Schwesternalarm

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Müde gähnte ich und rieb mir zum gefühlten tausendsten Mal über die Augen. Es war zwar schon zehn, aber ich war trotzdem hundemüde.

Ich hatte in der Nacht wieder mal einen Albtraum gehabt. Wie so oft in letzter Zeit hatte ich davon geträumt, dass Jörn herausfand, was ich für ihn empfand. In dieser Nacht hatte er mich vor einen rasenden Zug geschmissen, weswegen ich mich extra in die Mitte des Bahnsteigs gestellt hatte, während ich auf meine Schwester wartete. Sicher war sicher.

Endlich erklang die Durchsage und ein Zug fuhr ein. Die Türen öffneten sich und ich hielt zwischen all den Leuten Ausschau nach einer kleineren blonden Frau.

„Oliver!“, hörte ich auf einmal jemanden rufen und drehte mich ruckartig um. Meine Schwester kam mit wehendem Haar und einem großen Koffer hinter sich herziehend auf mich zu gerannt.

„Da ist ja meine Kleine!“, begrüßte ich sie grinsend und sie warf sich mir in die Arme.

„Na, hab ich dir gefehlt?“, fragte ich sie grinsend, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten.

„Natürlich! Das Leben ist doch nur halb so schön, wenn niemand da ist, den man ärgern kann.“, sagte sie und grinste schälmisch.

„Ich hab dich auch vermisst.“, meinte ich lachend und legte den Arm um sie, während wir Richtung Auto gingen.

„Und, wie war deine Premiere? Hast du dir wiedervor Angst in die Hose gemacht?“, fragte Jenny und ich kniff sie in den Arm.

„Hey! Ich hab mir noch nie vor Nervosität in die Hose gemacht!“, verteidigte ich mich und Jenny sah mich fragend an.

„Ach wirklich? Und was war damals, als du deinen ersten Auftritt im Schultheaterstück hattest?“, meinte sie und sah grinsend zu mir auf.

„Ich war 6 Jahre alt! Da kann sowas schon mal passieren.“, versuchte ich mich zu verteidigen und Jenny nickte nur lachend.

„Und woher weißt du das eigentlich? Soweit ich weiß, hast du damals noch nicht das Licht der Welt erblickt.“, fragte ich und sie zwinkerte mir zu.

„Gott sei Dank hab ich noch einen anderen großen Bruder, der sich die ganzen peinlichen Geschichten gemerkt hat.“, meinte sie grinsend.

„Als Sandwichkind ist man aber auch echt gestraft!“, meinte ich und Jenny kicherte. „Was erzählt der liebe Johannes denn noch für schöne Geschichten über mich?“, wollte ich wissen und sah meine Schwester neugierig an.

„Ach in letzter Zeit nicht wirklich viel. Er ist ja selber mit seinen zwei süßen Quälgeistern beschäftigt.“, erzählte Jenny und ich seufzte.

 Mein Bruder war vor kurzem zum zweiten Mal Vater geworden und seine zwei kleinen Mädchen waren einfach die süßesten Geschöpfe auf Erden. Am liebsten hätte ich sie jeden Tag besucht und mit Süßigkeiten überhäuft, aber da mein Bruder am anderen Ende von Österreich lebte, konnte ich die beiden nach meinem Geschmack nur viel zu selten sehen.

„Was zum Teufel hast du denn bitte alles in diesen Koffer gepackt? Steine?“, fragte ich schnaufend, als ich Jennys Koffer in meinen Kofferraum hob.

„Naja, ich brauch doch so einiges.“, meinte diese und verschwand schnell im Auto.

Während ich das Auto startete griff ich das Thema wieder auf: „Wie lange hast du eigentlich vor hier zu bleiben? Mit dem Koffer könntest du ja glatt umziehen.“

„Ach weißt du, darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht.“, meinte meine Schwester beiläufig und betrachtete interessiert die Landschaft.

„Jenny.“, sagte ich und sah meine Schwester auffordernd an. Ich kannte sie gut genug um zu wissen, wann sie mir etwas verheimlichte.

Jedes Blatt hat zwei Seiten (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt