes Gesicht zieht. Ich kenne den Mann.

Gott, das kann nicht wahr sein! Das Universum muss mir einen Streich spielen!

„Joar..?", frage ich ihn krächzend.

„Ivy.", kontert er grinsend mit seinem schottischen Akzent. „Oder soll ich lieber Persephone sagen?", fragt er gespielt.

Ich spüre, wie ich vor Scham rot werde.

„Ich... ich dachte ...", stammele ich mit aufgerissen Augen, während er mich immer noch mit seinen braunen Augen belustigt anschaut. „Joar, ist das nicht ein Frauenname?", presse ich schließlich hervor.

Er lacht laut auf, bevor er seinen Kopf schüttelt.

„Darling ich muss dich leider enttäuschen. Joar ist ein Männername aus Norwegen. Erinnerst du dich ? Norwegische Mum, Schottischer Dad."

„Ähm, wage..", gebe ich von mir, obwohl ich mich immer noch an fast den ganzen Abend erinnern kann.

Obwohl ich betrunken gewesen war. Plötzlich trifft mich ein Flashback und ich sehe mich plötzlich vor mir, wie er mich an die Wand vor der Bar presst.

Gott ich war mein Leben lang vernünftig gewesen. Nur einmal war ich ein wenig aus der Reihe getanzt, hatte etwas Unvernünftiges getan und genau jetzt Jahre später holt es mich irgendwie wieder ein.

Plötzlich fällt mir mein Bild wieder ein.

„Ähm sei mir nicht böse, aber ich hab eigentlich gedacht, ich würde eine Frau malen..."

„Wie? Du willst mich nicht malen?", gibt er gespielt schockiert von sich.

„Ich kann auch wieder mein Wikingerkostüm anziehen, wenn dir das hilft?", er zwinkert mir zu und ich spüre, wie ein eiskalter Schauer meinen Rücken hinunterläuft.

Ich kannte diese Masche.

Ich kannte sie zu gut.

Seine Haare sind zwar nicht braun, seine Augen nicht blau, aber ich kannte diese Art von Männern. Mein Gesicht fällt in sich zusammen und ich schüttele jetzt meinen Kopf.

„Tut mir leid, aber ich hab mich explizit auf eine Frau eingestellt." , ich greife nach der Tür um ihm zu signalisieren, dass ich mich nun von ihm verabschieden will.

„Hey...", ruft er plötzlich aus und stellt sich mit einem Fuß zwischen die Tür.

„Wie wärs, wenn ich dich auf einen Kaffee einlade und dir beweise, dass ich das perfekte Modell für dein Bild bin.", sagt er ernst, in seiner Stimme aber ein flirtender Unterton.

Ein ekeliges Gefühl frisst sich in mich hinein. Ich schüttele den Kopf. Ich beobachte, wie sein Gesicht zusammenfällt und er einen Schritt zurück macht.

Im gleichen Moment mache ich einen Schritt nach vorne und greife erneut nach der Türklinke.

„Tut mir leid, dass du extra hier hinkommen musstest, aber ich möchte kein Männermodell."

Und damit schließe ich ihm die Tür vor der Nase zu.


I think I fell in love today (Kurzgeschichte)✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt