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"Was siehst du?"

"Ich sehe ein aufgeschlagenes Heft mit Zahlen. Es sind simple Matheaufgaben. Daneben ist ein Kasten, rot umrandet. Es geht um Rechengesetze. Oben steht "Klammern zuerst!".

"Was siehst du?"

"Ein Schulheft. Das, was wir unseren Kindern beibringen."

"Was siehst du?"

"Ich sehe den Druck, Vergleiche. Die Angst vor der Schule, die Angst vor Klausuren. Die Migräne vom Lernen. Ich sehe Tränen und Panik."

"Was siehst du?"

"Ich sehe keine Kreativität. Ich sehe Logik, ich sehe Mathematik, den Versuch, den Zufall greifbar zu machen. Ich sehe keine Einsicht, dass das Leben ein Konstrukt aus Zufällen ist. Ich sehe keine Bilder, keine Kunst, keine Geschichten, keine Farben, sondern Zahlen."

"Was siehst du?"

"Ich sehe ein Schulsystem, was dem Individuum seinen Platz in der Gesellschaft verbietet. Ein System, welches uns gleichnahmig machen soll, ein System, was hunderte Jahre alt ist und uns einteilt in "dumm", "normal" und "schlau", in "Gymnasium", "Realschule", "Gesamtschule", in "Arbeiter", "Büro" und "Unternehmer." Ein System, was weder zeitgemäß, noch sinnvoll durchdacht ist."

"Was siehst du?"

"Ein System, was dem Individuum seinen Platz in der Gesellschaft vorschreibt. Welches ihm nicht erlaubt, systemkritisch zu denken, sich zu wehren. Welches nicht erlaubt, kreativ zu sein, seine Begabungen und Talente zu finden, welches nicht besonderes Talent fördert, sondern Interesse an Themen wie Physik, Französisch oder Geschichte killt. Es zeigt uns die Welt vor uns nicht als ganzes, es lässt essenzielle Dinge weg. In der Schule ist kein Platz für individuelles Denken, kein Platz für eigene Kunst und Kreativität. Kein Platz für Kritik, sondern nur Platz für stumpfe Leistung."

"Was siehst du?"

"Ich sehe ein Bewertungssystem in Form von sechs Zahlen, welches unsere persönlichen Werke unkritisch und stumpf bewertet, ohne Differenzierung. In der man in der Klasse nur so viel Wert ist wie diese eine Zahl, die der Lehrer teilweise sogar wahrlos verteilt."

"Was siehst du?"

"Ich sehe ein System, welches seit langem von Wissenschaftlern kritisch hinterfragt wird. Und ich sehe eine Politik, der es zu viel Aufwand ist, es zu reformieren, obwohl es dringend nötig ist. Weil ich sehe Kinder, die heruntergespielt werden, unfaire Bewertungen, Kinder, die untergehen, weil sie nicht in das System passen. Kinder, die hochbegabt sind und denken, sie sind dumm, weil man ihnen die Möglichkeit nimmt, selbst zu denken."

Verblendete Welt.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt