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No one regards what is before his feet; we all gaze at the stars.

Quintus Ennius (239-169 B.C.)

>> Mrs. Simpson, es wäre sehr nett von Ihnen, wenn Sie sich entschließen würden, auch an diesem Unterricht teil zu nehmen.<<

Wie gebannt schaute ich die ganze Zeit auf meinem Laptop. Die Wintersemesterferien waren gerade zu Ende gegangen und nun saß ich hier: Im Hörsaal der University of Aberdeen in Schottland. Mein erstes Semester hatte ich bereits hinter mir. Ich war extra für mein Studium nach Schottland gekommen und hatte mich für diese Universität entschieden. Doch ich war allein hier. Keiner kümmerte sich um mich. Aber vielleicht würde sich das bald ändern-dachte ich.

Traurig löste ich den Blick von meinem Laptop und schaute meinen Dozenten an, der mich bereits äußerst verärgert ansah.

Noch immer wartete er auf eine Antwort von mir und so sagte ich leise: >>Ja…<<

>>Gut, dann können wir fortfahren.<<

Schon wieder fühlte ich mich ausgegrenzt und verletzt. Neben mir wollte keiner sitzen. Alle kannten sich und ich war ein Niemand. Ich blickte auf meinen linken Platz und stellte mir vor, wie es wäre, wenn dort jemand sitzen würde, den ich kannte, den ich mochte und für den ich existierte.

Alle um mich herum lachten, alle waren glücklich. Doch ich saß in der letzten Reihe, allein...

>>Sie dürfen nun gehen, wir sehen uns morgen.<<, beendete unser Dozent die „Stunde“. Während andere es kaum erwarten konnten, sich mit ihren Freunden oder Freunden zu begnügen, ging ich langsam aus dem Raum hinaus. Was hatte ich schon vor? Nichts!

Ich ging langsam zu der Straßenbahn und hatte sie natürlich um eine Minute verpasst. Jetzt durfte ich wieder eine Viertelstunde warten. Also setzte ich mich auf einen freien Platz. Doch nach einer Weile begann ich zu frieren. Es war schließlich Anfang Januar und in Schottland ist es noch kälter, als in Deutschland.

Ab und zu rieb ich meine Hände und kuschelte mich in meinen Parker.

Langsam füllte sich der Bahnstieg mit Studenten, die es entweder noch rechtzeitig zur Party schaffen wollten oder um nach Hause zu fahren um zu lernen.

Zugegeben, dass mit dem Lernen war keine schlechte Sache und wahrscheinlich hätte es mir sogar ganz gut getan, aber bis jetzt war es noch nicht meine Absicht gewesen, es zu tun.

Endlich kam die Straßenbahn. Doch wie immer um diese Zeit, war sie voll. So musste ich stehen. Doch es waren nur zehn Minuten bis zu mir.

Langsam verließ ich die Straßenbahn wieder und ging nach Hause.

Es war nur eine kleine Wohnung. Eben das Nötigste: Bad, Küche und Wohnzimmer (was auch gleichzeitig mein Schlafzimmer war).

Meine Wohnung war ganz oben, also in der sechsten Etage. Unter mir waren andere Studenten oder ältere Leute.

Eine Wohnung unter mir war noch frei und Gerüchten zu folge, sollte da auch bald jemand einziehen-sicher war ich mir nicht. Schließlich hatte ich nur ein Gespräch zwischen zwei älteren Damen, auf dem Flur, vor ein paar Tagen mitbekommen.   

In meiner Wohnung angekommen, hängte ich meinen Parker über einen Stuhl, zog meine Stiefel aus, setzte meine Mütze ab, ging ins Wohnzimmer und schaltete meinen Laptop erneut an. Vielleicht war es wirklich keine schlechte Idee sich nun auch mal auf das Studium zu konzentrieren. Bis jetzt war ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen, hatte mich zu sehr beklagt. Doch das wollte ich nun ändern-für diesen Moment. Denn eigentlich wusste ich genau, dass ich es nicht lange durchhalten würde. Es war einfach wie verhext: Ich stand in einer Menschenmenge und fühlte mich trotzdem allein-als wenn niemand da wäre. Ich hörte zwar Stimmen, aber nicht das was sie sagten. Ich sah zwar die Menschen, doch ich erkannte sie nicht. Schon wieder war ich unsichtbar-schon wieder.

Dark secret(das etwas andere Twilight)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt