Kapitel 2

24 4 0
                                    

Panisch begann Yara zu zappeln, um sich zu befreien, aber damit bewirkte sie nur, dass das Netz sich noch fester um ihre Flosse wickelte. Bald zappelte sie nur noch wie die Fische in der Luft, die ebenfalls in das Netz geraten waren. Mit einem Mal hielt sie aber still, als sie die aufgeregten Rufe der Menschen hörte, die innerhalb weniger Sekunden eine Traube an der Reling gebildet hatten, um sich ihren außergewöhnlichen Fang anzusehen. Yara wünschte in diesem Moment, sie könnte sich unsichtbar machen. Sie zählte sechs Männer, die sie aus neugierigen Augen anstarrten.

„Schnell, bring es rauf!", hörte sie die Stimme eines Menschen. Yara und die vielen Fische landeten unsanft auf dem Deck des Schiffs. Autsch!, dachte sie, traute sich aber nicht, ihren Gedanken laut auszusprechen. Die Fische zappelten nach Atem haschend um sie herum, doch für die Fischer waren diese nebensächlich. Alle Augen waren auf Yara gerichtet.

„Ich glaub's nicht!" und „Kneif mich mal!", hörte Yara die erstaunten Fischer durcheinanderreden.

„Was sollen wir mit ihr machen?", fragte einer in die Runde. Diese Frage löste eine wilde Diskussion aus, der Yara nur mühsam folgen konnte.

„Ich sag, wirf sie wieder rein, sie bringt uns nur Unglück!"

„Bist du verrückt? Hast du eine Ahnung wie viel Geld uns das Ding einbringen könnte?"

„Stell dir mal vor, wir müssten nie wieder fischen und wir könnten uns ein Leben in der Stadt leisten!"

„Was hast du denn auf einmal gegen das Fischen?"

„Sag bloß, dir macht das Freude! Bei jedem beschissenen Wetter rausfahren, ohne zu wissen ob man lebendig wieder zurückkehren wird!"

„Ich verbitte mir diesen Ton!"

„Werft sie doch einfach wieder rein!"

Yara sah sich verwirrt um und versuchte den Worten zu folgen, die über ihre Zukunft entscheiden würden.

„Du Kleiner!", rief einer der älteren Männer dem etwa 14-jährigen Jungen zu, der der Jüngste auf dem Schiff zu sein schien. „Dein Onkel hat doch diesen Wasserzoo. Wie viel denkst du würde er uns für das da bezahlen?"

Der Junge sah verdutzt auf und zuckte mit den Schultern.

„Ach komm schon Evan, du hast doch immer etwas mitzureden, und jetzt hat es dir plötzlich die Sprache verschlagen?", fragte der Ältere gehässig.

„Ich... ich weiß es nicht.", druckste er herum.

„Werft sie doch einfach wieder ins Wasser!"

„Kommt gar nicht in Frage, das werde ich nicht zulassen!", fauchte ein anderer.

Zu Yaras Missglück entschied die Mehrheit der Männer dafür, Yara an das Aquarium für viel Geld zu verkaufen. Sie wendeten ihr Schiff und steuerten den Hafen ihres Fischerdorfs an.

Die Bewohner des Dorfs eilten am Hafen zusammen, als sie hörten, was ihre Männer gefangen hatten. Yara hielt ihre Tränen zurück, als die Männer sie auf eine Trage legten und sie von Bord trugen. Frauen und Kinder versammelten sich um sie und wieder wurde Yara von unzähligen Augen angestarrt.

Die kleinen Kinder drängten sich durch die Menge nach vorne und griffen nach ihrer Flosse, um diese Schuppen berühren zu können. Da fiel einer Mutter auf: „Das arme Ding braucht Wasser! Seht ihr nicht, wie trocken ihre Schuppen sind? Wenn ihr sie vertrocknen lasst, bekommen wir sicher kein Geld dafür!"

Sie scheuchte die Männer davon.

Die Aussicht wieder ins Wasser zu kommen, ließ Hoffnung in Yara aufkommen. Vielleicht würden sie sie doch wieder ins Wasser lassen, damit sie wieder wegschwimmen konnte. Platsch!

Yara schrie fast vor Schreck auf, als ein Kübel kalten Wassers über ihr ausgeschüttet wurde. Yara versuchte sich zu bewegen und von hier zu fliehen, doch an Land kam sie keinen Zentimeter vom Fleck.

„Hört auf! Hört auf!", hallte mit einem Mal eine laute Stimme über den Platz.

Ein Mann schob sich durch die Menge nach vorne.

„Habt ihr denn den Verstand verloren? Die Meerjungfrau ist das warme Wasser der Karibik gewöhnt, ihr könnt doch nicht einfach Eiswasser aus der Wasserleitung über ihr ausleeren! Außerdem ist das wertvolles Trinkwasser!"

Die Fischer, die Yara an Land gebracht hatten, liefen auf den Mann zu.

„Tobias! Du besitzt doch diesen Wasserzoo. Wie viel würdest du uns für sie bezahlen?", fragte einer der Fischer.

„Wer sagt euch denn, dass ich sie überhaupt will?", fragte Tobias.

The Great EscapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt