Kapitel 10

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Das ganze Essen über sprach ich kein Wort mehr mit Liz. Ich verstand nicht, wie sie mir das hatte verschweigen können. Klar, der Einwand ich wäre nicht mitgekommen, wenn ich davon gewusst hätte, war berechtigt. Ich wäre wirklich nicht mitgekommen. Aber sie hatte vor dem essen genug Zeit gehabt es mir zu erzählen.

Und dennoch hatte sie es nicht getan.

Ich hatte Pablo und Juan nie richtig kennengelernt. Meine Eltern hatten die beiden Adoptiert, weil deren Mutter in ihrem Krankenhaus gestorben war. Ava war die leitende Chirurgin gewesen. Meine Eltern hatten sich in die beiden kubanischen Jungen verliebt und ihnen ein neues Zuhause gegeben. Ehe sie Jahre später ihre leiblichen Kinder, also Bailey und mich bekommen hatten. Pablo war ebenfalls im großen Krieg gestorben. Von Juan hatte ich mal durch einen Brief erfahren das er lebte. Aber ich hatte nie mit ihm zu tun gehabt. Ein Bruder war er nie gewesen. Er war nie da gewesen.

Das er also jetzt auch hier war, brachte mich in eine seltsame Lage. Einerseits kannte ich ihn kaum. Anderseits war der Fakt da, das er mein Adoptivbruder war. Meine Eltern hatten ihn mit zwei aufgenommen. Sie hatten ihn Großgezogen. Für mich war er ein Fremder. Und damit war das Thema gegessen.

Ich versuchte Rosie zu bitten wo anders die Aufgabe zu haben. Jedoch war sie der Meinung, dass wir so vielleicht zueinander finden würden. Ich war da anderer Meinung. Ich wollte ihn nicht kennenlernen.

Das war doch nicht so schwer zu verstehen.

Nach dem Essen lief ich also mit Liz mit. Die Stimmung war gedämpft. Sie wirkte sichtlich schuldig und schien es sich zu Herzen zu nehmen. Sie entschuldigte sich mehrmals. Aber ich wollte einfach nur noch das sie mir alles zeigte und dann würde ich bis zum morgigen Tag in die Hütte verschwinden. Hoffentlich war Sir Karl bis dahin da.

„Und das hier ist der Wassergebetstempel, hier wirst du vermutlich die meiste Zeit verbringen." sie führte mich durch die große freie Halle.

Sie erinnerte mich überraschenderweise an einen griechischen Tempel. Der Boden war aus feinstem Marmor. Die Säulen hielten das Dach und obwohl der Tempel keine richtigen Wände besaß, zog der Wind nicht hindurch.

Als wir näher eintraten hörte ich das Plätschern eines Baches und sah mich um. Und tatsächlich. Der Tempel lag in drei Ebenen, die mit jeweils eine Treppenstufe nach unten führten. Ein Bauch floss in der Mitte durch den Tempel wieder ins Freie.

„Das Ist der Bach vom See." erklärte Liz und führte mich tiefer in den Tempel. „Man glaubte früher, dass der Bach alle Sorgen und Ängste mit sich nahm, wenn man hier betete und meditierte."

„Schön und was bringt mir das?"

„Das wirst du noch früh genug lernen." sie ging nicht weiter darauf ein, sondern spazierte weiter und ich war wohl oder übel gezwungen ihr hinterherzulaufen. Dabei war sie doch diejenige, die mir etwas verheimlich hatte.

„Das Kampftraining wird hier im Garten stattfinden." sie trat zu den Säulen, die wieder hinaus aus dem Tempel führten. Als ich schlecht gelaunt neben sie trat, staunte ich nicht schlecht. Obwohl der Tempel direkt am Abhang erbaut worden war, war der Garten sorgfältig auf einer riesigen Plattform angelegt. Wege und Bänke unterbrachen die Beete und auch der Bach lief mitten hindurch und fiel am Ende in einen Wasserfall den Berg hinab. Marmorbrücken waren über den Bach erbaut worden um von einer Seite zur anderen zu kommen. Noch nie hatte ich einen so gepflegten und so schönen Garten gesehen.

Am Rande wurde der Garten durch dünnere Marmorsäulen abgegrenzt. Säulen die vielleicht den Durchmesser eines Fußballes besaßen. Säulen auf deren oberen Ende meditierende Mythosnachkommen saßen. Im Schneidersitz auf diesen wirklich schmalen Säulen. Ich schluckte, wenn man das Gleichgewicht verlor, flog man entweder den Berg hinab oder ins Blumenbeet. Ich musste nicht lange entscheiden, was besser war. „Muss ich das auch machen?"

Die letzte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt