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Als der Seminarleiter den Raum betrat, wurde es mit einem Mal ruhiger.
Nicht dass mit einem Schlag alle Gespräche verstummt wären, aber die meisten hielten nun doch den Mund und sahen abwartend nach vorne. So wie ich.

Heilige Scheiße! Das war doch jetzt hoffentlich ein Scherz oder ein Missverständnis, oder?
Der Seminarleiter war niemand anderes als der Schnösel mit dem schwarzen Audi, dem ich vor wenigen Stunden noch meinen Mittelfinger präsentiert hatte.
Augenblicklich wollte ich mir ein Loch schaufeln und mich unauffällig nach draußen buddeln.
Aber eigentlich war mein Zorn gegen ihn ja berechtigt gewesen.
Also versuchte ich, die Fassung zu bewahren.
Im besten Fall erkannte er mich eh nicht wieder.

Der Schnösel hieß Jan.
Den Nachnamen konnte ich mir nicht merken, weil Jan der Meinung war, dass sich alle nur beim Vornamen nennen sollten hier.
Was ich mir allerdings merken konnte, war die tiefe, kehlige Stimme mit der Jan sprach.
So eine erotische Stimme hatte ich noch nie gehört bisher.
Jedes seiner verdammten Worte löste Schwingungen in meinem Körper aus, die ich direkt in meinem Unterleib spüren konnte.
Automatisch presste ich meine Beine fester zusammen.
Jan war 36 und kam aus Köln.
Fast 10 Jahre älter als ich.
Soviel kam in meinem Gehirn dann doch noch an.

Was war bloß los mit mir, dass mein Körper auf seine Stimme derart reagierte?
Meine Gedanken waren ebenso erregend wie fehl am Platze.
Wenn ich mich nicht ein wenig zusammenriss, würden die kommenden Stunden der Horror werden.
Ich nahm einen großen Schluck Kaffee. Zwirbelte an meinen Haaren herum.
Irgendwohin musste ich ja schließlich mit meiner Unruhe.
Apropos Haare.
Während Jan da vorne weiterhin seinen Vortrag hielt, fiel mir auf, dass sich aus seiner akkurat gekämmten Kurzhaar Frisur ein paar widerspenstige Haare in die entgegengesetzte Richtung gelöst hatten.

Zu gerne würde ich mit meinen Händen in Jans rotblonde Haare greifen und die Frisur komplett zerzausen.
Ich fragte mich automatisch, wie er wohl morgens nach dem Aufwachen aussah.
Schon wieder Gedanken, die hier nichts verloren hatten.

Erstens sollte ich mich unbedingt auf den Inhalt des Seminars konzentrieren.
Und zweitens hatte ich Jan doch eh schon längst als arroganten Schnösel abgestempelt.
Da hatte ich ihn allerdings auch noch nicht mit dieser tiefen, erotischen Stimme sprechen hören.
Ich wettete, der Mann war sich seiner Wirkung auf Frauen voll bewusst, so locker wie er da vorne stand und plauderte.
Allerdings, wenn ich mir die anderen Seminarteilnehmerinnen so ansah, wirkten diese doch alle ziemlich gelangweilt.
Hatte Jan etwa nur auf mich diese Wirkung?

Mit aller Anstrengung beschloss ich, mich auf die inhaltlichen Ausführungen seiner Rede zu konzentrieren.
Nachdem der Schock darüber, diesen Mann so anziehend zu finden, sich ein wenig gelegt hatte, gelang mir das sogar ganz gut.
Jan schaffte es nämlich, auch trockene Themen mit Witz und Charme rüber zu bringen, sodass selbst ich ihm gespannt zuhören konnte.

Normalerweise kann ich keinem Monolog länger als fünf Minuten folgen, ohne dass meine Konzentration sich verabschiedete und ich mit meinen Gedanken in eine komplett andere Welt eintauchte.
Aber ich hing förmlich an Jans Lippen die ganze Zeit.
Was er wohl mit seinen Lippen alles mit mir anstellen konnte?
Okay, ein paar unpassende Gedanken schossen mir dazwischen, aber für meine Verhältnisse war ich insgesamt extrem aufmerksam.

Hinter mir hätte vermutlich auch irgend etwas in Flammen aufgehen können, ich würde noch immer an Jans Lippen hängen.
Am spannenden Inhalt lag das ganz bestimmt nicht.
Es war einfach Jans Ausstrahlung, die mich irgendwie fesselte.

Seine tiefe, männliche Stimme, das lockere Geplauder und dazu sein selbstsicheres, dominantes Auftreten.
Alles in allem eine höchst explosive Mischung, wie ich fand.

Room 122 - Just One NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt