Kapitel 4[2/2]

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Taehyung hat Jimin den ganzen Tag nicht gesehen und merkt, dass er den gesprächigen Omega vermisst. Er fragt Jahnu, der zu ihm gekommen ist, wo sein Herr ist, aber dieser schüttelt nur den Kopf. Nachts wird er abgeholt, und der Omega geht pflichtbewusst in die Wohnung des Alphas, in der Hoffnung, diesmal wirklich mit Hoseok zu sprechen und alles zu klären. Die Wohnung ist leer. Taehyung wandert durch diese und dann, nachdem er den ersten Film über den Plasma-Fernseher an der Wand angemacht hat, schläft ein.

Taehyung sieht, wie Son zieht ihn an die Haare auf den Felsvorsprung, zu dem der Omega als Kind oft lief, um den felsigen Fluss zu betrachten, der unten fließt. Sein Vater folgt Son, schwingt mit dem Elektrorasierer in die Luft und droht, ihm den Kopf kahl zu rasieren. Taehyung schreit, bittet sie ihn loszulassen, es tut ihm weh, als würde Son ihm die Kopfhaut beim lebendigen Leibe abnehmen, aber der Alpha hört nicht zu, zieht ihn an die äußerste Kante und zwingt ihn, nach unten zu schauen. Auf den blutbefleckten Steinen darunter mit unnatürlich verdrehten Gliedmaßen liegt ein grauer Wolf, um den Geier kreisen. Taehyung glaubt es nicht, "der graue Wolf ist der Stärkste" wiederholt wie im Delirium und weint, erstickt vor Verzweiflung. Es scheint ihm, dass er jetzt an seinen eigenen Tränen ersticken wird und sein Vater und Son nichts weiter tun müssen.

Hoseok blieb bis spät in die Nacht bei einem Treffen und traf sich danach mit einem langjährigen Bekannten, mit dem er ein paar Gläser Cognac trank. Hoseok wollte unbedingt nach Hause, zu dem Omega, aber gleichzeitig trainierte er sich selbst und verbot sich, bei der ersten Gelegenheit auf ihn zu zustürmen.

Er geht ins Schlafzimmer und merkt, dass der Omega eingeschlafen ist. Hoseok nimmt vorsichtig die Fernbedienung aus den Händen, schaltet den Fernseher aus und geht unter die Dusche, wobei er den Omega vorher mit einer Decke bedeckt. Als der Alpha ins Schlafzimmer zurückkehrt, sieht er, wie Taehyung sich auf dem Bett herum wälzt und in einem Traum wimmert. Hoseok klettert aufs Bett, umarmt ihn, küsst seine verschwitzte Stirn und merkt sofort, dass er einen Albtraum hat.

"Das ist nur ein Traum, Tigerchen, wach auf", drückt er ihn näher an sich, fährt mit den Lippen über die Schläfe. Hoseok hält in seinen Händen die Zärtlichkeit und Zerbrechlichkeit selbst, er fährt sanft mit den Fingerknöcheln über sein schönes Gesicht, bewundert ihn. Hoseok umarmt ihn als ob die ganze Welt in seinen Händen liegt. Er hat keine Ahnung, was und wie dieser Omega es macht, aber er liebt ihn.

Taehyung öffnet seine Augenlider, sieht den Alpha mit einem gläsernen Blick an, umarmt ihn und nickt dann wieder ein. Er drückt ihn so sehr an sich, dass Hoseok denken möchte, dass er in seinem Traum nicht derjenige war, vor dem der Omega Angst hatte, sondern derjenige, um den er Angst hatte. Er zieht ihn an sich und, ihn noch fester drückend, schläft er ein. Der Alpha geht im Morgengrauen, es stört den Omega nicht.

***

Die letzte Nacht hat Taehyung verkackt. Als er aufwachte, fand er ein leeres Bett vor und schrie aus Wut auf sich selber und dazu noch auf den Alpha, der zu ihm gekommen war, doch dann entschuldigte er sich gedanklich. Taehyung kann sich nicht erinnern, wovon er geträumt hat, aber es war definitiv etwas Schlimmes, weil er völlig gebrochen aufgewacht ist. Er beschloss nicht darüber nachzudenken, warum Hoseok, der nach Hause gekommen war, ihn nicht geweckt hatte, warum nahm er nicht das, wofür er hier gehalten wird, und widmete sich stattdessen wieder den ganzen Tag Monologen mit sich selbst, wo er versuchte, seinen Standpunkt vor dem Alpha zu verteidigen.

Am Abend, als er abgeholt wird, ermutigt er sich gedanklich, folgt dem Alpha und stellt überrascht fest, dass sie nicht in die oberste Etage zu Hoseok, sondern zu Jimin gehen. Taehyung, der seit zwei Tagen nicht aus seinen Röhrenjeans und seinem gedehnten Pullover raus kam, stampft auf die Schwelle des Wohnzimmers, sieht die Diener, die um einen großen rechteckigen Tisch herum huschten an, und den schön gekleideten Jimin, der diesen über den Schultern schaut, und weiß nicht, wo er hin soll.

Zehn Nächte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt