...Love

202 15 3
                                    

Ich konnte gar nicht richtig glauben, was passiert war. So überhaupt nicht. Gerade in diesem Moment wurde aus dem schönsten Tag in meinem Leben...

"Hyung! Hyung?" Schnell wischte ich mir über die Augen. "Hyung..." Und wieso musste ausgerechnet jetzt Changkyun vor mir stehen? Bei aller Liebe, aber nein. "Was?" Ich blickte wütend zu ihm rauf. "Ich gehe nach Hause, Chan!" Es war mir alles so was von egal. Ich hatte versagt. Vollkommen verloren und dabei wollte ich doch gewinnen. Schnell nahm ich mir meine Jacke und ignorierte Changkyun, der mir immer noch hinterher lief. "Du kannst nicht gehen! Die anderen sind gleich dran." Ich war mir in diesem Moment doch viel wichtiger, als die anderen. "Lass mich in Ruhe!"  Damit ließ ich ihn alle im hinteren Bereich stehen, alle sahen ihn an, denn immerhin stritten wir gerade vor so vielen Leuten, die noch nach uns kommen werden. Ich zog mit kalten Händen die Tür auf und rannte raus. Ich hatte versagt. Ich war ein kompletter Verlierer. 

Weinend versuchte ich irgendwie unsere Haustür zu öffnen und ich konnte es nicht. Ich bin ein Versager, ein Nichtsnutz. Ich kann gar nichts, nicht einmal die Tür öffnen! Ich bin scheiße und ich bin ein Verlieren. Schluchzend wischte ich mir schnell über meine Wangen. Sie waren heiß im Gegensatz zu meinen Händen und wieder versuchte ich einfach nur diese Tür zu öffnen. Wieso lebe ich eigentlich noch, wenn ich alles, was ich je wollte nicht erreicht habe? Wieso tue ich mir das noch an? Wieso?

Schluchzend umklammerte ich das Kissen weiter und presste mein Gesicht da rein. Mir war schlecht. Schlecht von der Erinnerung von heute, schlecht von meinen Tränen und schlecht von den unzähligen Schokoladentafeln, die ich in mich gestopft hatte. Sie schmeckte eigentlich gut, aber nach der zweiten vermischte sich die Bitterkeit des Tages und der ekelhafte Zucker zusammen. Wenn ich nicht so mit dem Weinen beschäftigt wäre, dann hätte ich mich übergeben können. Beim nächsten Schluchzer durchschüttelte es meinen Körper. Es war nicht fair und es schmeckte zuckersüß und einfach nur bitter.

Die ganzen Diäten waren umsonst; die ausgelassenen Mahlzeiten; das wenige Essen.
Die ganzen Trainingsstunden waren umsonst; der viele Muskelkater; das viele Joggen und Tanzen.
Die ganzen Streitereien mit den anderen waren umsonst, denn eigentlich waren sie doch nie das Problem. Ich war es, der sie ausgegrenzt hatte. Ich war es, der sich selbst in den Himmel lobte und sie runtermachte. 
Und jetzt war ich allein.

Alles auf allem kam jetzt alles wieder auf mich zurück. Karma is a bitch- oder wie auch immer. Alles traf mich mit voller Wucht und es nahm mir die Luft zu atmen. Ich war einsam, weinte alles aus mir raus und niemanden interessierte das, weil ich doch derjenige war, der alles kaputt gemacht hatte. Es war alles meine Schuld, denn ich hatte nicht gewonnen und jetzt fühlte ich alles, doch bloß nicht das, was ich fühlen wollte. Da war keine Freude, kein glücklich sein und auch kein Stolz. Da war die Wut auf mich, die Enttäuschung und die unendlich große Trauer, die mich innerlich so verschlang, wie ich die vielen Tafeln von Schokolade jetzt trotzig gegessen hatte. 
Und jetzt war ich allein.

"Hyung!" Ich sah schnell auf. Meine Augen waren bestimmt so sehr verheult, mein Make-Up verschmiert und meine Nase lief mir bestimmt so unschön. Da stand er an der Tür zu meinem Zimmer. Ich hatte ihn gar nicht gehört -bestimmt weil ich niemals dachte, dass er kommen würde. Vielleicht liebte er mich wirklich. Denn Changkyun suchte sich einen Weg durch die vielen Verpackungen der Schokoladen und nahm mich dann stumm in den Arm. Ich war so was von ein Loser. 

"Ist ja gut. Es ist alles okay." Nein, nicht war 'okay'. Er war überhaupt nichts in diesem Moment ansatzweise in Ordnung. Ich schluchzte wieder auf und doch legte er seine Arme einfach stärker um mich, ließ es zu, dass ich mein nasses Gesicht in seiner Brust versteckte und mich an ihn klammerte. "Hyung... Ich bin ja da." Er war da, ließ die anderen so wie ich stehen, nur mit dem Unterschied, dass ich das für mich alleine getan habe. Weil ich nun einmal egoistisch bin und er war nur hier, weil er mich liebte. In gewisser Weise war das auch egoistisch, aber er hatte dabei an eine andere Person gedacht. Er hatte an mich gedacht. 

Und so weinte ich mich bei Changkyun aus, den ich doch eigentlich hasste. Hassen sollte -jedenfalls. Denn gerade waren es seine Arme, die mich festhielten. Gerade waren es seine warmen Hände, die mich näher an ihn zogen und mir über meine Haare fuhren. Gerade war das seine beruhigende Stimme, die mir einredete, dass es in Ordnung sei. "Hyung... Ich bin für dich da." Er legte seine Lippen auf meine Stirn. "Hyung..." Ich atmete tief durch. Er war gerade für mich da, er wärmte mir meine eiskalten Hände und durch ihn war ich nicht mehr alleine. "Ich habe verloren!", krächzte ich heiser. Er umfasste meine Wangen mit seinen Händen, zwang mich ihn anzusehen, obwohl ich das nicht wollte. Ich wollte nie, dass mich jemand so schwach sieht, so gebrochen und verloren. Ich wollte nicht der sein, der immer weinte. "Hyung. Das läuft nun mal so. Das ist eine dumme Show, mehr nicht." Es war eine dumme Show für ihn, aber nicht für mich. Für mich war das alles, was ich wollte. 

"Du bist so schön, Hyung. Du bist so ein großartiger Mensch. Du bist so talentiert und du kannst so viel." Ich wollte das nicht hören. Sage das nicht... "Hyung." Ihm brach seine Stimme leicht. "Ich liebe dich und das nicht auf eine freundschaftliche Art." Meine Lippen bebten mir. Mir war das so unangenehm und deswegen senkte ich den Blick, legte meine Hände auf seine. Das war nicht richtig so. "Ich genieße jeden Tag mit dir. Du bist so wundervoll, toll-" Er lachte auf. "Manchmal auch lieb, aber die meiste Zeit bist du gemein." Das wusste ich selber! Was tat er mir hier an? Ich wollte weg und doch hielt er mich bei sich. Freute es ihn jetzt etwa, dass ich weinte? "Ich habe mich in dich verliebt, Hyungwon." Das wusste ich doch so lange... Wieso schockierten mich diese Worte dann so sehr?

"Ich..." Was sah er in mir? "Du!" Er ließ mich so wütend werden. "Du hast trotzdem gewonnen! Du bist weiter und ich nicht!" Das war die Bitterkeit des Tages. "Wir sind zusammen aufgetreten und nur du bist weiter!" Er schenkte mir ein süßes Lächeln, obwohl ich ihn doch gerade so anschrie. Dabei war er doch der, der nur für mich hergekommen ist, der für mich alles verlassen hat und mich in den Armen tröstete. Ich hasse dich! "Und ich..." Er ließ meine Wangen los, senkte seine Hände. "Du hasst mich? Das ist mir schon bewusst." Wieso lächelte er immer noch, obwohl ich hier doch wieder so gemein war? Wie schaffte er es trotz seinen Schmerzen, die ich ihm verursachte so zu lächeln? Es war nicht fair.

Mein ganzes Leben habe ich alle nur abgestoßen, war auf mich fokussiert, gemein und harsch. Mein ganzen Leben wollte ich gewinnen und jetzt hatte ich das nicht. Es war so was von nicht fair. Mir war so schlecht. Mir war schlecht von Changkyuns Worten, von der Schokolade und von meinem Versagen. Mir war so schlecht vom Leben und vielleicht wurde es endlich Zeit etwas zu ändern. 

Ich schluckte die Übelkeit runter. Meine Gedanken drehten sich hin und her und dann wurde es mir so klar. Ich werde niemals mehr jemanden finden, der wie er war. Ich werde keinen zweiten Changkyun finden. Jemanden, der mich aushielt, der sich von mir anschreien ließ und der so viel Liebe für mich aufbrachte. Ich werde niemals jemanden finden, der mich lieben wird, weil es an mir nichts zu lieben gab -und doch hatte es Changkyun geschafft. 

"Ich will..." Unsere Augen suchten den Blick des anderen. Es war so falsch. Mein Herz klopfte mir aufgeregt, meine Lippen bebten und neue Tränen suchten sich ihren Weg über meine Wangen. "Ich will dich auch lieben, Chan." Denn du bist das beste, das ich noch habe. Für dieses Strahlen in seinen Augen würde ich diese einfachen Worte meines Herzens immer wieder aussprechen. Ich würde ihm alles sagen, was mein Verhalten entschuldigen würde. Ich würde alles machen, um diese Einsamkeit und Bitterkeit nicht mehr spüren zu müssen. Ich wollte nie wieder so viele Tafeln Schokolade in mich reinstopfen. 

Sein Lachen ertönte, seine Hände suchten sich wieder ihren Platz an meine Wangen und dann... dann küsste er mich. Seine aufgeregt lächelnden Lippen drückten sich auf meine. Wieso war das etwa so falsch? "Ich werde dich glücklich machen, Hyung! Ich werde immer da sein!" Ich wollte, dass er mich glücklich machte, damit ich nie wieder weinen musste. "Ich..." Ich hatte keine Worte für ihn, deswegen musste ich etwas neues ausprobieren. Ich wollte ihn lieben. Meine Lippen suchten sich seine. Meine Hände suchten seine. Willst du das, Chan? Willst du mich so küssen, wie ich dich küssen möchte? Federleicht, sanft und so warm. Ich wollte mich für alles bei ihm entschuldigen, weil ich es ihm schuldig bin. Weil ich es wirklich mit ihm probieren möchte. Mein Herz klopfte mir so stark gegen meine Brust. Es war so viel aufregend als auf der Bühne zu stehen. Meine Lippen kribbelten, meine Beine fühlten sich unglaublich schwach an und ich war so froh jetzt auf dem Bett zu sitzen. 

"Sind wir jetzt also zusammen?" Seine bebende Stimme holte mich zurück. Mir war so heiß. Wieder ein Kuss. Ein leichter, feuriger. "Danke, Hyungwon." Ich wollte, dass wir zusammen glücklich werden. Ich will dich lieben. Aber ganz vielleicht tat ich das schon lange. Es gab nur Liebe und keine Gnade.

The End. 

No Mercy || HyungkyunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt