3. Kapitel

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Woher kam dieses Geräusch?
Es klang, als wäre es um mich, wolle mich einkreisen; Einengen.
Mein Herz pochte so laut, dass es schon fast die leisen Kratzgeräusche übertönte.
Ich begann am ganzen Körper zu zittern.
Noch kratzte es ja an die Wand oder an eine Tür.
Aber bald würde es auch an mir kratzen, da war ich mir sicher.

Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich mir dies vorstellte.
Mein lebloser Körper, wie er am Boden liegt, umhüllt von Blut.
Das Wesen mit den weißglühenden Augen, wie es sich mir lachend nähert und sich zu mir nach unten beugt.
Diese Blutgier, die es im Gesicht trägt.
Diese Mordlust, die den Raum um mich herum füllt und sogar die Finsternis übertrifft.
Die Vorstellung, wie das Wesen langsam seine knochigen, dürren und komplett schwarz gefärbten Finger mit dessen langen, krallenartig geformten Fingernägel nach mir ausstreckt und anfängt an meinem Körper zu kratzen.
Immer fester und fester.
So stark, dass sich die Kratzspuren an meiner nackten Haut deutlich zu sehen ist, das vorherige Blut nur Nebensache ist.

Ich zuckte zusammen, versuchte diese Vorstellung zu verdrängen. Sie war nicht real und würde es auch hoffentlich nicht sein.
Auch wenn es verlockend klang, mich jetzt einfach in eine der dunklen Ecken zu verkriechen und mich zusammen zu kauern, tat ich es nicht
Ich musste das durchstehen, mich zusammenreißen und hier rausfinden.
Mein kleiner Bruder braucht mich.
Ich musste ihn unbedingt finden.
Seit er verschwunden war, hatte ich kaum geschlafen und wenn, hatte ich furchtbare Alpträume, die all meine Sorgen und Ängste um Finn wiederspiegelten.
Wie er mich anbettelte, ihn doch hier herauszuholen, wie er schmerzerfüllt schrie.

Ich schluckte. All diese Vorstellungen waren noch viel schlimmer als meine vorherige Befürchtung. Aber das Schlimmste war, dass diese Vorstellungen real sein konnten.
Und ich konnte ihm nicht helfen, nichts dagegen tun.
So sehr ich es mir auch wünschte.
So sehr ich ihn auch suchte.
Ich fand ihn nicht.
Ich war machtlos, nicht in der Lage seine Situation zu ändern.

Tränen hatten sich in meinen Augen gebildet, liefen mir nun über die Wangen. Ich hatte so Verlangen, mich in diese dunkle Ecke zu setzen, doch ich traute mich nicht auf sie zuzugehen.
Was, wenn dieses...Wesen doch hier war?
Es durfte mich nicht töten!
Finn brauchte mich noch!

Ich erinnerte mich, wie er lachend meinen Namen rief.
Wie er mich bettelnd mit einem seiner treuherzigsten Blicke ansah und darum bat, endlich wieder einmal mit mir Verstecken zu spielen.
Ich hatte es nicht geschätzt, einen kleinen Bruder zu haben und jetzt war er...fort.
Einfach nicht mehr da.
Als hätte er nicht existiert.

Das Kratzen hatte aufgehört.
Ich konnte nicht sagen, wann das der Fall gewesen war, so sehr war ich in meine Gedanken vertieft gewesen.
Langsam betrat ich den Raum, blickte mich genauestens um.
War ich alleine?
Ich hoffte es zutiefst, ich wollte einfach nur hier weg; Einfach nur zu Finn und ihn ganz fest in meine Arme nehmen.

Wieder ein Geräusch.
Doch kein Kratzen, sondern ein leises Kichern.
Sofort drehte ich mich um.
Mein Herzschlag beschleunigte sich sofort wieder, ebenfalls mein Atem.
Zwei leuchtende Augen.
Viel niedriger als vorhin.
Doch sie leuchteten.
Wenn auch in einem leicht bläulichen Farbton.

Fading Shade [#NewBookChallenge]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt