Der Mond erwachte.
Luna erwachte. Diese seltsame vage Verkörperung des Mondes, die Alphas ihre Macht verlieh, Seelengefährten zuteilte und Werwölfe erschuf, griff in die irdischen Geschehnisse ein, um Ivaines Seelengefährten zu beschützen.
Valentina hätte ihn umgeworfen, danach ihre Zähne in seine weiche Kehle gerammt und es beendet. Doch so weit kam es nicht, ein silberner Schimmer ging von Rafael aus. Nicht wie jener eines Heiligenscheins, mehr wie eine massive Mauer, um ihn, für ihn erbaut. Valentina prallte an ihr ab und rollte rechts von ihm zu Boden. Wütend knurrte sie und leckte sich etwas Blut vom Maul. Rafael schien genauso geschockt, blickte nach oben zum noch blassen, jedoch definitiv aufgegangenen Mond. Kurz setzte Verwirrtheit ein, bei jeden außer bei Ivaine.
In sie fuhr die blanke Erkenntnis.
Wie der silberne Schein sich um Rafael legte, so schien sich auch eine Macht um sie zu legen, Stimmen flüsterten, erinnerten sie an einen Schwur den sie vor dem Mond geleistet hat, erinnerte sie daran, dass Luna nie unbedacht handelt.
Sie schnappte nach Luft und stolperte nach vorne, auf Rafael zu.
„Verdammte Scheiße!" Mit der Heftigkeit eines frisch erwachten Alphas erschall Valentinas Stimme in Ivaines Kopf und mit Sicherheit auch in denen aller anderen. „Sie testet dich Ivaine!"
„Was?" Vor der silbernen Mauer hielt Ivaine selbst inne, unschlüssig ob sie sich dran verletzten könnte.
„Dasselbe ist mir auch passiert. Luna hat eine Mauer um ihn gelegt, damit ich mich würdig erweise. Offensichtlich will sie dich als Anführerin sehen. Du musst dich würdig erweisen"
Nein, nein, das konnte nicht stimmen. Luna sagte genau das Gegenteil, genau das...
Was wenn das der Test ist?
Rafael hatte den Blick auf sie gerichtet, die Augen braun und irgendwie... sanft. Als verspüre er sowas wie Mitleid mit ihr. Sie sollte ihn... umbringen? Wie sollte... wie könnte sie das?
„Er ist nur dein Gefährte Ivaine. Du hast ihn dir nicht ausgesucht, er hat sich dich nicht ausgesucht. Keiner wollte den anderen in sein Leben haben", drängte sie Valentina knurrend.
Ja, ja Ivaine wollte ihn nicht in ihr Leben haben.
Dann hol ihn raus. Mischte sich nun auch Andromeda ein.
Aber sie wollte auch nie Luna werden.
Sie wollte nie zu einem Rudel gehören oder eine Werölfin werden.
Du lenkst dich ab.
Nein, sie erkannte.
„Ich werde ihm nichts tun"Augenblicke später schnappte ein Wolf nach ihr und bekam den Saum ihres Kleides zu fassen. Wie eine alte Puppe baumelte sie bald an ihrem Kleid vom Boden und versuchte sich verzweifelt frei zu kämpfen. „Du Närrin! Du verfluchte Närrin, es war ein simpler Test, Luna hätte dich durch das Kraftfeld gehen lassen, es war nur für dich durchlässig!", klaffte Valentina, sichtlich dabei die Beherrschung zu verlieren.
Doch es war zu spät. Ihre Armee, ihre Krieger kamen. Ivaine hatte eins Streitmacht ihres eigenen Rudels gesehen, eindrucksvolle gut trainierte, jedoch sehr junge Krieger. Unerfahren, dafür entschlossen.
Die Rudellosen im Osten drehten sich um, bereit sich auf ihr Rudel zu stürzten. Valentina witterte aber noch eine letzte Chance, auch sie strebte kein Blutvergießen an.
„Halt!"; rief sie in ihrer menschlichen Gestalt, „Greift sie nicht an! Lasst sie die Situation erfassen"
Langsam drehte sich Rafael, noch immer vom silbernen Schein umgeben, herum und sobald sich die Reihe der Rudellosen lichtete stand er Aarons Wolf entgegen, welcher mit gehobene Lechzten seine Gegner und die splitternackte Valentina musterte.
Sie war keine Bestie mehr, kein kampfgeübter Alpha, jetzt war sie wieder die rebellierende Frau, die sich gegen ihren unterdrückenden, gewalttätigen Gefährten stellte. „Seht her! Euer Alpha hat bereits aufgegeben, bloß Lunas Prüfung hält ihn noch am Leben!", Aaron bleckte die Zähne, auch Nick blieb unbeeindruckt, doch zu Ivaines Schock spitzen die restlichen Wölfe die Ohren. Isabella mochte doch recht haben, vielleicht fand das Rudel die Vorstellung eines anderen Anführers doch verlockend. Aaron musste dasselbe eben realisiert haben, völlig ratlos, da kaum einer auf seine Proteste ansprang, tänzelte er auf den Pfoten hin und her.
