Zu Hause

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Waterfront:

Wir haben am Anfang viele Wohnungen angeschaut (obwohl wir eingentlich von anfang an wussten in welchen Quatier wir gerne wohnen würden). Da mein Vater am einen Ende der Stadt arbeitete und unsere Schule ganz am anderen Ende war, mussten wir eine Wohnung suchen welche etwa in der Mitte der beiden lag. Wir haben uns für eine Wohnung in der Siedlung «Waterfront» entschieden. Diese bestand aus 7 Gebäuden im form eines U. Jedes Gebäude hatte 11 Stockwerke und auf jedem Stockwerk 2 Wohnungen. In der Mitte hatte es einen kleinen Park, darunter war die Tiefgarage. Die Wohnung die wir hatten war im 7. Stock, sie war sehr schön. Ich hatte unter meinem Fenster einen Kleinen Balkon von der Wohnung unter uns, weil ich auch ein ziemlich breiten Fenstersims hatte, habe ich mir oft überlegt mich draussen vor meinem Fenster hin zu setzen. Ich habe es jedoch nie gemacht weil ich doch irgendwie zu viel angst hatte runter zu fallen.
Als wir in unsere Wohnung einzogen mussten wir sie zuerst einmal putzen, sie war zwar "geputzt" worden aber im vergleich zu unserem Standard in der Schweiz, was sie überhaut nicht sauber. Es hatte zum Beispiel überall noch schwarze Flecken am Boden, oder sogar Ketchup flecken im Kühlschrank. Eigentlich wurde nur einmal mit einem Besen durch gewischt und «sie war sauber». 

Da die Wohnung schon Möbliert war, mussten wir nichts neues kaufen. In jedem Zimmer gab es eine Klimaanlage und einen Ventilator an der Decke. Der Ventilator hatte ich nie gerne, denn er brachte nur meine Augen zum tränen aber half nicht wirklich viel gegen die Hitze. Ich finde im vergleich zu anderen haben wir auch die Klimaanlage nicht sehr oft verwendet. Es war manchmal schon extrem heiss und man war richtig froh wenn man sie einschalten konnte. (Das ist wenn sie nicht gerade Kaputt war, das kam aber eigentlich nur ein, zwei mal vor) Für mich war mehr das Problem, dass es manchmal öffentliche Orte gab an denen die Klimaanlage so stark aufgedreht war, dass ich begann zu frieren. Wir hatten einen Englischlehrer der sein Klassenzimmer immer auf 16°C runterkühlte, nun kommt man voll verschwitzt von draussen (30°C) in dieses Zimmer, das ist ein riesiger schock. Ich musste dann immer einen Pulli mitnehmen  wenn wir Englisch hatten. (ich bin mir natürlich richtig blöd vorgekommen aber 16°C ist schon kalt) Man musste jedoch auch wenn man shoppen ging einen Pulli mitnehmen denn auch in den Einkaufszentren war es immer kalt. 

Nun zurück zu unserer Wohnung, wir hatten 3 Schlafzimmer mit je einer Toilette und ein Maid-Zimmer.(eigentlich auch ein Schlafzimmer einfach viel kleiner und mit einer Verbindungstür zur Küche) Wenn man duschen wollte musste man ca.10min vorher die Heizung einschalten, damit das Wasser warm wurde. (was wir am Anfang oft vergessen haben) Es hatte auch immer kleine Motten oder so welche in der Dusche gewohnt haben, wenn ich jetzt so zurück denke ist es eigentlich komisch aber es war für uns zur Zeit ganz normal. 

Nun das meiste Wasser in Indien kommt von dem regen, dass heisst es wird während der Regenzeit (dem Monsun) in Stauseen gesammelt und danach in Wasserlastwagen in die Stadt gebracht. (diese sind oft rostig und verlieren so auch viel Wasser unterwegs), dass bedeutet, dass das Wasser nicht immer sehr sauber ist. Also zum duschen oder kochen ist es gut, jedoch konnte man es nicht trinken (als Ausländer zumindest). Da dies sehr viele Bakterien enthielt. Am Anfang mussten wir sogar mit «bottletwater» (Trinkwasser aus Flaschen) die Zähne Putzen, bis man sich etwas an diese Bakterien gewöhnt hat. Es war schon komisch, dass man das Wasser aus dem Hahnen nicht trinken durfte. Wir mussten immer grosse 10l Flaschen kaufen (welche dann zu uns nachhause geliefert wurden).

Wir lebten in einem sehr schönen Teil der Stadt, es gab viele Expads und auch viele Ausland Inder (also Inder welche zum Beispiel in Amerika studiert oder gearbeitet haben). Deshalb war es für mich (ein ca. 14 Jähriges Mädchen) kein Problem auch einmal alleine nach draussen zugehen. Natürlich ging ich nicht all zu weit, und eine Freundin von Deutschland fand dies sehr mutig. Es ist alles eine Ansichtssache. Wenn man angst hat davor, dass etwas passiert, findet man die Art wie die Leute schauen bedrohend oder unangenehm. Ein Beispiel: meine Mutter und ihre Freundin (auch aus Deutschland) gingen zusammen spazieren. Es haben sie ein paar Inder beobachtet, die Gedanken meiner Mutter waren: «oh wie schön, sie sind interessiert was wir tun, und wie wir so sind.» Die Aussage ihrer Kollegin war jedoch etwas anders: «mein Gott siehst du wie sie uns anglotzen?!» nun ja man kann es auf beide arten sehen, aber man kann sagen meiner Mutter hat es wesentlich weniger ausgemacht als ihrer Freundin. Alles eine frage der Perspektive. 

Unser zu Hause war ein Ort an dem man alles vergessen konnte. Man war sich nicht mehr bewusst, dass man in Indien war. Es war einfach nur zu Hause. Sobald man einen regelmässigen Alltag hat und sich nicht ständig überlegt "Oh, ich bin ja in Indien" beginnt es sich ganz normal an zu fühlen. Man vergisst wo man ist, es ist ganz normal. Jedoch hatte man immer wieder mal Momente in denen es einem so richtig bewusst wurde, es konnte sein, dass man einfach irgend in einem Bus sass und plötzlich wurde einem so richtig klar "Hei, du bist gerade in Indien! Du lebst hier" Es ist kein schlechtes Gefühl, es ist einfach in solchen Momenten schön zu sehen was man in diesem schönen, fremden Land alles hat. Man sieht es erneut für einen kurzen Moment wie man es ein mal am Anfang gesehen hat. Mit all den Farben, den Leuten die einem an Lachen, der schöne Fluss der Sprache, die wärme. Es wird einem ganz plötzlich alles bewusst und man nimmt auch alles ganz bewusst wahr.



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