Kapitel 1[1/3]

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Er kehrt alleine nach Hause zurück, gibt seinen Leuten frei, lässt das Auto direkt vor dem Büro stehen und beschließt einen Spaziergang zu machen um seinen Kopf frei zu bekommen, welcher am Ende des Tages bereits überkocht. Mit langsamen Schritten geht er den Bürgersteig entlang, bewundert den Vollmond, bleibt plötzlich stehen und lauscht dem Geräusch, das von irgendwo unterhalb der Straße kommt. Er hört fremde, vorfreudige Gedanken, fühlt die Angst eines anderen und das hektische Schlagen eines menschlichen Herzens. Die Wölfe erwischten ein weiteres Opfer, das dumm genug gewesen war, die Grenze zu überqueren und auf ihrem Territorium zu landen. "Dummer Mensch", denkt er, geht aber trotzdem mit einem faulen Gang in die Richtung, aus der die Stimmen kommen - nur Spazieren ist langweilig.

Ein Omega. Das wird ihm an dem leichten Orangenduft klar, welcher von einem Kerl kommt, der einen riesige schwarze Hoodie mit Kapuze an hat . Er stoppt zehn Schritte vor zwei großen Wölfen, anscheinend aus der dritten Liga, die den Omega an die Wand drängen, und stößt ein gutturales Brüllen aus. Die Wölfe, die den zukünftigen Anführer des Rudels erkannten, zogen ihre Schwänze ein und stürmten jammernd in alle Richtungen. Er wirft einen gleichgültigen Blick auf den Omega, der sich an die Wand gedrückt hat, dreht sich um und geht weg.

Der Lärm um ihn herum war bereits vor zehn Minuten abgeklungen doch Taehyung sitzt immer noch in der Hocke, die Handflächen an sein Gesicht drückend und rührte sich nicht. Er wusste, wohin er ging, wusste, was ihn hier erwarten würde, überschritt aber dennoch die Grenze. Die beiden Wölfe, die ihn vor ein paar Minuten angegriffen hatten, erschreckten den Omega nicht so sehr wie der Schatten des dritten an der linken Wand, was Taehyung genügte, um seine Augen fest zu zukneifen. Er weiß nicht, wie er nicht in Ohnmacht gefallen ist, wie er von seinem Gebrüll nicht grau geworden ist. Taehyung holt tief Luft, öffnet schließlich die Augen und merkt, dass er auf der Straße absolut alleine ist. Omega hat keine Ahnung, was zwischen den Wölfen passiert ist und wohin sie verschwunden sind. Während er die Schnürsenkel der Kapuze festzieht, löst er sich von der Wand und geht weiter. Seine letzte Chance lebt in dieser Stadt, und wenn diese nicht klappt, wäre es vielleicht gar nicht so schlimm, von Wölfen zerrissen zu werden.

Es ist nicht schwierig, den W-Tower zu finden, der sich im Herzen von Lykan, der Stadt der Wölfe, befindet. Die ungewöhnliche Architektur des Hochhauses ist dank der Beleuchtung, welche flackernde Flammen darstellt, fast von jedem Teil der Stadt aus sichtbar. Taehyung schickt eine SMS an Kwangsoo, dass er auf ihn unten wartet, und tritt vor die gläsernen Drehtüren, die ständig von jemandem betreten und verlassen werden. Seltsamerweise achtet niemand auf den Omega und auch wenn er den gesamten verbleibenden Weg zum Gebäude auf Wölfe traf, vor denen er es nicht schaffte sich zu verstecken, gingen diese einfach vorbei.

Als Taehyung endlich Kwangsoo aus der Tür kommen sieht, rennt er sofort auf ihn zu, doch der Alpha packt ihn grob am Ellbogen, schleppt ihn vom Haupteingang weg und lässt ihn erst los, nachdem sie sich auf der Seite des Gebäudes befinden, wo sie die durch Bäume vor anderen Augen verborgen sind.

 "Was machst du hier?" fragt Kwangsoo verärgert  und schaut sich nervös um.

Vor einem Jahr, während eine Delegation von Wölfen, die von einem bereits verstorbenen Anführer angeführt wurde, der Menschensiedlung einen Besuch abstattete, lernte Taehyung Kwangsoo kennen. Der große, gutaussehende Alpha gehörte  zur der Wache des Anführers. Eine flüchtige Kreuzung von Blicken, bei der das Interesse nur auf einer Seite aufflammte, und schon am Abend desselben Tages erhielt Taehyung eine Nachricht mit dem Ort und der Zeit des Treffens. Taehyung antwortete mit einem kurzen "Nein" und vergaß den Alpha, der aber am nächsten Tag an dem Teich erschien, wo der Omega stundenlang gern saß, immer wenn er von zu Hause weggelaufen war. Taehyung verstand sofort Kwangsoos Absichten, im Bezug auf ihn, denn aufgrund seines strahlenden Aussehens, waren sie bei allen gleich. Er sagte Kwangsoo ehrlich, dass er interessiert ihn nicht als ein Alpha und bat ihn, nicht wieder zu kommen. Der Wolf war hartnäckig und bald kam Taehyung nicht nur an den Teich, um zu sitzen, sondern auch um mit dem Alpha zu plaudern, der trotz der Zusicherung des Omegas, dass sie nichts als Freunde sein konnten, immer noch nicht aufhörte zu sagen, dass er verliebt und sogar bereit sei mit ihm eine Familie zu gründen.

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