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Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht darüber nachdachte. Über unser Zusammentreffen. Aber ich wollte nicht daran denken. Es war einfach nur verrückt. Er war verrückt. Doch ich auch. Ich hatte es erwidert, mit dem Wissen, dass ein Mörder meine Lippen berührte. Wie konnte es überhaupt nur dazu kommen? Ich seufzte. Das alles war einfach nur überfordernd und kompliziert. "Alles gut?" fragte der Blondschopf neben mir. Ich sah zu ihm. kurz zögerte ich ehe ich nickte. "Ja, alles bestens!" lächelte ich. Erst sah er mich noch musternd an. Dann erwiderte er mein Lächeln. "Wo warst du eigentlich?" das war mein Bruder, der ebenfalls neben mir saß. Wir waren gerade, im Taxi, auf dem Weg zu Polizeiwache. Ich ahnte, dass er schon die Lösung hatte auf das Rätsel. Gerade wusste ich nicht mehr, ob ich überhaupt noch an diesem Fall sitzen wollte. Ich hatte so schon etwas verpasst, aber andererseits wollte ich weiterhin daran bleiben. Wir hatten nur noch eine Stunde Zeit. "Etwas wichtiges erledigen." antwortete ich an meinen Bruder gewandt. Ich versuchte es so glaubwürdig wie möglich rüber kommen zu lassen. Natürlich würde genau das schwer sein. "Du lügst." meinte er schlicht und augenblicklich spannte ich mich an. "Bei beiden deiner Antworten." fügte er noch hinzu. Ich lachte falsch auf. "Wir hatten doch abgemacht, dass wir die Gefühle anderer nicht ansprechen, wenn man nicht will." sagte ich mit einem bissigen Ton. Es stimmt. Wir hatten uns vor Jahren schon das hier geschworen. Wenn ich log, vor allem, ob es mir gut ging. Da sollte er es einfach nicht ansprechen. Ich würde nämlich nicht darüber sprechen wollen. Sonst würde ich ja nicht lügen, oder? Nun spannte sich auch Sherlock sichtlich an. "Es hat aber nicht damit zu tun, dass du einfach so, mitten in den Ermittlungen, verschwindest!" sagte er aufgebracht. "Das ist mir bewusst, Sherlock. Doch es war etwas Wichtiges." stellte ich klar und sah ihm ins verständnislose Gesicht. "Und was war das 'Wichtige', dass du sogar das Leben der alten und blinden Frau links liegen hast lassen?" fragte er wutentbrannt. Das kam sehr selten vor, dass er so wütend wurde. Abwartend blickte er mir in die Augen. Ich schwieg. Ich wollte es ihm nicht sagen, aber wenn ich wieder ausweichen würde. Dann würde er weiter drauf eingehen. Also wendete ich genervt den Blick von ihm ab und schloss meine Augen. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, Jim alleine zu konfrontieren. Hieß er überhaupt Jim oder war es sein falscher Name? Na ja, wenn ich nicht so zielorientiert dem Mörder begegnen hätte wollen, dann wäre das alles nicht passiert. Ich würde mir immer noch unsicher darüber sein, ob er es war. Er hätte mich nicht geküsst und ich wäre einfach unauffällig geblieben. Und es gäbe jetzt keine Auseinandersetzung mit meinen Bruder. Vor allem wäre ich mit Informationen gefüttert um diesen Fall lösen zu können. Nun war es ja schon zu spät, also konnte ich es nicht mehr ändern. Der Rest der Fahrt verlief sehr ruhig und Keiner sagte etwas. Nach einer Weile waren wir auch schon am Zielort. Wir stiegen aus und Sherlock bezahlte den Fahrer. Dann steuerten wir das Büro von Lestrade an. Jenni war auch wieder da. Sie kam auf mich zu und begrüßte mich, was ich lächelnd erwiderte. Sie merkte schnell, dass man im Moment nicht gut mit mir reden konnte, also wandten wir uns ihrem Bruder, der sich gerade zu Sherlock wandte, zu. "Raoul de Santos ist der Mörder." teilte Sherlock uns allen mit und überreichte Inspektor Lestrade eine fette Akte. "Der Hausangestellte von Kenny Prince." Ich hatte es geahnt. Er hatte die Lösung bereits. Sherlock sprach weiter. "Die zweite Autopsie zeigt, dass Connie Prince nicht durch Tetanus vergiftet wurde. Es war Botulinum toxin." Greg nahm die Akte an und hörte geduldig zu. "Das hatten wir doch schon Mal. Carl Powers, ta-ta." rieb Sherlock es ihm noch unter die Nase und ehrlich gesagt konnte ich nicht widerstehen hämisch zu grinsen. "Unser Bombenleger wiederholt sich." "Und wie hatte er das gemacht?" fragte Greg. "Botoxinjektion." antwortete der Detektiv schlicht. "Botox?" das war Jenni. "Botox ist eine verdünnte Form von Botulinum." erklärte er genauer. "Raoul de Santos hatte auch die Aufgabe, Connie regelmäßig ihre Gesichtsinjektion zu geben." Ja, das machte wieder mal Sinn und passte zusammen. "Von meinem Kontakt im Innenministerium hab ich die Unterlagen über Raoul's Internetkäufen." sagte der Lockenkopf. Ich merkte, wie der Blondschopf meinen Bruder sichtlich entgeistert ansah. Wunderte mich nicht. Ehrlich nicht. "Er hat über Monate große Mengen an Botox bestellt. Er wartete auf den richtigen Moment und spritzte dann die tödliche Dosis." "Sind Sie sich si-" Sherlock unterbrach den Inspektor. "Ganz sicher." Seine Stimme klang fest davon überzeugt. John zog Sherlock kurz zur Seite. Wahrscheinlich, weil Sherlock die Antwort, die Lösung schon längst wusste. Eigentlich war das schlau, was er machte. Sollten wir einen weiteren Rätsel bekommen, hätten wir vielleicht länger Zeit dafür. Sherlock setzte sich an den Schreibtisch und widmete sich dem Laptop von Greg zu. Darauf tippte er wieder energisch auf die Tasten, aber kürzer und schneller als das letzte Mal. Nachdem er die letzte Taste drückte, klingelte schon das rosafarbene Handy. Abrupt nahm Sherlock den Anruf entgegen, aber diesmal ohne auf Laut zu stellen. "Hallo?" Sherlock war konzentriert. Wir alle hörten gespannt zu. Es hing hier nun um das Leben einer alten Frau. Sherlock sprach mit Druck weiter. "Sagen Sie mir wo Sie sind. Ihre Adresse." Wir warteten. Jede weitere vergangene Sekunde brachte mich zum zappeln. Augenblicklich wurde der Detektiv panisch und sagte "Nein! Nein! Nein! Sie dürfen mir auf keinen Fall etwas über ihn sagen!" Nein....... Sherlock stockte. Der Anruf wurde automatisch aufgelegt und wir alle sahen ihn hin- und her-gerissen an. Unwissend was gerade geschah. "Hallo?" fragte Sherlock noch mal nach, doch es brachte anscheinend nichts. "Sherlock..sag mir nicht...." hauchte ich schwach und versuchte seinen Blick zu fangen, doch er würdigte mich keines Blickes. "Was ist passiert?" fragte nun John nach. Mein Bruder nahm langsam das Handy runter und starrte in die Luft. Keine Emotionen oder Gefühle, keine Gedanken oder Überlegungen. Einfach trübe, leere Augen verarbeiteten das eben geschehene. Dann presste er bedrückt seine Lippen gegeneinander. Ich stockte. Mir stockte der Atem. Würde das auch mit mir passieren, wenn ich Sherlock und John erzählen würde, dass ich den Bombenleger schon kannte? Nun gelangte es zu uns. Uns Alle traf die Erkenntnis. Wir alle waren umgeben von bedrückter Stille. Jenni murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass ich mich, selbst nur für einen kurzen Moment, dem 'Mörder' hingegeben hatte. Ich spannte mich augenblicklich an und lief langsam auf eine Wand zu. Dort stützte ich mich, gebeugt, mit meinen Händen ab und kniff gequält die Augen zusammen. Niemand wusste, was man sagen sollte und am liebsten ließ man es auch dabei. Eine Träne tropfte hinunter. Und noch eine und eine weitere. Ich weinte, aber nicht wegen dem Tod der Frau..Sondern, dass ich noch faszinierter von Jim war. Warum?! Warum faszinierte er mich immer noch?! Ich konnte es nicht verstehen. Ich konnte mich selbst nicht mehr verstehen! Er hatte verdammt noch mal das Leben einer Frau auf dem Gewissen! Eigentlich sogar mehrere Leben! Also warum!? "Scheiße." murmelte ich und im nächsten Moment legte sich eine Hand auf meinem Rücken. Ich wusste nicht wer es war, aber so wie sie sich anfühlte, musste es Jenni sein. Ich stellte mich wieder etwas aufrecht hin, stützte aber weiterhin meine Hände an der Wand ab. "SCHEIẞE!" schrie ich diesmal aufgebracht und schlug mit meiner geballten Hand, so fest ich nur konnte, gegen die kahle, weiße Wand. Niemand erwiderte etwas. Aber ich spürte die mitleidigenden Blicke auf mir. Das alles war doch verrückt!

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 07, 2020 ⏰

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