„Genau Modyt-Rudel, der starke Alpha hat nicht mal so viel hinbekommen! Sein Herz ist so eisig, wie sein Stolz und selbst die ihm geschenkte Kraft weiß er nicht einzusetzen, wenn es darauf ankommt. Eure Luna dagegen hat erneut ihre Barmherzigkeit, ihre Überlegenheit bewiesen und sich geweigert ihn zu verletzten" Verzweifelt wollte Ivaine sich endlich frei kämpfen, sich einfach in Meda verwandeln, doch Valentina hatte die Wölfin längst unterdrückt. Noch schlimmer, Ivaine brachte kein Wort heraus und ihre Befreiungsversuche wurde immer lahmer, immer schwächer. Valeina unterdrückte auch Ivaines menschlichen Willen. „Sie wird ihm nichts tun! Nicht aus Liebe, sie haben sich nie verbunden, eure Luna ist unmarkiert und unbefleckt, der einzige Grund aus dem sie nicht handelt ist ihr Wesen! Deshalb müsst ihr sie bestärken. Um euch nicht zu enttäsuchen wendete sie keine unnötige Gewalt an, aber diese Gewalt ist sehr von Nöten. Das weiß ich, das wisst ihr, Ivaine wird es noch erkennen.
Es liegt an euch, entscheidet euch für Rafael Modyt-Rudel!
Aber...", ihre Anhänger scharrten sich, knurrend, bedrohlich, mächtig, näher um sie, „... aber lebt dann mit den Konsequenzen"
Wenn sie gekonnt hätte, wäre Ivaine jetzt in Tränen ausgebrochen. Nein, Rafael durfte nicht sterben! Es war nicht Lunas Willen ihn tot zu sehen, sein Ableben würde das ganze Rudel verfluchen. Für Ivaine war das glasklar. So glasklar, wie sie Verbimndung die sie zu Rafael spürte, so glasklar wie Andromedas Anwesenheit in sich. Das Modyt Rudel knurrte, blickte aneinder an. Aaron lief die Reihen angespannt auf und ab, wahrscheinlich dabei einzuschätzen, ob er den Befehl zum Angriff erteilten sollte, allerdings war das Rudel offensichtlich zwiegespalten. Viele warfen Valetina sogar hoffnungsvolle, glitzernde Blicke zu.
Bis sie diese Blicke plötzlich auf Ivaine richteten. Sie erkannte, dass die Person um die es hier ging, ihre Luna, noch nichts dazu gesagt hat.
Valentina schnaubte unentschlossen, doch der Wolf ließ sie fallen und Ivaine hatte wieder vollste Kontrolle über ihre Bewegungen, nur nicht über ihre Stimme.
Aber wenn Luna in dieser Sache auf ihrer Seite war, wenn Ivaines Lunas Willen kannte...
Erführchtig hob sie ihren Kopf zum Himmel empor, durch die Baumkrone fiel das silberne Licht auf ihr Gesicht und als Ivaine das nächste Mal nach Luft schnappte fühlte sie wie Valentinas Fesseln von ihr abfielen.
„Sie lügt, sie lügt euch alle an!", Valetina war zu verdattert, zu sehr damit beschäftigt Ivaine wieder zu unterdrücken, um einen ihrer Rudellosen zu befählen sie zu schweigen zu bringen. „Luna will keinen tot sehen, es gibt einen Alpha und eine Luna, damit das Gleichgewicht gewährleistet wird. Eine Machtübernahme der Lunas ist kein Gleichgewicht!
Wir müssen uns emanzipieren, ich habe mich emanzipiert. Die Tatsache, dass Lunas nicht alleine regieren müssen erlaubt es ihnen empathisch, friedvoll zu sein. Reißen wir die ganze Macht an uns, geben wir auch unsere Qualitäten auf", diese Worte richtete Ivaine direkt an Valentina, ihr Gefolge war bereits erstarrt, sobald sie erkannt haben welchen Einfluss Ivaine in ihrem eigenen Rudel hatte.
„Und ihr alle kämpft gegen die Gerechtigkeit! Ich weiß, viele von euch sind rudellos, vogelfrei, aber euch gegen Luna zu stellen ist euer Verdammnis! Glaubt nicht mir, glaubt den Mond, er hat euch eure Wolfgestalt gegeben, ohne die ihr nie wieder in einem Rudel aufgenommen werden könnt!" Tatsächlich trug nun auch Ivaine diese silberen Mauer um sich, strahlend hell, so warm wie am Tag ihrer Ernennung zur Luna.
„Valentina sagte, um mich zu überzeugen, wir müssten in dieser dunkeln Zeit leuchten. Ja, ja das sollten wir wirklich. Lunas sollten leuchten, Frauen sollten ihre Macht erkennen, die Macht die in Güte, Empathie und Geduld liegt, aber ich glaube nicht, dass die Zeiten dunkel sind. Ich glaube ich bin nur ein weiteres Licht in einem sehr hellen Himmel. Wir müssen nur mal... aufsehen" Als letztes Mal senkte Ivaine ihren Blick auf Rafael. In einem Meer aus angespannten Gefühlen, grimmigen Gesichtzügen und Unentschlossenheit brauchte Ivaine Rafaels Blick nur kurz festzuhalten und zaghaft begann an Lächeln an seinen Mundwinkel zu zupfen. Eine Welle von Stolz drohte Ivaine zu übermannen und sie brauchte nicht Lunas Erkenntnis, um zu wissen wer ihr diese geschickt hat.
„Kämpft gegen die die mir nicht glauben und schließt euch meinem Rudel an, wenn ihr es tut. Aber bringt nur keinen Hass mit" Was auch immer sie gerade eben noch mit Wärme und Zuversicht erfüllt hatte zerrte langsam, aber sicher an ihren Kräften. Erschöpft sackte Ivaine auf die Knie, nach und nach senkte sie auch den Kopf auf den kühlen Waldboden, während der silberne Schein um sie langsam verblasste und der Kampf losbrach.
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Lichter am hellen Himmel
WerewolfIvaine hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, ob es Werwölfe geben könnte. Vielleicht Geister und als Kind auch Monster im Schrank, aber Werwölfe waren doch nur Volksmärchen. Als sie jedoch entführt wurde und raus fand, dass sie die Gefährtin des...