Teil 1

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Das Hufgetrappel der Pferde war kaum zu hören als sie langsam durch das Dorf ritten. Jegliches Geräusch wurde von der Asche gedämpft, welche den Boden bedeckte.

An manchen Stellen glimmte noch immer ein Funken auf, als wäre es nicht schon genug gewesen.

Die warme Luft wehte die feinen Staubpartikel auf und warf sie erneut zu Boden.

Der Reiter auf dem edlen Schimmel zog sich das Halstuch weiter vor das Gesicht und verbarg dieses. Es waren nur noch die Augen zu erkennen, welche die Szene aufmerksam betrachteten.

Von irgendwo war das Schreien eines Kindes zu vernehmen, woraufhin eine dringliche Frauenstimme vergeblich versuchte es zum schweigen zu bringen.

Ein alter Mann kroch hilflos über den dreckigen Boden um sich hinter den Trümmern eines Brunnens zu verstecken. Zwei Männer, welche schwer zugerichtete worden waren, beäugten die beiden Fremden misstrauisch und fingen an zu tuscheln.

Am Wegesrand lag der Kadaver eines Hundes, dessen Innereien kaum noch vorhanden waren. Der Schimmel kam zum Stillstand als sein Herr ihm das Zeichen gab. Das Tier schnaubte und zuckte nervös mit den Ohren. An einer abgebrannten Hütte hockte ein junges Paar und weinte. Vor ihnen ein verbrannter hagerer Körper. Womöglich ein Kind.

Der zweite Reiter blieb ebenfalls stehen und betrachtete das Geschehen. Auch sein Gesicht war von einem Tuch verdeckt. Lediglich das rote Haar war zu sehen und zeichnete sich deutlich von der dunklen Kleidung ab.

„War er das?", flüsterte er mit krächzender Stimme und strich zaghaft über den Hals des schwarzen Hengstes. Sein Begleiter antwortete nicht, starrte auf die Zerstörung vor ihnen. Ließ es wirken ehe er abstieg und die Zügel dem Rotschopf reichte.

„Was hast du vor?"

Noch bevor es zu einer Antwort kam wurde der Hengst plötzlich von einem Stein getroffen und bäumte sich vor Schreck auf. Der junge Reiter rief laut aus, sprach auf das Tier ein, versuchte es zur Ruhe zu bringen. Der Vermummte sah sich um und blickte zu einem Jungen. Schätzte ihn auf vierzehn Winter. Er war zwar dünn, jedoch muskulös, besaß keinen Bartwuchs und das Haar stand wirr von seinem Kopf ab. Die Lumpen an seinem Körper waren schwarz von Ruß und zerrissen. Das Gesicht verschmiert und blutig.

„Verschwindet! Seht ihr nicht, dass hier nichts mehr zu holen gibt? Es gibt hier nichts mehr! Und wenn ihr euch an unseren Frauen vergreift, werde ich euch eigenhändig töten! Habt ihr gehört?", rief er aufgebracht und hob den nächsten Stein auf. Sein Arm wurde jedoch von einer Frau gepackt, die ihn unsanft zu sich zog. „Lass das! Du hast doch keine Chance! Sei nicht dumm.", ihr Gesicht war vor Wut verzerrt, doch ihr traten Tränen in die Augen. Der Junge zitterte, ließ den Stein fallen und fiel schluchzend auf die Knie.

„Bitte verzeiht ihm, er ist nur ein dummer Junge. Tut ihm bitte nicht weh.", flehte die Frau und sank ebenfalls auf die Knie, faltete die Hände und senkte das Haupt. Ihr Gesicht war eingefallen, blass und ihr gesamtes Auftreten wirkte kränklich.

Die vermummte Gestalt sah zu ihrem Begleiter, dieser betrachtete ungerührt die beiden Personen. In seinem Blick lag etwas wie Abscheu.

Der Fremde trat auf die Frau zu , legte die Hand auf ihre Schulter und hielt ihr die andere entgegen. Die Frau verkrampfte sich, zitterte und rührte sich nicht. Ihr Gegenüber hockte sich vor ihr.

„Steht auf. Ihr braucht euch nicht vor uns zu fürchten."

„Alles eine Lüge!", zischte der Junge.

„Was ist hier geschehen?"
„Ist das nicht offensichtlich? Es wurde alles niedergebrannt! Unsere gesamte Existenz ausgelöscht! Unsere Frauen und Mädchen vergewaltigt! Unsere Männer getötet oder verstümmelt! Sie haben die Alten zusehen lassen und alles mitgenommen!", schrie der Junge und weinte wieder.

„Sie haben ihn-sie haben ihn verprügelt als er auf sie losging und-und ihn zusehen lassen als-", die Stimme der Frau versagte und ließ die Schultern sinken.

„Sie war doch erst Elf!", heulte der Junge auf und schlug auf den Boden. „Und er stand wortlos daneben! Sagte noch, sie solle sich nicht wären. Dann würde es nicht so weh tun!"

Der Fremde schwieg. Ließ ihn sprechen.

„Sie schrie! Nach mir...nach Vater! Doch sie hielten mich fest, zwangen mich hinzusehen und dann-dann-", er zog sich an dem langen Haar und kniff die Augen zusammen. „Sie schrie immer mehr, dass es weh tat und dieser Mistkerl war es Leid und er-er drückte ihr das Kissen aufs Gesicht bis sie-sie-Ich konnte nichts tun!"

„Es ist nicht deine Schuld, Tristan.", seufzte die Frau, doch der Junge schien sie zu ignorieren.

„Ich war unfähig! Ich hätte etwas tun müssen! Oh Gott!"

„Es tut mir Leid.", flüsterte die fremde Person und stand auf.
„Sie werden sterben. Sie alle! Langsam und qualvoll! Ich werde sie alle eigenhändig umbringen und sie Buße tun lassen.", sein Blick bekam etwas bedrohliches, flackerte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er biss die Zähne zusammen.

„Nun komm schon, wir müssen weiter.", rief der Rotschopf auf dem Pferd ungeduldig. Die vermummte Gestalt sah bedauernd zu dem Jungen, wandte sich dann aber wieder an die Frau. „Es gab hier vor einigen Gezeiten eine Explosion, wisst Ihr etwas darüber?"

Die Frau wirkte irritiert. „Das ist schon sehr lange her."
„Ich weiß. Dennoch muss ich alles darüber erfahren."
„Ich erinnere mich kaum, tut mir Leid. Ich weiß nur, dass diese Explosion eine Menge Schaden angerichtet hatte. Der Krater ist noch immer vorzufinden, die Natur hat sich kaum von den Schäden erholt."

„Vielen Dank. Lebt wohl."
„Fertig?", knurrte der Rotschopf und reichte ihr die Zügel.

Sie ritten weiter durch den Schutt und trabten an einem Fluss weiter in die Richtung ihres eigentlichen Ziels.
„Womöglich weiß der Erzherzog mehr. Oder dessen Untergebenen.", überlegt der junge Mann.

„Gut möglich, daher werden wir auch mit ihm sprechen."
„Glaubst du wirklich eine Audienz bei ihm zu erlangen?"
„Selbstverständlich."
„Tzz, Zeitverschwendung."

„Einen Versuch ist es Wert."
„Wir werden sie nie finden. Wieso suchst du überhaupt noch nach ihr?", fragte er bissig und schüttelte den Kopf.
„Weil wir sie brauchen werden. Und wenn jemand mir helfen kann, dann sie."

What RemainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt