Marthas Sicht:
Nachdenklich sah ich Till nach. Was war das gerade für ein seltsamer Moment, den wir da hatten? Und hatte er echt gelächelt?! Mir wurde bewusst wie selten er lächelte. Und schon wieder zerbrach ich mir den Kopf über ihn. Er hatte mir zwar das mit seiner Familie erzählt, aber es war bestimmt nicht alles. Ich glaube seine Probleme waren viel tiefgreifender als er es zugegeben hatte. Ich wollte wissen was es war. Was da genau mit seiner Familie nicht stimmte. Denn es war ja offensichtlich, dass es in ihm Narben hinterlassen hatte. Narben, die er nach Außen projizierte. In Form von unbändiger Wut. Und langsam fing ich an den Tillinator zu verstehen. Niemand handelt ohne Grund, so wie er handelt. Niemand ist ohne Grund so wie er ist. Es sind Erlebnisse, Erfahrungen oder auch Gefühle, die einen zu dem Menschen machen, welcher man ist. Nichts passiert ohne Grund und dieser Grund hat immer eine Reaktion zufolge. Bei Till war es die Wut. Ob sie sich alleine wegen seiner Familie entwickelt hatte, wusste ich nicht, aber Fakt ist, dass sie ihn unberechenbar handeln ließ. Das beste Beispiel war ja letztes Schuljahr. Und auch der Anfang diesen Schuljahres machte es mehr als deutlich. Er ließ niemanden an sich ran. Wahrscheinlich weil er Angst hatte. Angst man könne ihn verletzen. Oh man und genau das hatte ich letztens bei dem Fotoprojekt getan. Direkt kam in mir wieder das schlechte Gewissen hoch. Dafür musste ich mich definitiv nochmal entschuldigen. Plötzlich hatte ich das Verlangen ihn einfach zu fragen, aber gleichzeitig wusste ich, dass er mir bestimmt nicht einfach so seine Lebensgeschichte erzählen würde. Dafür waren seine Mauern zu dick. Man musste sie systematisch und Stück für Stück aufbrechen und das brauchte Zeit und Geduld. Viel Zeit und Geduld.
"Hey Martha, alles okay bei dir?", riss Viktor mich aus meinen Gedanken. "Ähm, ja klar.", sagte ich leicht durcheinander und schüttelte mich innerlich einmal, um die verwirrenden Gedanken an Till aus meinen Kopf zu verscheuchen. Was so semigut funktionierte. "Till hat mir erzählt was heute Morgen passiert ist. Ich hoffe dir geht es jetzt besser?", fragte Viktor mich dann. Bei dem Namen Till huschte ein nervöses Flackern über mein Gesicht. "Ja, mir geht es schon besser.", antwortete ich ihm freundlich. "Schon verrückt oder?", schob er dann nach. Fragend schaute ich ihn an. "Na, dass ausgerechnet der einsame Tillinator dir so geholfen hat." "So schlimm ist er doch gar nicht mehr.", rutschte es mir raus. Aber es war nunmal die Wahrheit. Er hatte sich ja wirklich geändert. "Ja du hast recht. Er hat sich geändert.", sagte Viktor. Ups hatte ich das etwa laut gesagt?! Wir mussten beide auflachen.
Zusammen gingen wir dann rein, da es schon wieder Zeit fürs Abendessen war.
"Oh hey Till", hörte ich Viktor sagen, als er vor mir in die Küche trat. Ich hatte ihn seit heute Mittag nicht mehr gesehen. Direkt meldete sich die Nervosität wieder, verteilte sich in meinem Körper und ließ mein Herz schneller schlagen. "Hey.", kam es abweisend von ihm und sein Blick ruhte direkt auf mir, als ich dann auch die Küche betreten hatte und mich neben Viktor stellte. Sein Blick huschte kurz zwischen ihm und mir hin und her. Mein Blick wurde misstrauisch. Was war schon wieder los? Wo war der Till von heute Mittag geblieben?
Er schnappte sich seinen Teller und ging dann ohne ein weiteres Wort an uns vorbei um sich in den Speisesaal zu setzten. Schnell machte ich mir auch was zu essen und folgte ihm an seinen Tisch. Ich setzte mich gegenüber hin und musterte ihn. "Was guckst du so blöd?", sagte er. Sein scharfer Ton ließ mich zusammenzucken. "Ich... Also ich...", stotterte ich mal wieder total nervös. Mein Gott wieso reagierte ich so auf ihn?! Das konnte doch echt nicht wahr sein. "Sorry.", brachte ich dann nur hervor und widmete mich meinem Essen vor mir. Direkt war wieder eine angespannte Stimmung in der Luft. So als hätte es das heute Morgen nicht gegeben. Und als würde ich nach einem Beweis suchen, dass es doch stattgefunden hatte, schaute ich auf meine immer noch verbundene Hand.
"Hast du noch Schmerzen?", fragte er mich plötzlich. Überrascht und verwirrt zugleich schaute ich auf. "Ne geht schon.", murmelte ich und senkte wieder meinen Blick. Ich wollte ihn ja nicht wieder blöd anglotzen. Ich hörte ihn leise seufzen bevor er ein "Martha?" von sich gab. Wieder hob ich meinen Kopf und guckte ihn fragend an. "Gilt dein Angebot mit dem Freunde sein noch?" Bitte was?! Total überfordert starrte ich ihn mit leicht geöffnetem Mund an. "Klar. Also wenn du willst.", sagte ich dann überraschend gefasst. Innerlich jedoch, schrie ich gerade das ganze Internat zusammen.
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What if?
FanfictionTill war schon immer der Anführer, der Chef. Egal ob in seiner Gang, in der Staffel oder bei dem Krieg zwischen den Sportlern und den Einsteinern. Doch was passiert, wenn ihm plötzlich alles genommen wird? Was ist, wenn ihm nichts mehr bleibt außer...