2. Kapitel: Geschichten aus England

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Hallo zurück. Hier kommt Kapitel 2. Viel Spaß beim Lesen.
PS.: Es wird wahrscheinlich immer sonntags ein neues Kapitel geben, und wenn mir danach ist, ein weiteres am Mittwoch.


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2. Kapitel: Geschichten aus England


Einen langen Moment starrte Draco die Frau vor sich wortlos an, musterte sie von dem hübschen, lä­chelnden Gesicht bis hin zu den Füßen, die in hellen Pumps steckten. Natürlich kannte er sie, aber sie war der letzte Mensch, den er hier erwartet hatte. Zudem hatte sie sich verändert, ihre Miene wirkte trotz eines Restes kindlicher Züge ernsthaft und bodenständig. Anstelle einer Robe trug sie ein Muggelkleid. Ein verwunderter Ausdruck huschte angesichts seiner fehlenden Reaktion über ihr Gesicht, sodass er sich schließlich einen Ruck gab und antwortete: „Hallo, Astoria."
Einen weiteren Moment sah er sie schweigend an, dann fragte er das Erste, was ihm in den Sinn kam: „Was machst du hier?"
Sie lachte. „Meinst du hier in Frankreich oder hier in der Kneipe?"
„Beides."
Sie zuckte die Schultern und strich eine Strähne ihres langen Haares zurück. „In Frankreich bin ich, weil ich in der Botschaft arbeite, und hier bin ich, weil das hier die Stammkneipe meiner Kollegen ist."
„Du arbeitest in der Botschaft", wiederholte Draco und runzelte die Stirn. Als er Astoria Greengrass zum letzten Mal gesehen hatte, war sie gerade sechzehn gewesen, hatte einen Bruder und ihr Eltern­haus im Krieg verloren und stand vor den Trümmern ihres Lebens. Ähnlich wie er, nur dass ihre Fa­milie nicht von der Gesellschaft verachtet wurde. Weil sie nicht zu den Feinden gezählt hatte. Weil Edmund Greengrass kein Mal trug. Und jetzt war sie in Frankreich, erwachsen und selbstbewusst, und erzählte ihm etwas von ihrem Job. Sie sollte nicht hier sein. Sie stellte eine Verbindung zwi­schen seinem alten und seinem neuen Leben her und das wollte Draco auf keinen Fall. Der Krieg und die Todesser warfen einen Schatten über seine Vergangenheit; sie sollten nicht auch noch einen über seine Zukunft werfen.
Mittlerweile sah Astoria aus, als wüsste sie nicht mehr so recht, ob es eine gute Idee gewesen war, ihn anzusprechen. Nervös fuhr sie sich übers Haar und zupfte am Kragen ihres Kleides. „Hör mal, Draco, wenn du nicht mit mir reden willst, okay. Ich wollte nur mal Hallo sagen, weil ich dachte ... ach, keine Ahnung, du warst ja mal mit Daphne befreundet und ... ist auch egal, ich bin schon wie­der weg. Tschüss."
„Tschüss", erwiderte Draco, aber sie war schon fort. Er schaute ihr hinterher, wie sie sich zwischen den Tischen hindurch zu einem runden Tisch schlängelte, an dem sich etwa ein Dutzend junge Er­wachsene drängten, und neben einem Mann in seinem Alter auf die Bank rutschte. Einen Moment später war sie in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Sie drehte sich kein einziges Mal zu ihm um. Tief in Gedanken öffnete Draco die Tür und trat in die milde Nachtluft hinaus.


***


Am nächsten Morgen verließ Draco sein Bett erst, als die Sonne schon hoch über Paris stand. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand trat er ans weit geöffnete Schlafzimmerfenster und sah hinaus. Es versprach, ein sonniger Tag zu werden; kaum ein Wölkchen war am Himmel zu sehen. Die beiden Jogger auf der Straße trugen kein Oberteil und die Frau mit Hund und Kinderwagen auf der anderen Straßenseite hatte einen knappen Rock und ein Top kombiniert. Ein leichter, aber war­mer Wind strich über Dracos Haut und Haar. Es roch nach Sommer. Er beschloss, es den Männern auf der Straße gleichzutun und seine übliche Strecke ausnahmsweise morgens zu joggen.
In seinem Jahr auf Beauxbatons hatte Draco sich angewöhnt, morgens vor dem Frühstück eine hal­be Stunde fliegen zu gehen. Quidditch war dort nicht so wichtig wie in Hogwarts, doch allen Schü­lern, die eine Prüfung abgelegt hatten – was üblicherweise schon Mitte des ersten Jahres geschah -, war erlaubt, im Außenbereich des Schulgeländes zu fliegen. Manchmal hatte Draco Muggelgolfbäl­le zum Fliegen mitgenommen, wie er es aus dem Quidditchtraining in Hogwarts kannte; manchmal war er nur durch die Luft gerast, so schnell er konnte, und hatte sich auf den Wind in seinem Haar und seinem Gesicht konzentriert. Fliegen half ihm, abzuschalten und zu vergessen, was in England passiert war.
Als er auf der Académie angefangen hatte, war das Fliegen schwieriger geworden. Zwar lag hinter der Universität ein Stadion, in dem auch Quidditch gespielt werden konnte, doch da seine Kurse nun früher begannen, hätte er sehr früh aufstehen müssen, um dort zu fliegen. Deshalb hatte er begonnen, in den frühen Abendstunden Laufen zu gehen, was genauso gut tat und in dem Muggelviertel, in dem seine Wohnung lag, wesentlich unauffälliger war.

Eine Hexe in ZivilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt