Stephan Leyhe

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08.02.2020 – Willingen, Mühlenkopfschanze
Aufgeregt stand ich unten in der Zuschauermenge und schaute gespannt zum Schanzenkopf. Gerade wurde Stephan aufgerufen, der sich nun auch schon vom Balken abstieß. Sein Sprung war sehr ordentlich, der Telemark war sauber und er legte eine Weite von 144,5 m hin. Ich stieg ins Jubeln der Menge mit ein und mein Freund ging mit diesem Sprung in Führung!

Nachdem auch die letzten Teilnehmer gesprungen waren, stand fest: Stephan hatte seinen ersten Weltcupsieg erreicht! Ich war so stolz auf ihn!
Die Zuschauermenge tobte und ich tat es ihr gleich.
Ein Interview später stand Stephan schon bei der Siegerehrung auf dem Treppchen. Kurz sah ich, wie seine Augen in der Menge nach mir suchten, er wurde jedoch schnell wieder unterbrochen und von Glückwünschen überhäuft.

Langsam machte ich mich auf den Weg zum Hotel der deutschen Skispringer, um auf Stephan zu warten, der frühestens in einer halben Stunde im Hotel ankommen würde, und ihm noch mal persönlich zu gratulieren.
Im hoteleigenen Café verbrachte ich die Wartezeit mit einem leckeren Latte Macchiato und damit, mir Stephans Sprung und das leider viel zu kurze Interview auf meinem Handy anzusehen.
Plötzlich hörte ich Stimmen aus Richtung Eingang und sah, dass Stephan und die Jungs lachend durch das Foyer liefen.
Sofort sprang ich auf und rannte meinem Freund in die Arme.
„Ich bin so stolz auf dich.", flüsterte ich nach einer langen Umarmung.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und gab mir einen langen Kuss. „Danke."
„Die Jungs warten auf dich.", sagte ich und blickte zu dem restlichen deutschen Team, welches abwartend vor den Aufzügen stand. Stefan folgte kurz meinem Blick, sah mich dann aber wieder an und sagte: „Nein. Heute verbring ich mit dir."
Einerseits fand ich das extrem süß, wollte ihn andererseits aber nicht daran hindern, seinen Sieg zu feiern. Bevor ich jedoch protestieren konnte, lagen seine Lippen wieder auf meinen.
Der Junge wusste echt, wie er mich zum Schweigen bringen konnte.

Wir gingen zusammen zurück ins Café, wo Stephan sich einen Kaffee bestellte und ich meinen mittlerweile kalten Latte austrank.
Danach gingen wir in einem nahegelegenen Wald Hand in Hand spazieren. Stephan erzählte mir von seinem heutigen Tag und den Sprüngen. Ich hörte ihm aufmerksam zu.
Irgendwann sagte er: „Ich habe dich heute gar nicht gesehen."
Lachend antwortete ich: „Ja, ich habe gesehen, dass du mich gesucht hast. Aber es war ja ziemlich voll. Ich hingegen habe dich gesehen."
Nun war er es, der lachte.

Nach dem zweistündigen Spaziergang (wir hatten uns kurz verlaufen) kehrten wir in einem italienischen Restaurant ein.

Zuletzt sahen wir uns auf einem Felsvorsprung nahe des Hotels den Sonnenuntergang an. Ich hatte meinen Kopf auf Stephans Schulter abgelegt und er hatte einen Arm um mich gelegt.
„Morgen musst du schon wieder los.", sagte ich enttäuscht, als die Sonne den Horizont erreicht hatte. Vor einer Stunde hatten wir erfahren, dass auf Grund der Wetterbedingungen der morgige Wettkampf ausfallen sollte.
„Ja, aber wir sehen uns ja in vier Wochen nach der Skiflug-WM wieder.", versicherte er mir.
Das ist noch so lange hin...Was soll ich denn ohne dich machen?", fragte ich gespielt verzweifelt.
Stephan lachte auf.
„Du wirst das schon hinbekommen.", sagte er überzeugt und gab mir einen Kuss auf den Kopf.
Jetzt war die Sonne von den Bergen verschluckt worden und wir machten uns langsam wieder zurück zum Hotel. Dort verabredeten wir uns für 8:30 zum Frühstück und jeder ging in sein Zimmer.

Am nächsten Morgen war ich schon um kurz nach sieben wach, machte mich fertig und war eine viertel Stunde vor der abgemachten Zeit beim Frühstück. Karl und Markus waren aber schon da, weswegen ich mich zu ihnen setzte und ebenfalls mit dem Frühstück begann.
Irgendwann gesellte sich Stephan zu uns.
„Du hast ja gar nicht auf mich gewartet.", stellte er fest und begrüßte mich mit einem Kuss.
„Ja, tut mir leid, aber ich hatte einfach Hunger.", verteidigte ich mich und biss von meinem Nutellabrot ab.

2 Stunden später hieß es Abschied nehmen. Stephan musste mit den anderen weiter nach Österreich.
„Ich werde dich vermissen.", flüsterte ich in die Umarmung. Stephan nahm mein Gesicht in seine Hände und sagte: „Jetzt hör auf, mir ein so schlechtes Gewissen zu machen. Wir sehen uns doch in einem Monat wieder. So lange wirst du auch noch durchhalten."
Dann küsste er mich lange.
„Tut mir leid, euch unterbrechen zu müssen, aber Stefan (Horngacher) will los.", unterbrach uns Karl.

Noch eine innige Umarmung später saß Stephan im Auto. Ich winkte ihm hinterher.
Als er nicht mehr zu sehen war, holte ich mein Handy raus und schrieb Stephan eine kurze, aber eindeutige Nachricht:
„Ich liebe dich."

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