Als sie wieder in Hogwarts ankamen, verabschiedete Madam Hooch sich hastig und verschwand in ihre Räume. Auf dem gesamten Rückweg hatte sie kaum ein Wort mit ihnen gesprochen. Auch die Schneiderin hatte mindestens irritiert auf Lucius Tanzeinlage reagiert und Hermine wusste ebenfalls nicht so recht, was sie davon halten sollte. Sein Verhalten passte nicht zu dem, was sie belauscht hatte und was sie seit dem Gespräch mit Professor Trelawney befürchtete.
Sie betraten Hermines Büro, wo sich die Regale inzwischen mit ihren vielen Büchern gefüllt hatten und sie auch gleich ihre neuesten Errungenschaften einsortierte. Im angrenzenden Raum thronte Alvas Käfig auf einem Beistelltisch, der noch von Professor Flitwicks Einrichtung übrig geblieben war. Die winzige Eule schnäbelte mit Hermines Fingern und schuhute fröhlich, als sie endlich ihre Flügel ausbreiten und herumfliegen konnte. Sie drehte eine Runde im Wohnzimmer und flog dann hinaus über den Schlossgrund in Richtung Wald. Lucius legte seine Einkäufe auf einem weiteren Tischchen ab.
„Ich bin gleich zurück", sagte Hermine und stieg hinauf in ihr Schlafzimmer, wo sie Kleid und Umhang sorgfältig verstaute.
Bevor sie zurück ins Wohnzimmer ging, atmete sie einmal tief durch. Das bevorstehende Gespräch versprach eher unangenehm zu werden. Lucius stand noch am Fenster und blickte hinaus. Als Hermine die Treppe herunterkam, drehte er sich lächelnd zu ihr um, doch das Lächeln verschwand, als er ihren ernsten Gesichtsausdruck bemerkte.
„Also? Ich denke, es ist jetzt langsam an der Zeit, dass du mir ein paar Dinge erklärst."
Er ließ sich auf die Couch fallen und breitete die Arme aus.
„Frag mich, was du willst, ich bin ein offenes Buch."
„Dann möchte ich als Erstes wissen, wie es zu den Narben auf deinem Rücken kam."
„Das ist deine erste Frage? Gleich zu den ernsten Themen", er zögerte kurz und fragte dann, „ein Denkarium hast du vermutlich nicht?"
Hermine schüttelte den Kopf: „Nein, du wirst es mir erzählen müssen."
Er seufzte und fuhr sich durch die langen blonden Haare.
„Du wirst dich noch an unsere Begegnung in der Mysteriumsabteilung erinnern, die... sagen wir... unerfreulich verlief."
Sie schnaubte und setzte sich in einen der grauen Sessel.
„Unerfreulich ist ja wohl die Untertreibung des Jahrhunderts."
Er ignorierte ihren Einwand und fuhr fort: „Mir ist es, wie wir beide wissen, nicht gelungen, den Auftrag des Dunklen Lords zu erfüllen und ich landete in Azkaban. Jemandem, der noch nie selbst in der Nähe dieses schrecklichen Orts war, zu beschreiben, wie es dort zugeht, ist so gut wie unmöglich. Du bist die meiste Zeit allein mit deinen eigenen düsteren Gedanken und die Dementoren saugen dir jedes noch so kleine bisschen an positiven Gefühlen aus, das du vielleicht noch in dir trägst. Je schwächer du wirst, desto stärker werden sie. Ich war zu einer Zeit dort, zu der die strikte Trennung der Gefangenen schon nicht mehr wirklich praktiziert wurde. Ein paar Stunden täglich durften wir uns frei bewegen. Als das erste Mal meine Zelle geöffnet wurde und ich hinaus durfte, ich mich einmal mehr als zwei Meter bewegen konnte, habe ich mich gefreut, wie selten zuvor in meinem Leben. Die Aussicht, mit alten Kameraden sprechen zu können, vielleicht doch nicht langsam verrückt zu werden, vielleicht sogar ein wenig Tageslicht zu sehen..."
Während er sprach, knetete er seine Hände so fest, dass bereits weiße und rote Stellen zu sehen waren.
„Es war wohl zu viel des Guten. Die Wiedersehensfreude hat nicht lange angehalten. In den Augen der... anderen Todesser war ich der Grund dafür, dass der Plan des Dunklen Lords gescheitert war. Und er hat das genauso empfunden. Er hat ihnen aufgetragen, mich deutlich sein Missfallen spüren zu lassen. Zauberstäbe oder Messer und ähnliche Waffen gab es nicht, daher haben sie mich zu viert überwältigt und abwechselnd meinen Rücken mit einer schartigen Spiegelscherbe aufgeschlitzt. Jeden Tag aufs Neue. Zauberer, die ich zu meinen Freunden gezählt habe, die mich zum Teil schon mein Leben lang begleitet haben, die stets..."

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Lumine II - Wolfsbrut
FantasyACHTUNG! Enthält Spoiler zu Lumine I - Dornröschenschlaf! Hermine ist nach einem äußerst realistischen Traum wieder in der Wirklichkeit angekommen. Doch auf einmal häufen sich Momente, die ihr mehr als bekannt vorkommen. Die Gefühle, die sie in de...