Ein unbeachteter Koffer und der Third-hand-laden

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Neala wachte sehr früh auf und konnte einfach nicht mehr liegen bleiben. So beschloss sie für ihre Familie Frühstück zu machen. Sie schlich auf Zehenspitzen zu ihrem Schreibtisch um ihren Antendoit zu bestaunen. Das Mädchen konnte es immer noch nicht fassen, dass sie ihn bekommen hatte. Aber am allermeisten freute sie sich auf den morgigen Tag. Endlich durfte sie in die Schule der Antheten gehen. Von Felix hatte sie so viele Geschichten von dort gehört, das sie es kaum erwarten konnte, selbst Erfahrungen zu sammeln.

Schnell zog Neala sich etwas drüber und huschte leise in die Küche. In einer Schüssel versprudelte sie fünf Eier, würzte sie etwas und lehrte das Ganze in eine heiße Pfanne. Schon nach einer Minute hörte sie Schritte auf der Treppe und Sekunden danach, lugte Felixs Kopf zur Tür herein. „Rührei!" meinte er und schnüffelte mit hoch erhobener Nase. Neala musste lachen. „Wie ein Spürhund auf Drogen suche. Komm du bist für den Rest zuständig." Gemeinsam deckten sie den Tisch. Als sich nun auch der Kaffeeduft im ganzen Haus verteilte, dauerte es nicht lange und die ganze Familie saß in der Küche beim Frühstück. Neale war in ihren Gedanken versunken, als ihr Vater zu sprechen begann. „Felix kann dir in der Schule alles zeigen, deine Mutter und ich werden morgen leider nicht mitgehen können." Er warf einen prüfenden Blick auf seinen Sohn und fügte hinzu: „es sollte keine Probleme geben, haltet euch nur von den Kyrogs fern. Mit denen solltet ihr euch nicht abgeben. Sie sind unfreundlich und haben keinen guten Charakter." Er machte eine kurze Pause und sah dann seine Frau an. „ Milly, ich glaube die Kyroges haben einen Sohn in Nealas Alter, oder?" Seine Frau zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Ich glaube Neala wird sich bestens in der neuen Schule zurecht finden. Felix hat ihr doch schon so viel erzählt, sogar die Lehrer kennt sie bereits von den Schulfesten. Es wird keine Probleme geben, auch nicht mit den Kyroges." Sie stand auf und reichte Neala einen neuen Rucksack. „Hier kannst du noch einige Dinge einpacken, du weißt schon für deine Handschuhe und so."
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Azuro streckte sich in seinem Bett und gähnte laut. Da fiel ihm der Antendoit ein, den er gestern gefunden hatte. Er hüpfte aus dem Bett, schnappte sich das Glas und wollte schon die Stufen zur Küche hinunterlaufen, als er seine Mutter mit lauter Stimme, hektisch hin und her eilen sah. „Hast du nun endlich alles beisammen, Penelope? Immer alles auf den letzten Abdrücker. Ihr wisst genau, dass wir heute noch einen sehr wichtigen Termin haben. In zehn Minuten sind wir weg!" Azuros große Schwester verdrehte nur die Augen und packte lustlos ein paar Sachen in ihren Koffer. Nun wusste Azuro nicht wirklich wo, oder bei wem sie einen Termin hatten, aber er wollte auf jeden Fall mit. Seinen Trolly hatte er bereits seit Tagen gepackt, da morgen die Schule für ihn begann und alles für ihn Neuland sein würde. Auf keinen Fall wollte er dort schmuddelig und ungebügelt aussehen. „Mum wird Augen machen, wenn sie für mich nichts mehr zu packen hat", freute sich Azuro und zog sich schnell um, richtete sich seine Haare und ging mit dem Koffer im Schlepptau hinunter. Seine Schwester starrte ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Was machst du denn mit deinem Gepäck? Die Schule beginnt erst morgen, du Flasche. Wir fahren jetzt unsere Handschuhe einstellen!" flötete sie und grinste höhnisch. „Ah, Azuro! Guten Morgen. Iss noch schnell was, wir sind gleich unterwegs." meinte seine Mutter und lief auch schon in den Garten, um die Wäsche aufzuhängen. Er ließ den unbeachteten Koffer im Flur stehen und machte sich eine Schüssel Müsli.

Azuro beschloss nun, nichts von seinem Fund gestern Abend, zu erzählen. „Ich werde sie alle überraschen. Besonders meine Geschwister. Denen werde ich es zeigen!" dachte er bei sich als seine Mutter im Türrahmen stand und ihre Kinder zusammen trommelte. Im Auto redeten die Frauen ununterbrochen miteinander. Es war ein einziges Gequassel über Schule, Lehrer, Freunde und „Feinde".

Als sie vor dem als „Secondhandladen" getarnten Laden für Antendoitenzubehöhr ankamen, wollte Azuro mit den anderen Austeigen. „Hier geblieben, Kleiner. Du bleibst im Auto!" Antonio drückte seinen Bruder in den Sitz zurück und warf die Autotüre zu. Gleich darauf hörte man ein „Klick" und Azuro wusste, dass das Auto abgesperrt worden war. „Na super, wie soll ich Handschuhe kaufen, wenn ich nicht  raus darf?" dachte er. Doch dann kam ihm eine Idee. Er holte seinen Antendoiten aus seiner Hosentasche, den er zu Hause noch schnell aus dem Gurkenglas genommen hatte. „Antendoit, öffne die Tür!" sagte Azuro und wirklich, die Zentralverriegelung sprang auf. Schnell stieg er aus und verschloss das Auto wieder auf demselben Wege. Kurz überlegte er, ob er einfach so in den Laden spazieren sollte, und „Hi Leute, hab nur mal schnell vorbeischauen wollen...", sagen sollte. Stattdessen ging der in den Thirdhandladen daneben. Dort bekam man gebrauchtes Zubehör. „Geht zur Not doch auch", dachte Azuro und stieß die Tür auf. Nach dem Klingeln der Glocke an der Ladentür, hörte er eine Stimme, die „Herein" sagte. Langsam ging er weiter in den Laden. Er staunte, denn von Innen sah dieser viel größer aus als von außen. Ein paar Regale versperrten die Sicht auf den Tresen. Azuro sah sich um. Eine ganze Regalreihe war mit Anthetenhandschuhen bestückt, die nächste mit verschiedenen Mixturen.

Dann hörte er die Stimme wieder. „Kann ich dir irgendwie helfen, Kleiner?" krächzte sie. Etwas unheimlich fühlte sich Azuro schon, aber sein Opa hatte ihm von diesem Laden erzählt und so sagte er kräftig: „Ja, das wäre sehr nett von ihnen". Kurz danach, kam ein alter Mann, der sehr ungepflegt aussah auf ihn zu. Als er Azuro erblickte, war seine Freude sehr groß. Normalerweise kamen nur ältere Leute, die sich nichts neues leisten konnten, zu ihm. „Hallo, ich bin Nodam", begrüßte er den Jungen freundlich und streckte ihm seine Hand entgegen. „Wer bist du?" „Ich heiße Azuro, freut mich sie kennen zu lernen", antwortete Azuro und schüttelte die angebotene Hand. „Brauchst Handschuhe, was?" stellte Nodam fest und ging mit seinem Kunden zum richtigen Regal. „Na dann wollen wir mal sehen, was wir da finden. Welche Farbe hat dein Stein für dich? Durchsichtig, gelb, grün, rot oder violett?" fragte Nodam fröhlich. Azuro stuzte, der alte Mann hatte die Farbe Blau gar nicht erwähnt. „Blau!"sagte er zaghaft. „Unsinn, aber warscheinlich hat das auf dich so gewirkt. Bei grün ist es manchmal so", erwiderte Nodam, der mit dem Kopf im Regal steckte. Doch gleich darauf, kam er wieder zum Vorschein und hielt ihm ein Paar Leinenhandschuhe hin. „Die dürften passen, probiere die mal." Azuro streifte sie über und sie passten. „Danke, wie viel kosten sie?" fragte er den Alten. Dieser überlegte kurz und meinte dann: "Dreizehn Euro, für dich!" Azuro kam das komisch vor, denn seine Geschwister hatten viel mehr bezahlt. Er wollte gerade etwas erwidern, da sah er Nodam zwinkern und freundlich lächeln. Da Azuro es ja eigentlich eilig hatte, gab er dem Alten das Geld und bedankte sich. Er lief wieder zum Auto zurück, in der Hoffnung, seiner Familie nicht in die Hände zu laufen. Doch als er die Türe öffnete, erwartete ihn ein strenger Blick seines Vaters und ein verwirrter Antonio. „Wo warst Du!" polterte sein Vater los. „Im Anthetenladen", antwortete Azuro. Im selben Moment kam seine Mutter, die ihren Sohn gehört hatte. „Wieso warst du im Thirdhandladen?" fragte seine Mutter und sah ihn verständnislos an. Nun holte Azuro tief Luft und begann die Geschichte vom Fund seines Antentoiden zu erzählen. „Glaubt ihr diesen Schwachsinn wirklich?" meinte Antonio und musterte Azuro argwöhnisch. Sichtlich betroffen meinte seine Mutter:" Tut mir leid, dass ich dir nicht zugehört habe." Sie strich mit ihrer Hand durch seine widerspenstigen Haare und stralte: „Ich bin ja so stolz auf dich!" Azuro sah sie an und freute sich, endlich wurde er mal ernst genommen. „Schon in Ordnung, Mum. Meinen Koffer hab ich schon gepackt!" lachte er.
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Neala kramte in ihrem Schreibtisch herum, sie musste nämlich noch etwas Stoff und Zwirn einpacken. Das Mädchen wollte wieder vier neue Anthetenhandschuhe nähen. Neala hatte als kleines Kind ein Stück Stoff und ein paar Kapseln von einem Anthetenhandschuh-Bauer in die Hand gedrückt bekommen. Gleich darauf, hatte sie sich Nadel und Faden aus der Lade ihrer Mutter geschnappt und angefangen, nach dem Model der Handschuhe ihrer ihres Vaters, selber welche zu nähen. Seitdem hatte sie schon viele Stücke gemacht und ihren Bruder Felix anprobieren lassen. Allerdings... funktionierten die Handschuhe nicht immer richtig , darum murrte Felix immer, wenn Neala mit neuen Werken zu ihm kam. Trotzdem wollte sie ihn morgen fragen, noch einmal Model zu spielen.

Als sie endlich alles was sie für ihre „Reise" in die Schule brauchte eingepackt hatte, bemerkte sie, dass es schon dunkel geworden war. Es klopfte an die Tür. Nealas Mutter kam herein und schaute ihr eine Weile zu, dann sagte sie:" Neala, ist für morgen alles gepackt?" „Ja Mama, ich habe alles gerichtet, glaub mir!" antwortete diese und lachte. „Dann geh bitte bald schlafen, du wirst den Schlaf brauchen. Morgen wird ein anstrengender Tag."

Ich hoffe es gefällt, beim Durchlesen löst die Geschichte starkes Nostalgie-Feeling aus. Thanks for reading😆👍

Antendoit - Abenteuer in einer anderen WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt