„Christliche" Musik

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Eine Freundin fragte mich, wie ich über das Thema Musik denke und ich muss sagen, dass ich das Thema Musik oder vor allem „christliche" Musik kritisch beäuge.

In meiner Ursprungsgemeinde fand ich christliche Musik immer schrecklich einschläfernd. Schlagzeuge waren so ziemlich verboten, da es unchristlich sei und alles bestand aus denselben Akkorden. So fiedelte ich die öden Lieder mit meiner Geige im Orchester, stets bemüht, nicht selber einzuschlafen.

Es war ja nicht so, dass man in der Bibel davon las, wie die Israeliten in Reigen tanzten, mit Tamburin und Schofar spielten, aber Jesus würde so etwas natürlich niemals tun. Aufgrund der Angst der Menschen, sich vor dem Herrn zu erniedrigen, entwickelte man eine Theorie, die einem einen gewissen Komfort simulierte.

Also hörte ich überwiegend unchristliche Musik, mit ordentlich Schlagzeug, manchmal auch ziemlich depressives Zeug.

Ich hatte keinen Gefallen an christlicher Musik, bis wir die Gemeinde wechselten und ich die Power, nach der ich so lange gesucht hatte, im Lobpreis fand.

Und weil ich so überwältigt von dieser komplett neuen Facette des Christentums war, fiel ich ein wenig in ein anderes Extrem. Aber man entwickelt sich immer weiter und nach einer gewissen Zeit konnte ich an das Thema Musik etwas nüchterner herangehen.

Um meine Sicht auf Lobpreis zu erklären, würde ich gerne definieren, was ich unter Lobpreis verstehe.

Lobpreis ist für mich, so wie es das Wort sagt, eine Lobpreisung des Herrn. In Lobpreisliedern sollte es für mich darum gehen, wie groß der Herr ist. Mein Vater meinte einmal ziemlich radikal, dass im Lobpreis die Wörter „ich", „mich", „mein" und „mir" eigentlich nicht vorkommen dürften. Ich sehe das nicht ganz so heftig, jedoch verstehe ich, was er damit meint.

Ich halte nichts von Liedern im Lobpreis, in denen es darum geht, wie cool und beschützt man durch Jesus nun ist, dass man durch die Gnade nun so frei ist und man jetzt Party im Hinmel machen kann. Ich halte auch nichts von verchristlichter Rappmusik, in der man ständig „braaa" und „skrr" hört (damit lehne ich nicht jegliche christliche Rappmusik ab).

Allerdings muss ich zugeben, dass ich all diese Musik auch selber schon gehört habe und teilweise auch höre. Nur nenne ich es nicht Lobpreis, sondern stehe dazu, wie es ist. Es ist gute Laune Musik, Erbauung des Geistes. Jedoch kann, meiner Meinung nach, unchristliche Musik einem genauso gute Laune und teilweise auch Erbauung des Geistes schenken. Die Motive hinter solcher Musik sind nicht andere, als hinter weltlicher. Ob ich mich nun durch weltlichen Gesang heftig und cool rede oder durch christlichen spielt keine Rolle.

Höre ich deshalb keine unchristliche Musik? Nein. Ich höre durchaus auch weltliche Lieder, weil diese nicht prinzipiell Teufelswerk sind. Christen müssen manchmal aufhören alles und jeden zu verteufeln.

Andererseits müssen Christen meines Erachtens nach aber auch aufhören, Musiker, welche von sich behaupten christlich zu sein, zu vergöttlichen.

Als Beispiel würde ich hier gerne Justin Bieber anführen. Ich habe nichts gegen ihn als Persönlichkeit, ich finde auch nicht jeden Song von ihm scheiße, jedoch gibt es Christen, die sich von ihm jedes Lied reinziehen und es damit rechtfertigen, dass er Christ sei. Ist ja schön und gut, dass er Christ ist, aber rechtfertigt das, ein Lied zu schreiben, in dem es lediglich um Sex geht? Und Christen hören es sich auch noch an und machen dazu Party? Und wundern sich dann, warum es in ihrem Leben Probleme mit sexueller Unreinheit gibt? Like, really????

Und jetzt kommt ein Punkt, der mich etwas zum stutzen bringt und den ich hier auch offen darlegen möchte:
Jeder, der die Bibel einigermaßen gut kennt, kennt das Hohelied. Für mich ist es relativ schwer zu verstehen, aber man erkennt eindeutig, dass der König Salomon den Körper seiner Frau mit der Natur vergleicht. Ebenso kann man den Liebesakt herauslesen. Für die Juden ist es eines der tiefsten Bücher in dem Alten Testament und enthält angeblich viele unbegreifliche Bezüge zur Beziehung zwischen uns und Gott.

Jetzt sagt der ein oder andere: HAHAAA! Justin Bieber singt in Yummy auch nur über seine Frau.

Und ehrlich gesagt weiß ich darauf nur das zu erwidern:

Für mich ist es ein großer Unterschied, ein ursprünglich privates lyrisches Buch eines Mannes über seine Frau zu lesen, oder ein Lied zu hören, in dem ein Mann der ganzen Welt öffentlich zugänglich macht, wie gut seine Frau es ihm besorgt. Jeder, der Respekt vor seinem Partner hat, würde das niemals tun.

Wir Christen müssen aufhören, alles was wir tun zu beschönigen. Du hörst Lieder, in denen ein Typ über bitches und Sex redet, dann steh dazu, dass du gerade einfach an Sex oder eine Person des Begehrens denken willst und höre auf es zu beschönigen! Mich persönlich nervt es.

Genauso sieht es für mich bei Filmen aus. Menschen rechtfertigen es ins Kino zu gehen damit, dass der Film ja so prophetisch veranlagt sei und viele Wahrheiten enthielte. Gib doch einfach zu, dass du dir einen Fantasy-Film ansehen willst! Wer wird dich dafür steinigen? Ist es prinzipiell schlecht, seine Zeit damit zu verbringen? Wenn du dich dabei schlecht fühlst, dann lass es, aber kreiere doch keine Rechtfertigung für dich und deine Mitmenschen.

Das verstörendste, was ich in Bezug auf Musik je gehört habe, ist, dass es christlichen Heavy Metal geben soll. Eine Person schlug es mir mal vor, ich hörte es mir an und alles was ich in dem Moment spürte, waren Depression, Aggression, Hass und Selbstmitleid. Die Personen sagten mir, dass es ihnen emotional helfe. Natürlich hilft es einem selbstmitleidigen Menschen, wenn er in seinem Ungerechtigkeitsgefühl bestätigt wird. Nicht alles, was zu helfen scheint, ist tatsächlich befreiend. Wenn mein Kind sich zickig im Laden auf den Boden wirft, kann ich ihm die Süßigkeit kaufen. Das wird helfen, das Problem ist auf Dauer aber nicht gelöst.

Wenn ich im Moment irgendetwas voll und ganz ablehne, dann diesen Versuch, etwas unreines als rein zu tarnen. Mag sein, dass ich zu „christlichen" Heavy Metal in 15 Jahren anders stehen werde, jedoch sehe ich dafür derzeit keine Begründung. Wenn ihr dafür eine habt, wäre ich sehr interessiert.

Was für Lieder empfinde ich nun als für einen Lobpreis angemessen?

Oben habe ich bereits eine kurze Antwort dazu gegeben. Wenn ich nun aber ganz ehrlich sein will, dann muss ich zugeben, dass ich derzeit ein wenig im Krieg mit den bisherigen Formen von Lobpreis stehe, die ich kenne.

Lobpreis besteht in den meisten Gemeinden aus vier bis sechs Liedern, die jede Woche neu ausgewählt werden. Irgendwann wird es zur Routine. Man sieht das nächste Wort schon kommen, man kennt den Refrain und irgendwann verliert die Bedeutung hinter den gesungenen Worten an Kraft.

Ich musste in den letzten Wochen feststellen, dass dieses Problem nur mich zu betreffen scheint. Wenn ich mit meinem Mann darüber rede, merke ich, dass er damit keine Probleme hat. Er kann dieselben Worte immer wieder singen und er kann jedes Mal auf's neue mit ganzem Herzen dabei sein.

Für mich sieht es anders aus. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich selber eine kleine Musikerin bin, aber ich hasse Muster im Lobpreis. Irgendwann scheint es mir, als würden alle nur abwarten, bis es vorbei ist und so beginne auch ich langsam in den Mustern zu versteinern.

Immer, wenn ich an Deborah aus dem Alten Testament denke, dann denke ich mir, dass Lobpreis vom Geist geführt sein sollte. Wofür brauchen wir Lieder, wenn doch jeder Mensch sein eigenes Dankeslied an den Herrn hat? Sobald wir den Menschen etwas vorgeben, wofür sie danken sollen, so betrifft es doch nicht mehr die individuelle Dankbarkeit eines jeden einzelnen.

Lobpreis sollte einzigartig sein. Lobpreis sollte vom ganzen Herzen kommen. Lobpreis sollte in einer Einheit von statten gehen, die kein Muster herbeiführen kann, sondern nur der Heilige Geist Gottes selbst. Und danach sehne ich mich. Auf dieses Ereignis warte ich.

Was ich über die Christenheit und das Christentum denke-DiaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt