Kapitel 18 - Zurück in die Zeit V

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Andrès POV, 3 Tage nach Mias Verschwinden [1 Tag nach dem Suizidversuch]:

"Hier waren wir", sagte ich, und nickte der Fassade zu. Riccardo, Julian und ich standen vor dem klassischen Café am Straßenrande. Das Café, in dem Mia und ich saßen. In das sie sich verliebt hatte. Beobachteten die älteren Paare, die drinnen saßen und die kleinen Kinder, die spielend an uns vorbeizogen.

Eine Nacht davor hatte ich mit ihr geschlafen.

Ich erinnerte mich zurück.

Ich habe sie die kurze Hose nicht anziehen lassen.

Gott, wenn ich sie nur kurz darin sehen könnte. Ich würde sie -

"Wo ist das Haus?"

"Ganz oben", entgegnete ich.

"Nicht dein Ernst, oder?"

"Hab dich nicht so."

Julian lief uns voraus, wir beide hinter ihm her. Es machte kein Sinn für mich, ein Hotel aufzusuchen. Ich wusste nicht, wie lange ich untertauchen sollte. Ich wusste nur, dass ich mich von all dem fernhalten wollte.

Meinetwegen mit Gewalt.

Daher wurde es eine kleine, aber spezielle, Unterkunft.

"Hey, Andrès."

"Hm?"

"Wann hast du das erste Mal mit ihr geschlafen?"

"Hier. In Scicli."

Riccardo grinste amüsiert und Julian blieb stehen, bis wir ihn erreichten. Er zückte augenrollend sein Portemonnaie. 

Was läuft denn hier?

Dann drückte er Riccardo zwanzig Euro in die Hand. 

"Wollt ihr mich verarschen?"

"Ich habe darauf gewettet, seitdem wir hier in Scicli angelegt hatten. Deine Fresse war unübersehbar."

Diese Wichser.

Aber es stimmte. Wir sind mit meiner Yacht hier angereist. Mia hätte ich gerne mal mitgenommen. Aber wie es aussah, hatte die Zeit nicht ausgereicht gehabt. Und seitdem wir hier waren, hatte ich das Gefühl, sie förmlich riechen zu können.

Mir schwebten Bilder vor dem Kopf, wie sie sich auf der Yacht an den Seilen festhält und ihre Haare im Wind wehen würden.

Ich war beinahe besessen nach ihr.

Die Zeit für mich wird mir gut tun. Würde ich sie jetzt sehen, würde ich vermutlich ausarten und noch schlimmer dran sein als Riccardo.

Wir erreichten bald das Haus. Der höchste Bau der Stadt, auf einem eigenen Hügel und ein absolutes Architektenwunder. Es barg einen außergewöhnlichen Panorama-Ausblick auf die kleine Stadt. Alles war aus Glas und Holz. Es war nicht von dieser Welt.

Oben angekommen, klärte Riccardo ein paar Anrufe. Man sollte einen leeren Sarg begraben. Ohne, dass La Familia Wind davon bekommen sollte.

Als er das Telefonat beendete, wandte ich mich an ihm: "Scheiße, ich kann das Madre nicht antun."

"Camilla wird schon drüber hinweg gekommen", sagte er und winkte mit der Hand lässig ab.

"Nein wird sie nicht. Sie wird noch einen Herzinfarkt erleiden."

"Eine Woche, Andrès. Gib mir eine Woche, dann kläre ich sie auf. Bist du sicher, dass-"

"Absolut. Du kannst ihr vertrauen."

Riccardo nickte mir zu. Sein Telefon läutete und er lief davon.

"Julian?"

"Signor? - Äh, ich meine...ja, was kann ich für dich tun?"

"Du hast ne Menge Zeit mit Mia verbracht. Sag mir, glaubst du, dass das alles...gelogen war?"

Er lächelte kurz und senkte den Kopf zu Boden.

"Julian? Ich will nicht dämlich klingen, aber ich mach mir gleich in die Hose. Grins nicht so doof, sondern beantworte verfickt nochmal meine Frage."

"Bis zum letzten Augenblick hat ihre ganze Aura quasi nach dir geschrien. Und sie hat Bange gehabt...um mein Leben. Ihre Augen haben nur eins signalisiert: Ich will nicht, aber ich muss. Sie ist zwar dort, aber ihre Seele ist hier. Glaub mir."

"Warum, denkst du, hat sie nie in Erwägung gezogen, nochmal hierher zu kommen? Denkst du das wird sie? Für die...Beerdigung?"

"Auf keinen Fall, Andrès. Sie steht unter staatlicher Beobachtung. Außerdem käme es ziemlich schräg, entführt zu werden und dann wieder in das selbe Land einzureisen. Ein Shitstorm und Terror würde sie erwarten, jeder würde ihre Vergangenheit in Frage stellen."

Ich fasste mir mit den Fingern an die Stelle zwischen beide Augen. Das würde ich ihr nicht antun wollen.

"Außerdem denkt sie, dass du...tot bist. Sie würde nicht mit der Erwartung hierher kommen, dass du es vielleicht eventuell doch nicht bist. Wenn du weiß was ich meine."

"Ich frage mich, wie sehr sie das mit zieht. Klingt das egoistisch?"

"Das klingt psychopathisch."

"Julian, du Spast!", meine Augen weiteten sich und ich lachte los.

"Sorry, aber wir sind ja jetzt auf freundschaftlicher Ebene", er hob entschuldigend die Arme in die Luft und lächelte warm.

Ich kann mir vorstellen, warum Mia mit ihm befreundet sein wollte.

"Bedenke, dass Mia gerade mit allem zu kämpfen hat. Mit der Heimreise, der Schwangerschaft, ach und natürlich mit ihrer Mutter. Der eigentliche Grund ihrer Flucht."

"Stimmt."

"Die Gerichtsverhandlung dürfen wir auch nicht vergessen."

"Gerichtsverhandlung?", meine Ohren horchten auf und ich sah ihn verwirrt an.

"Ganz genau. Die Freundin von Mia ist umgekommen, hast du das vergessen? Australien ist ein Land der Rechte und Gesetze. Man wird Mia in Rechenschaft ziehen müssen."

"Rick!", brüllte ich durch das ganze Haus. Schon kam er angedackelt.

"Meister?"

"Mia wird vor Gericht aussagen müssen. Wegen Zara Hamilton."

Riccardo zuckte mit den Schulter, das Handy in der Hand haltend: "Und jetzt?"

"Du musst sie da raus holen."

"Wie das?"

"Okay. Tätige den scheiß Anruf und dann setz dich hierhin. Am besten du hast Stift und Papier parat. Wir werden nicht nur den Tod inszenieren, sondern den ganzen Aufenthalt von Mia."

"Geht klar", er entfernte sich.

Julian sah mich erstaunt an: "Und wie willst du das hinkriegen?"

"Das ist einfach. Wir kaufen den Richter, den Verteidiger und mindestens einen Zeugen."

"Was ist mit dem Staatsanwalt?"

"Komm schon, das ist ein wenig zu viel des Guten, oder?"

"Welchen Zeugen willst du einschleusen?"

In dem Moment kam Riccardo. Das Handy in der Tasche gesteckt, Papier und Stift in der Hand haltend.

Er blickte uns fragend an.

Ich zeigte mit dem Kopf zu ihm: "Den da."

Ich habe Lust auf ein weiteres Kapitel **roten Wangen

~Mirina

If You Love Me Stay With Me [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt