Kapitel 15

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Tills Sicht:

Ich konnte nicht anders als sie einfach nur anzustarren. Ihr Gesicht war makellos, auch wenn sich schwarze Schatten unter ihren Augen gebildet hatten. Mein Blick glitt weiter und blieb kurz an ihren Lippen hängen, bis er weiter über ihren Hals und ihren sich regelmäßig senkenden Brustkorb wanderte. Bis er dann an ihren, auf dem Bauch verschränkten Armen, hängen blieb.
Es war echt verrückt. Vor den Sommerferien hätten wir uns am liebsten noch die Köpfe eingeschlagen und jetzt wusste sie mein größtes Geheimnis. Naja nicht alles darüber, aber das war auch nicht nötig. Nicht mal Nick oder Timo, wussten was bei mir Zu Hause abging. Es war schon echt kacke, dass sie nicht mehr da waren. Wir hatten uns gerade wieder vertragen und dann musste Nick zurück in seine Heimat, da seine Eltern fanden er wäre im Internat nicht richtig aufgehoben. Timo hingegen, nahm das alles psychisch doch mehr mit als alle gedacht hatten und musste deswegen eine Therapie machen, damit er diese Ängste los werden würde. Danach wollte er aber nicht mehr wieder kommen. Klar verstand ich das, aber jetzt hatte ich hier keinen mehr. Okay ich war auch echt ätzend den anderen gegenüber und hatte mir keine große Mühe gegeben Anschluss zu finden.
Vielleicht sollte ich mal auf die anderen zu gehen und nicht immer so Anti-Alles sein. Aber dann würde ich mir ja eingestehen, dass ich einen Fehler gemacht hatte und da lag das Problem. Ich stand mir mal wieder selbst im Weg.
"Hallo, Till geht es Martha besser?", riss mich Herr Zechs Stimme aus meiner Grübelei. "Ja ein bisschen schon, aber können Sie sie nicht für heute entschuldigen? Sie braucht etwas Zeit für sich.", sagte ich ihm. "Ich bringe sie auch ins Internat und passe auf.", bot ich ihm direkt an. Er blickte zwischen Martha, die immer noch in ihrer Position lag und mir hin und her. "Na gut. Aber das bleibt die absolute Ausnahme! Und die fehlenden Stunden holt ihr mit einem Referat über das deutsche Kaiserreich nach. Verstanden?" Ich nickte heftig. "Alles klar. Und danke.", sagte ich. Er brummte noch etwas Unverständliches vor sich hin, bevor er dann wieder im Gebäude verschwand.
Schwungvoll sprang ich von der Tischtennisplatte. "Komm, ich habe uns gerade einen freien Tag verschafft." "Und ein Referat, du Esel.", sagte sie mit immer noch geschlossenen Augen. Dann richtete sie sich auf und plötzlich standen wir uns ganz nah gegenüber. Wir blickten uns tief in die Augen. In ihren sah ich so viel Schmerz, den sie zu verbergen versuchte. Wir waren uns echt ähnlicher, als ich dachte.
Denn auch ich versuchte immer schön meine Maske aufrecht zu erhalten. Auch wenn ich ihr einen kleinen Einblick dahinter gewährt hatte, musste ich jetzt wieder aufpassen, dass ich Martha nicht zu viel zeigte.
Schnell wendete ich mich ab und brachte ein bisschen Abstand zwischen uns.

"Wieso machst du das alles?", fragte sie mich plötzlich, nachdem wir die ganze Zeit schweigend nebeneinander in Richtung  Internat gelaufen waren. "Was meinst du?" "Naja. Wieso bist du auf einmal so nett?" "Na weil... Ich... Ähm will nicht mehr der einsame Tillinator sein." Es klang mehr wie ne Frage, als wie ne Antwort. Einfach weil ich es selbst nicht so genau wusste. Aber was war denn schlecht daran, wenn ich einfach mal nett war und nicht immer wie die Axt im Wald durchs Internat lief und allen ihr Glück nicht gönnte? "Mich wundert es nur. Aber ich finde es gut. Ich kann den neuen Till gut leiden.", sagte sie und lächelte mich kurz an. Ihre Worte erwärmten mein Herz.

"Was macht ihr beiden denn schon hier?", fragte Frau Schiller uns, als wir in den Aufenthaltsraum kamen. Doch dann sah sie Martha. "Martha was ist passiert?!" "Es ist alles gut Frau Schiller. Ich muss mich nur ein bisschen hinlegen.", sagte sie. Sie nickte und Martha ging dann nach oben in ihr Zimmer. "Sag mal Till, was ist denn los? Ich kenne Martha nicht so traurig." "Das fragen Sie Martha lieber selbst.", sagte ich und folgte Martha dann nach oben. Aber als ich dann vor ihrer Zimmertür stand, wusste ich nicht so recht ob ich rein gehen sollte oder nicht.

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