🌘 🅑🅔🅘 🅥🅔🅡🅢🅣🅐🅝🅓 🌘

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Vor 13 Jahren

Ich kann nicht mehr. Meine Beine tun weh. Tröte baumelt neben mir. Er hat noch schlimmer Hunger als ich. Das Geheimnis hat er mir im Auto anvertraut. Ich soll es niemandem verraten, doch den Appetit erkennen eh schon alle. Seine große Zunge baumelt ihm seitlich aus dem Mund. Ein Schlabbermaul, das fast genauso lang wie ein Rüssel ist, gibt es nicht in Wirklichkeit.

Warum werden wir denn immer schneller? Mama zieht so doll an meinen Armen. Das tut weh! Die Steine unter meinen Füßen drücken zu fest in die Schuhe. Ist Mama wütend? Ich glaube schon. Wütend oder traurig. Das gefällt mir gar nicht.

Als der Schotter endet, laufen wir auf großen Quadraten. Ich überlege kurz. Nein, Rechtecke. Am besten frage ich Frau Hübner in der Schule. Die Seiten dürfen nicht berührt werden, sonst tritt man in die Lava. Balancierend tippele ich über die Felder. Dass ich nicht vernünftig gehe, macht Mama noch wütender. Sie soll mich mal in der Schule sehen. Da mache ich bei solch einen Quatsch auch nicht mit. Tim meint, mit meinen Quadratlatschen passe ich nicht auf das Feld. Er geht schon in die vierte Klasse.

Fester greife ich in Trötes Arm. Hoffentlich tue ich ihm nicht weh. Tröte hat keine echten Gefühle. Das weiß ich schon. Sonst würde er so schön leuchten – wie Mama und Papa. Sie finden es gar nicht gut, wenn ich das sage. Manchmal wünsche ich mir, dass Tröte leuchtet. Tröte versteht mich. Er ist mein Freund, aber er hat noch nie getrötet. Das macht nichts. Ich habe ihn trotzdem lieb.

Mama lässt mich los, weil da ein großes Haus ist. Es sieht nicht so schön wie unser Haus aus. Weit und breit keine Blumen mit Bienchen – und vor den Fenstern sind Stäbe. Nicht wie in einem richtigen Gefängnis, aber es kommt mir vor, als wäre der Ort auch böse. Hier leben bestimmt viele Menschen. Zwei Stockwerke gibt es.

So sieht es auch im Krankenhaus aus – glaube ich. War das Geländer nicht auch grün? Ich schaue nach oben, wo eine riesige Laterne für nachts den Weg leuchtet. Jetzt ist sie aus. Die Ziegelsteine an der Hauswand erkenne ich trotzdem. Entlang der Fenster zieht sich eine grüne Linie. Im Krankenhaus ist das weiß gestrichen, oder? Der letzte Besuch ... Ich mag nicht daran denken. Uropa ist so lieb zu mir gewesen. Es hat immer Kekse gebacken mit Schoko und Rosinen. Stirbt noch jemand? Ist Mama deshalb so? Ich reiße mich los, um Tröte ganz fest an mich zu drücken. Ich will nicht weinen. Wenn ich traurig bin, ist Mama traurig. Das sagt sie immer.

Sie hockt sich zu mir runter. Die eine Hand legt sich auf meine Schulter. Mit der anderen streicht sie über meine Wange. Mist! Ich habe doch geweint. Sie atmet tief ein und aus. Sonst ist sie immer ehrlich –  genau wie bei Uropas Tod. Bislang hat sie noch nichts gesagt. Das ist komisch.

»Hör mir zu, Liebes. Ich möchte, dass du dem Doktor da drinnen gleich erzählst, was du auch Papa und mir erzählt hast.« Was meint Mama? Ich erzähle sehr viel. Zuhause jedenfalls. Frau Hübner sagt immer, ich solle mehr erzählen, aber ich traue mich nicht. Meint Mama, dass ich jetzt schon den Buchstaben R kann? Frau Hübner findet, ich kann mehr als die anderen Kinder und muss das zeigen. »Das mit den Farben«, erklärt sie mir dann.

The wrong colour | Leseprobe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt