Sie zwängten sich durch Straßen und Gassen, mal schnell und mal langsamer, ließen das entstandene Chaos auf dem Vorplatz der Kathedrale hinter sich zurück.
Angelie hatte bereits nach kürzester Zeit den Überblick verloren, doch Clopin, der ihre Hand noch immer fest in seiner hielt, kannte die Pariser Straßen besser als seine Manteltaschen und wusste genau, wie sie am unauffälligsten an ihrem Ziel ankommen würden.
Nur noch um diese Ecke...
Mit hoch erhobenem Kopf hielt er ihr die Tür ihres kleinen Gartenzaunes auf und deutete eine Verbeugung an, als sie an ihm vorbeiging.
„Wir haben unser Ziel erreicht, Mademoiselle", trällerte er und sie lächelte ihn amüsiert an.
„Wie hast du gesagt machst du das nochmal – Magie?"
„Magie, oui", lächelte er verschwörerisch, ließ ihre Hand nun wieder los und strich ihr eine wilde honigfarbene Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Das Fest wurde zwar ruiniert, aber ich hoffe doch, dass Mademoiselle diesen Tag dennoch gut im Gedächtnis behalten wird", murmelte er und sie warf ihm einen belustigten Blick zu.
„Ganz bestimmt", antwortete sie und sein Lächeln wurde breiter.
„Einen so verrückten Vogel, comme toi, könnte ich nicht vergessen!"
„Bin ich denn ein prächtiger Vogel?"
„Der prächtigste von allen", entgegnete Angelie und wollte die Arme vor der Brust verschränken, doch wieder einmal war der Zigeuner schneller, nahm ihre rechte Hand und hauchte ihr einen sanften Kuss auf den Handrücken.
„Tu est trop généreux, Angelie...", verkündete er und sie wandte verlegen den Blick ab.
Sie hatte noch nie gut mit Schmeichlern umgehen können, aber sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass dieser Schmeichler anders war.
Vielleicht jetzt noch nicht, aber wenn sie ihm eine Chance geben würde...
Clopin bemerkte ihre Verlegenheit und verkniff sich ein triumphierendes Grinsen.
Er würde sie vielleicht doch noch dazu bringen ihn einzuladen...dann würde der Tag einen sehr angenehmen...Höhepunkt...erreichen...
„Du solltest jetzt lieber gehen, Clopin. Die Wachen werden vermehrt patrollieren und ich möchte nicht, dass du ihnen doch noch in die Fänge gerätst", meinte sie plötzlich entschlossen und unzufrieden legte er den Kopf schief, funkelte sie trotzig an.
„Mais pourquoi? Ich bin ihnen immer entkommen, diese Hohlköpfe sind keine Herausforderung für mich", brummte er und sie hob unter ihrer Maske deutlich sichtbar eine Augenbraue.
„Vraiment? Ich denke, Ihr habt tatsächlich etwas zu tief ins Glas gesehen, Monsieur Trouillefou. Geht nach Hause und klärt Euren Kopf", entgegnete sie und fast gleichzeitig fühlte Clopin sich in eine Zeit zurück versetzt, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, voller Übermut und ohne Sinn für das große Ganze.
Es war ihm klar, wenn er jetzt nicht nachgab, würde er sich alle Chancen bei dieser jungen Frau verspielen.
Es sollte heute wohl nicht sein, aber wer wusste schon, was noch kommen konnte, wenn er ihr ein wenig Zeit ließ.
„Wie Mademoiselle wünscht", seufzte er geschlagen und verneigte sich leicht vor ihr.
„Merci, Clopin. Auf das man sich wieder sieht", lächelte sie und er erwiderte es etwas enthusiastischer als noch vor ein paar Sekunden.
Sie wollte ihn also wiedersehen...
„Une bonne nuit, belle femme."
Er küsste noch einmal ihre Hand, dann wandte er sich um und mit klingenden Schellen verschwand er in den Gassen.
Angelie sah ihm noch kurz hinterher, atmete tief durch.
Er würde schon nicht erwischt werden – jedenfalls hoffte sie das.
Clopin Trouillefou war tatsächlich ein verrückter Vogel, ein sympathischer Narr, aber dennoch war sie froh jetzt auch wieder alleine zu sein.
Das gab ihr genügend Freiraum über die Geschehnisse des Tages nachzudenken.
Über den armen Jungen, den Zigeuner, das Fest...vielleicht sollte sie ein paar ihrer Gedanken niederschreiben. Ihr neues Buch...
Das Buch!
Clopin hatte noch immer ihr Buch in seinem Besitz!
Sie dumme Ziege hatte sich so sehr von allem ablenken lassen, dass sie ihr ledernes Prachtstück komplett vergessen hatte.
Verflucht!
Vielleicht hatte er es mit Absicht behalten, zielte darauf aus, dass sie ihm folgte, womöglich danach auf ihn angewiesen war oder gar eine Gefälligkeit für das Buch einlösen musste.
Nein, diese Suppe würde sie ihm versalzen.
Es war zwar Schade, aber sollte er mit dem Buch glücklich werden.
Sie seufzte tief und wandte sich dann der kleinen Tür in ihren Laden zu, löste den Schlüssel von ihrem Hals und schloss sich auf.
Der Geruch von Tinte und Pergament stieg ihr in die Nase und ein sanftes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
Sie hatte genügend andere Bücher um die sie sich kümmern musste.
Doch erst am nächsten Morgen, der Tag war schon fast zu Ende.
Erst jetzt, in den geborgenen eigenen vier Wänden spürte sie die Müdigkeit, die sich auf sie legte und mit schweren Schritten stieg sie die Wendeltreppe hinauf.
Währenddessen nahm sie die Maske ab, fuhr sich durch die langen leicht gewellten Haare.
Am oberen Fuße der Treppe hielt sie inne.
Sie war sich hundertprozentig sicher, dass sie das Fenster ihres Wohnraumes geschlossen hatte bevor sie am Morgen gegangen war, doch nun stand es komplett offen, erlaubte einer frischen Brise durch das Zimmer zu streichen.
Skeptisch trat sie näher, warf einen forschenden Blick hinaus, doch niemand war zu sehen.
Langsam schloss sie das Fenster wieder, stockte, als sie etwas auf ihrem abgenutzten Tisch liegen sah.
Es war ihr leeres Buch, welches mit einer gelben Feder verziert, mitten auf der groben Holzplatte lag.
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Tales of a gypsy and a fox - Beginnings
FanficEs herrschen dunkle Zeiten unter Frollo in Paris. Zigeuner werden gejagt, auch die einfache Bevölkerung hat es nicht leicht. Als am kunterbunten Tag die Zigeunerin Esmeralda sich gegen den Richter wendet, verschärft sich die Situation dramatisch. De...