Unsicher spähte Angelie aus dem Waldstück, sah sich nervös um.
Eigentlich hatte sie noch am gleichen Tag wieder im Hof sein wollen, aber nachdem die Mühle Feuer gefangen hatte und die Soldaten lange vor den Toren der Stadt herum gelungert waren, war es ihr zu riskant erschienen den geheimen Weg in die Katakomben zu nehmen.
Stattdessen hatte sie einfach mit Luminosité im Wald übernachtet.
Doch nun ging es bereits wieder auf Mittag zu und obwohl die Soldaten sich zurück gezogen hatten, traute Angelie sich nicht den schützenden Wald zu verlassen.
Inzwischen bedeckten dichte Rauchschwaden ganz Paris, mindestens ein Drittel der Häuser musste in Flammen stehen...
Wenn sie sich vorstellte, dass Clopin vielleicht in diesem Chaos auf der Suche nach ihr war, wurde ihr beinahe schlecht.
„Was meinst du, Große? Sollen wir es wagen?", wandte sie sich an die Stute, die zustimmend schnaubte.
„Nun gut...Hoffen wir das Beste", murmelte sie, schwang sich in den Sattel und ritt vorsichtig an, ihre Tasche mit Feder, Tinte, Buch und ein paar Gulden aus den Wertgegenständen der Wegelagerer, hatte sie über die Schulter gelegt, achtete darauf, dass das Tintenfass nicht kaputt ging.
Angelie atmete erst wieder auf, als sie den Eingang erreichten, stieg ab und führte die Stute am Zügel mit sich mit. Bevor sie jedoch die Finsternis der Katakomben betraten schnallte sie die kleine Lampe vom Sattel, entzündete die Kerze im Inneren.
Mit diesem spärlichen Licht ausgestattet verschwand sie in der Dunkelheit, schritt zögerlich voran, hatte Angst einem Posten zu begegnen, der sie nicht kannte und dann vielleicht angriff.
Aber die Katakomben blieben bis auf das Quietschen einiger Ratten leer und still.
Ein ungutes Gefühl beschlich sie, vorsichtig tastete sie sich weiter, wartete auf das Licht der Lagerfeuer.
Doch es kam nicht.
Stattdessen öffneten sich die Gewölbe plötzlich dunkel und verlassen vor ihr. Wohnwagen und Zelte lagen in Trümmern, Wandteppiche und Banner waren eingerissen oder von ihren Plätzen gestürzt, ab und zu glomm noch ein wenig Kohle in der Asche.
Das spärliche Licht ihrer Lampe tauchte alles in eine unheilvolle Atmosphäre, ließ die zerstörten Wohnwägen wie Gerippe erscheinen, zauberte bedrohliche Schatten in alle Ecken des Gewölbes.
Das Hufgetrappel der Stute sowie ihre eigenen Schritte waren die einzigen Geräusche in der Stille, hallten von den Wänden wieder, vervielfältigten sich, erschienen wie eine Armee nicht existierender Reiter.
Schweigend bahnte sie sich einen Weg durch die Trümmer.
Was war nur geschehen?
War es möglich, dass Frollo den Hof entdeckt hatte?
Was war ihnen dann nur zugestoßen?
Lebten sie überhaupt noch alle?
Angst schnürte ihr die Kehle zu, erschwerte ihr das Atmen.
Plötzlich entdeckte sie einen rot-goldenen Wohnwagen, dessen Seitenwände eingeschlagen waren, Puppen aller Art bedeckten den Boden.
Und zwischen all den Puppen lag Klein-Clopin, mit dem Gesicht voran im Dreck.
Vorsichtig hob Angelie den kleinen Kameraden auf, wischte die gröbsten Verunreinigungen ab.
„Salut, mon ami", flüsterte sie und meinte schon fast, die piepsige Stimme ihr antworten zu hören.
Konnte es ihr Fehler sein?
Hatte man sie gesehen, als sie den Tunnel verlassen hatte?
War sie diejenige gewesen, die es ermöglicht hatte den Hof der Wunder zu finden?
Aber sie hatte so gut aufgepasst – es war unmöglich, dass jemand sie gesehen hatte...
Und selbst wenn es nicht ihre Schuld gewesen war, so musste sie ihnen dennoch helfen!
Ohne weiter zu überlegen band sie die Stute an dem Wohnwagen fest, steckte Klein-Clopin in ihre Tasche und stapfte zurück zum Eingang.
Unterwegs entdeckte sie einen schwarzen Kapuzenumhang und warf sich diesen über, versteckte ihr Gesicht.
Sie würde versuchen was möglich war, um die zu retten, die ihr geholfen hatten.
Noch einmal würde sie nicht zulassen, dass sie jemanden verlor...
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Tales of a gypsy and a fox - Beginnings
FanfikceEs herrschen dunkle Zeiten unter Frollo in Paris. Zigeuner werden gejagt, auch die einfache Bevölkerung hat es nicht leicht. Als am kunterbunten Tag die Zigeunerin Esmeralda sich gegen den Richter wendet, verschärft sich die Situation dramatisch. De...