Prolog

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Ich spürte Felicias Blick schwer auf mir lasten, wartete darauf, dass sie etwas sagte, aber sie schwieg. Es war ein seltsames Gefühl, als sie aufmerksam die alten, abgetragenen, beinahe brüchigen Rubberbands musterte, die unter dem weiten rechten Ärmel meines Pullis hervorlugten. Eine Mischung aus Verunsicherung, Schrecken und einem kleinen bisschen Eifersucht, dass sie sie einfach so betrachten konnte, ohne an alles denken zu müssen, was mich mit ihnen verband. Ich schüttelte beinahe beiläufig die Hand, damit der Stoff die aus Gummiringen gehäkelten Armbänder verdeckte. Sie gingen sie nichts an, sie brauchten sie nicht zu interessieren. Sie musste nichts davon wissen. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und sah von dem verschrammten Laptop auf, der vor mir stand. «Was ist? Hat mir jemand ein Stück Papier auf den Rücken gepappt, auf dem «Starr mich an» steht?», fragte ich, in dem neutralsten Tonfall, den ich hinbekam. Ich hatte nicht vor, Felicia vor den Kopf zu stossen.

Sie schüttelte langsam den Kopf und setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber. Als sie die Hände auf ihrem Esstisch verschränkte, der zirka einen halben Meter Abstand zwischen uns brachte, fiel mir einmal mehr auf, wie braungebrannt sie war. Ganz im Gegenteil zu mir. Ich hatte mir sagen lassen, ich sei beinahe schon ungesund bleich. Ich war froh darum, dass sie sich nicht neben mich gesetzt hatte. Ich war kein Freund von menschlicher Nähe. Als sie zu sprechen begann, zuckte ich beinahe zusammen. Ich war es nicht mehr gewohnt, jemanden direkt vor mir zu haben, wenn ich mit ihm redete. «Du bist gerade erst 20 geworden, Kayla, aber trotzdem bist du auf der Flucht vor der Regierung. Mein Kontakt hat mir nicht erzählt, was genau du verbrochen hast, aber ich glaube die Zeitungsartikel sind aufschlussreich genug.» Sie sah mich wartend an, aber als ich nicht reagierte, fuhr sie fort, zitierte diverse Headlines. ««Verbrecherisches Genie bricht aus Superschurkengefängnis aus». «Terroristin Kayla Clyatt wieder auf freiem Fuss». «Menschen fürchten sich vor Clyatts nächstem Coup». «Könnte Kayla Clyatt die Börse einstürzen lassen?». Also, sag schon.» Sie legte den Kopf schief. «Könntest du?»

«Das ist die falsche Frage», stellte ich nüchtern fest, den Blick nur mühsam vom Computer fernhaltend.

«Was ist die richtige?» Sie sah aus, wie eine Katze, die mit ihrer Beute spielte. Als würde ihr dieses Spiel Spass machen. Aber ich war nicht ihre Beute.

«Ob ich das tun würde.»

«Die Zeitungen sind darüber ziemlich klar. Ja. Du bist eine Superschurkin, auf gleichem Niveau mit Doc Ock oder Loki oder...», spann sie den Faden weiter, aber ich unterbrach sie. Natürlich nicht auf eine unhöfliche Weise.

«Oder du.»

Sie betrachtete ihre Fingernägel. «Wie kommst du denn darauf?»

«Denkst du, ich suche mir bei jemandem Unterschlupf ohne meine Hausaufgaben gemacht zu haben? Felicia Hardy, die berühmte Black Cat.»

«Ich bin geschmeichelt. Aber ich hätte eher gesagt, ich sei eine... fortgeschrittene Diebin, keine Superschurkin.» Sogar ihre Stimme, ihr Tonfall hatte etwas katzenhaftes an sich. Schelmisch, elegant und ein wenig verspielt. Ganz anders als meiner.

«Frag mal Spider-Man, der ist anderer Meinung.» Ich wusste selbst, dass ich mich meist gleichgültig, beinahe ein wenig roboterhaft anhörte, ernst und vor allem ruhig.

«Oh, ja, der Netzkopf. Er ist so süss, mit seinen moralischen Prinzipien.» Ich sagte nichts darauf und wandte mich wieder dem Computer zu. Sie musste nicht wissen, wie viel ich wirklich über Spider-Man wusste. «Schreibst du grade das Programm, dass die Börse abstürzen lässt?», witzelte Felicia, aber ihre Neugier war deutlich herauszuhören.

Ich sah erneut auf. «Ich will kein Chaos, Felicia. Ich will Ordnung." Obwohl ich ihr keine Rechenschaft schuldig war, konnte ich nicht anders, als leise hinzuzufügen: "Ich bringe alles wieder in Ordnung.»

Diaries of RogersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt