Kapitel 3

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Die Bettbezüge, die Decke und die Wände im Raum waren weiß, mehr konnte sie gerade nicht feststellen, da Ivaine müde war und ihre Augen brannten wie die Hölle. Natürlich hatte keiner ihrer Entführer erfahren können, dass sie Kontaktlinsen trug.
Hastig und ohne sich viel um Hygiene zu kümmern pulte sie diese heraus und kniff die Augen schmerzhaft zusammen. Es gab nichts grauenvolleres, als mit Kontaktlinsen einzuschlafen, jedenfalls in ihren Augen.
Nach einer Weile beruhigten sich ihre Augen und langsam öffnete sie diese blinzelnd. Natürlich war der Raum jetzt noch unschärfer als zuvor und vom plötzlichen aufsetzen war ihr etwas schwindelig. Trotzdem erkannte sie helle Holzmöbel, vermutlich ein Schrank und ein Schreibtisch, jeweils links und rechts weiter vorne im Raum.
Ihrem Bett gegenüber war die dunkle Tür und links von ihr gab es ein großes Fenster, durch das die Sonne schien und sich weit entfernt etwas grünes abzeichnete. Unmöglich ohne Brille festzustellen, ob es sich dabei um eine Wiese, einen Baum oder vielleicht nur ein grünes Plakat handelte.
Wo sie wohl war? Sie erinnerte sich an die Männer und bei den Gedanken an Joy durchfuhr ein Stich ihre Brust. Ob sie sie auch mitgenommen haben? Ob es ihr gut geht?
Sie selbst schien nicht verletzt (Mal von ihren vertrockneten Augen und der beleiernden Müdigkeit abgesehen) und sie lang nicht gefesselt in einen feuchten Keller oder dunklen Raum.
Anderseits hieß das auch, dass sie so weit weg gebracht worden sein musste, damit die Entführer sich keine Sorgen darum machen mussten, ob sie jemand durchs Fenster sehen oder erkennen könnte.
Ängstlich zog sie die Decke näher an sich heran und Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Was war nur aus dem entspannten Treffen mit Freunden geworden?
Ivaine kam es wie eine Ewigkeit vor, doch wahrscheinlich waren es nur zehn Minuten in denen sie da saß und verzweifelt Gedanken nach hing, als schließlich die Tür aufging. Herein kam eine kleine, spindeldürre Frau von gut 50 Jahren mit einem hohen, dunklen Dutt und Augen von der Farbe geschmolzenen Onyx'. Sie schien nett. Etwas dass Via von ihren Entführern ganz sicher nicht erwartet hatte.
"Hallo Ivaine", begrüßte die Frau sie mit einem milden Lächeln, "Willkommen im Rudel"

Weder ihr Erscheinen noch ihre Worte ergaben großartig viel Sinn, allerdings hatte sie ein Sandwich und Wasser dabei, was der hungrigen Ivaine nur recht war.
Vielleicht sollte sie fremden Essen gegenüber skeptischer sein, aber ein anderes würde sie hier ehe nicht erhalten. "Mein Name ist Rosalia, ich bin quasi deine Babysitterin solange du hier bist", sie zuckte entschuldigend mit den Schultern, ohne von ihrem Handy aufzusehen. "Und du meintest minus 3 Dioptrien Liebes? Das lässt sich arrangieren. Du wirst damit nicht hundert Prozent sehen können, doch sie muss auch nur für ein paar Tage halten"
Rosalia wirkte freundlich, sogar gelassen, als sei Ivaine ganz freiwillig und wie selbstverständlich hier.
Ivaine nervte das ungemein. "Wo sind wir hier?"
"Ach in den Bergen Liebes, das Weiße aus dem Fenster ist Schnee", bei ihr klang es gar nicht so, als würde sie sich über Ivaine lustig machen, auch wenn es Ivaine erwartet hätte.
"Und was soll ich hier?" Jetzt seufzte Rosalia, beendete die Nachricht, die sie mit dem Zeigefinger abgetippt hatte und sah auf. "Das ist etwas kompliziert Liebes, dir wird noch alles begreiflich gemacht, angefangen mit Werwölfen. Ich hoffe du glaubst an das Übernatürlich, denn ich befürchte, dass hier keiner warten wird bis du dich seelisch komplett drauf eingestellt hast.
Was auch immer, na komm, du möchtest sicher duschen"
Rosalia wartete geduldig bis Ivaine aufgegessen hatte und führte sie dann in das Bad. Es stellte sich heraus, dass links von ihr an der Wand noch eine Tür aus dem Raum führte und zwar in ein helles Bad. Als Rosalia sie mit den gereichten Handtüchern und Seifen alleine ließ atmete Ivaine lautstark aus. Wo zur Hölle ist sie hier nur gelandet? Warum hat sie nicht mehr nach Joy gefragt? Vielleicht war sie auch hier, warum diese Männer sie dann aber K.O. geschlagen haben und Ivaine nicht bliebe ein Rätsel.
Sie duschte sich eilig ab, wobei sie ihre Haare trocken in einem Zopf behielt und zog sich danach wieder die Jeans und das T-Shirt an, welches sie noch am Abend davor getragen hatte, über. Was anders hatte sie hier nicht. Hoffentlich wäre Rosalia nett genug ihr auch einen Pullover zu geben, es war deutlich kälter in den Bergen, selbst im Haus.
Die Berge... Wie weit diese Menschen hier sie gebracht haben. Sie wohnte an der Küste, die nächsten Berge waren gut 500 Kilometer entfernt!
Erneute Panik ergriff sie, trotzdem trat sie wieder aus dem Bad. Welche Alternativen gab es auch? Durch das Fenster in den meterhohen Schnee in T-Shirt und ohne Schuhe springen? Lieber nicht.

Lichter am hellen HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt