Ich starre in den Himmel und beobachte die unendlich vielen Sterne.
"Glaubst du, dass das Universum irgendwo ein Ende hat?", frage ich Henry.
Er überlegt kurz. "Kann sein, alles hat doch ein Ende", sagt er schließlich.
Da hat er recht, aber das Universum, es ist einfach so groß, dass ich glaube, es sei unendlich.
"Wissen eigentlich deine Eltern, dass wir heiraten?", frage ich.
"Nein. Es wird eine Überraschung", lächelt er und bringt mich damit auch zum Lächeln. "Ich dachte, wir sagen es unseren Eltern gleichzeitig, wenn deine auch hier sind", fügt er hinzu.
"Ja, das wäre besser, schätze ich."
"Möchtest du hier schlafen, oder drinnen?"
"Wo möchtest du?"
"Drinnen, es wird ziemlich kalt in der Nacht."
"Okay, dann lass uns drinnen schlafen."
"Ich möchte noch vorher schnell meine E-Mails checken", sage ich.
"Drinnen auf der Couch ist ein Laptop, den kannst du benutzen."
Ich stehe auf, gehe rein und schalte den Laptop ein. Tatsächlich habe ich zwei Antworten. Ich mache als Erstes das von Mici auf.
Sie schreibt, dass es ihr gut geht und dass sie sich sehr gerne mit mir treffen würde. Aber sie ist gerade in Japan und bleibt dort für einen Monat wegen irgendetwas geschäftlichem. Also berichte ich ihr alles im E-Mail.
Meine Mutter schreibt, dass sie mich auch sehr vermisst und sich freut, dass wir uns bald wieder sehen Gwen hat leider noch nicht geantwortet. Vielleicht ist sie viel zu beschäftigt.
Ein paar Tage später ist es endlich soweit. Meine Eltern, Henrys Eltern und wie beide haben uns in Henrys Haus versammelt. Wir sitzen im Wohnzimmer und schauen uns gegenseitig bloß an. Mein Herz pocht wie wild. Trevor räuspert sich und bricht die unangenehme Stille.
"Also, warum haben wir uns alle hier versammelt?", fragt er.
"Wir müssen euch etwas sagen", sagt Henry und guckt mich lächelnd an. "Wir werden heiraten."
Da... er hat es gesagt. Ich schaue meine Eltern, danach Henrys Eltern an.
"Das ist ja wunderbar!", sagt meine Mom. Henrys Mom stimmt ihr zu. Sie haben beide Tränen in den Augen. Trevor starrt mich, ohne mit der Wimper zu zucken, an. Henrys Dad sagt, dass er sich für uns freut.
"Ich freue mich ebenfalls für euch", stimmt Trevor zu.
Meine Mutter steht auf und umarmt mich ganz fest.
"Und, wann findet die Hochzeit statt?", fragt sie, während sie auch Henry umarmt.
"Übermorgen", antwortet er.
"So schnell?", fragt seine Mutter erstaunt. Sie steht auch auf, um uns zu umarmen.
"Ja", sagt Henry nur.
"Aber, ihr schafft doch die ganzen Vorbereitungen nicht. Die Einladungen müssen auch verschickt werden", sagt sie.
"Alles schon erledigt, das einzige was fehlt ist Chloes Kleid", erklärt er.
Es kribbelt in meinem Bauch. Ich sehe ihn an. Sein Gesicht strahlt vor Freude und ich fühle mich wie ein Hase, das eine Karotte bekommen hat.
Am nächsten Tag beschließen meine Mutter und Mrs Blackthorn das Hochzeitskleid zu kaufen. Irgendwie finde ich nicht das Richtige. Wir waren schon in zwei Läden und habe über 15 Kleider ausprobiert. Im dritten Laden scheine ich aber Glück zu haben. Das erste Kleid, was ich hier anprobiere, ist wunderschön und steht mir auch sehr gut. Sagen sie zu mindestens. Wir kaufen das Kleid und gehen zurück nach Hause, da es schon spät ist.
Ich glaube es nicht, morgen ist es so weit.
Am Abend liegen ich und Henry nebeneinander im Bett, reden über morgen.
"Bist du aufgeregt?", frage ich ihn.
"Ja, zum ersten Mal im Leben", antwortet er. "Bist du aufgeregt?"
"Ja, und wie. Wie schnell die Zeit doch vergeht."
"Da hast du recht. Sie vergeht wirklich schnell."
"Wir hatten so vieles vor, und immer kam etwas dazwischen", stelle ich fest.
"Das stimmt auch. Das müssen wir nachholen. Wir haben jede Menge Zeit vor uns."
"Bist du müde?", frage ich.
"Nein. Du?"
"Auch nicht."
"Ich hätte eine Idee, was wir machen könnten", sagt er zögerlich.
"Ich auch."
"Was denn?", fragt er überrascht.
"In die Küche gehen und etwas essen", antworte ich grinsend. "Kommst du mit?"
"Nein, geh du", sagt er enttäuscht und schlüpft unter die Decke. Ich kichere und mache mich auf den Weg in die Küche.
Das Licht ist an. Meine Mutter sitzt am Tisch und trinkt irgendetwas.
"Mom, warum bist du noch wach?"
Sie zuckt zusammen und dreht den Kopf, um mich anzusehen.
"Dasselbe könnte ich auch dich fragen", antwortet sie.
"Ich möchte etwas essen. Und du?", sage ich und mache mir ein Sandwich.
"Ich möchte Kaffee trinken." Sie lächelt und hebt ihre Tasse.
"Möchtest du auch ein Sandwich?"
"Nein danke, liebes. Ich wollte mit dir reden."
"Über was denn?" Ich nehme mein Sandwich und setze mich neben ihr.
"Bist du dir ganz sicher, dass Henry der richtige ist?", fragt sie vorsichtig. Ich bin ein wenig verwirrt.
"Ehm, ja. Warum fragst du, Mom?"
"Du bist noch jung, du..."
"Ja, Mom, er ist der richtige", unterbreche ich sie. Ich habe keine Lust auf diese Rede.
"Gut. Ich möchte nur nicht, dass du später verletzt wirst."
"Werde ich nicht, Mom." Ich beiße in mein Sandwich.
"Zeig mal deinen Ring."
Ich strecke ihr meine Hand aus. Sie betrachtet den Ring mit großen Augen.
"Der ist wunderschön", flüstert sie.
"Ja", sage ich und lächle.
"Weißt du, dein leiblicher Vater damals... wir beide hatten nicht genug Geld. Eines Tages tauchte er vor meiner Haustür auf, nahm meine Hand und wir liefen zum See. Es war Nacht. Der Mond spiegelte sich im stillen Wasser wider. Ich dachte, er wollte mit mir bloß einen Spaziergang um den See machen, da kniete er sich vor mir nieder und holte ein kleines rotes Päckchen aus seiner Hosentasche." Ihre Stimme wird brüchig und sie streichelt den Ring an ihrem Finger. Ich blicke ihr in die nassen Augen, während sie redet. Mir kommen ebenfalls die Tränen hoch. Das ist so schön. "Er steckte mir den Ring an den Finger und sagte sofort ja. Ich fragte ihn, woher er den Ring hatte und er wollte es mir einfach nicht sagen. Aber ich wusste, dass er hart gearbeitet hatte. Er war nie daheim, als ich ihn besuchen wollte. Mensch, Chloe ich vermisse ihn so sehr", flüstert sie. Ich umarme sie, drücke sie ganz fest.
"Das ist so wunderschön, Mom."
Sie streicht ihre Tränen weg und lächelt schwach.
"Ich gehe jetzt besser schlafen, geh du auch. Du brauchst deinen Schönheitsschlaf für morgen", sagt sie und steht auf.
"Okay, gute Nacht Mom."
"Gute Nacht, liebes." Und weg ist sie.
Ich gehe ebenfalls zurück ins Schlafzimmer. Henry schläft schon leise wie ein Baby. Ich schließe leise die Tür, lege mich ins Bett und lege vorsichtig einen Arm um seine Taille. Gott, ich liebe ihn so sehr. Ich atme sein Geruch tief ein.
Da fällt mir ein... Mist! Wie könnte ich es vergessen. Oh nein... Ich schaue auf die Uhr. Es ist 23:14 Uhr. Ich könnte eigentlich... Doch ich muss.
Ich stehe auf, schnappe mir Henrys Autoschlüssel und eile zur Garage. Ich habe keine Zeit, mich umzuziehen. Es ist spät, und ich muss wieder zurück sein, bevor jemand merkt, dass ich weg bin.
Ich starte Henrys Auto und fahre zu meiner Wohnung, die wahrscheinlich mittlerweile mit Staub bedeckt ist.
Die Straßen sind leer, also kann ich ein wenig schneller fahren. Nach weniger als 20 Minuten bin ich da.
Die Tür zu meiner Wohnung ist nicht abgeschlossen. Warum sollte sie auch, ich wurde entführt und konnte es nicht abschließen.
So staubig ist sie nun auch wieder nicht. Und alles scheint da zu sein, nichts fehlt. Und es ist auch noch da, wo ich ihn zurückgelassen habe. Ich nehme das Päckchen, nehme die Schlüssel zu meiner Wohnung, schließe die Tür ab und düse wieder nach Hause. Ja. Nach Hause.
Henry schläft immer noch tief und fest. Ich lege das Päckchen auf sein Nachttisch und schlüpfe erneut unter die Decke. Endlich kann ich Ruhe schlafen.
Als ich aufwache ist Henry schon wach und betrachtet das Päckchen.
"Woher kommt das?", fragt er.
"Das habe ich vor ein paar Wochen für dich gekauft. Wollte es dir schon früher geben, aber nun ja. Du weißt, was passiert ist", antworte ich und setze mich auf.
"Du hast das für mich gekauft?"
"Ja. Ich habe mich gestern raus geschlichen und habe es geholt."
"Du hast dich raus geschlichen? Mitten in der Nacht?"
"Mach doch endlich das Päckchen auf!", lache ich.
"Okay, okay." Er setzt sich auf das Bett und öffnet langsam das Päckchen. Er öffnet die Schachtel. Ich beobachte ihn. Er beginnt langsam zu lächeln.
"Eine Musikdose?", fragt er belustigt.
"Dreh doch mal."
Er dreht an der Kurbel und schon erklingt die Melodie von Mozarts Symphonie 40.
"Das ist einfach perfekt. Wirklich, ich liebe es. Danke!" Er küsst mich und dreht dann weiter an der Kurbel.
"Freut mich, dass es dir gefällt!", lache ich.
Heute ist es soweit. Ich kann nicht still sitzen. Die Hochzeit findet hier im Haus statt, der Großteil eigentlich im Garten. Ein paar Männer und Frauen dekorieren unten alles. Die Trauung findet ebenfalls im Garten statt.
Gerade sitze ich vor dem Spiegel, eine Friseurin macht mir die Haare, die andere meine Nägel und eine dritte das Make Up. Meine beiden Mütter, sag ich mal, sind schon fertig und beobachten mich. Meine Mutter trägt ein rotes knielanges Seidenkleid. Ihre Haare sind offen. Meine Schwiegermutter trägt ein blaues knielanges Seidenkleid. Sie hat ihre Haare hochgesteckt. Beide sehen wunderschön aus.
Ich bin mittlerweile auch fertig und muss nur noch in das Kleid schlüpfen.
Als ich endlich angekleidet vor dem Spiegel stehe, kommen mir die Tränen hoch. Ich halte sie aber angestrengt zurück.
"Du siehst wunderschön aus", sagt meine Mutter.
"Ja", stimmt ihr meine Schwiegermutter zu.
Es ist schon Mittag, alle Gäste sind eingetroffen und warten unten auf mich. Ich zittere am ganzen Leib, auch wenn ich mich anstrenge, mich zu beruhigen. Trevor wartet vor der Tür. Er hat glänzende Augen.
"Du siehst wunderschön aus, liebes." Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
"Hier." Er reicht mir ein Blumenstrauß mit weißen Rosen.
"Danke", flüstere ich.
Er macht die Tür auf und begleitet mich zum Altar. Ich lächle ein paar Menschen an. Zu meiner Überraschung ist Mici auch dabei, mit Marlon! Ben ist ebenfalls gekommen.
Mein Herz pocht schneller als ich ihn vor dem Altar stehen sehe. Er schaut schöner aus als je zu vor. Der Marsch kommt mir wie eine Ewigkeit vor, aber nach einer kurzen Zeit sind wir schon angekommen und Henry streckt mir die Hand aus. Trevor nahm meine Hand und legt sie in die seine.
Nachdem die traditionellen Worte gesagt worden sind, darf ich endlich "Ich will" sagen. Meine Worte kommen ein wenig unverständlich heraus. Er im Gegensatz zu mir spricht klar und deutlich. Der Pfarrer erklärt uns zu Mann und Frau, wir küssen uns. Ich weine. Die Menge applaudiert.
Als Erstes umarme ich Trevor, danach meine Mutter, meine Schwiegermutter, meinen Schwiegervater, alle anderen Menschen (größten Teils Personen, die ich nicht kenne) und zum Schluss Mici, Marlon und Ben.
"Ich habe gedacht, du schaffst es nicht!", rufe ich ihr ins Ohr, als wir uns umarmen.
"Ich musste einfach dabei sein, mein Boss hatte Verständnis dafür und schickte mich gleich mit dem nächsten Flieger weg", erklärt sie aufgeregt.
"Marlon! Wie schön, dich zu sehen." Wir drücken uns ganz kurz.
"Es ist auch schön, dich zu sehen, Chloe. Herzlichen Glückwunsch", sagt er in seinem brasilianischen Akzent.
"Danke! Es tut mir leid, wegen des Fotoshootings damals, ich..."
"Ist schon in Ordnung! Megan konnte sowieso nicht kommen. Ich habe dir eine Nachricht geschrieben, weißt du noch?" So war das also...
"Mein Handy ging kaputt und ich hatte keine Gelegenheit mir ein neues zu kaufen", lüge ich. Aber ein wenig Wahrheit steckt auch mit drin.
"Ja, verstehe", sagt er lächelnd.
"Ben, wie geht es dir?"
"Gut, danke. Du siehst umwerfend aus, Chloe."
"Danke, du ebenfalls."
"Hallo, Leute", Henry gesellt sich zu uns, "wie geht es euch?"
"Sehr gut, danke. Herzlichen Glückwunsch!", sagt Mici. Marlon und Ben stimmen ihr zu.
"Danke. Habt noch viel Spaß, ich muss leider Chloe entführen."
"Kein Problem", lacht Mici. Henry nimmt meine Hand und führt mich ins Haus, wo Musik läuft und die Gäste tanzen.
"Du musst jetzt mit mir tanzen", meint Henry und zieht mich an sich.
"Was, wenn ich nicht möchte?"
"Du musst."
Wir bewegen uns zu der langsamen Musik.
Am Abend gibt es Abendessen. Wir sitzen alle im Garten. Die Tische wurden vor einer halben Stunde im U-Form zurechtgestellt. Es gibt Suppe, gefolgt von gegrilltem Rindfleisch mit Gemüse und zu guter Letzt die Torte. Es ist eine Schokoladentorte mit Bananen in der Mitte und irgendeinem Zuckerguss. Es schmeckt köstlich.
Nach dem Essen kommt Henrys Bruder Edward. Das ist das erste Mal, das wir uns sehen.
Er schaut genau wie sein Bruder wunderschön aus. Er hat ein kantiges Gesicht, volle Lippen und blonde Haare. Stark gebaut ist er auch noch.
"Hallo, Chloe, nett dich endlich mal kennenzulernen. Henry hat mir viel von dir erzählt."
"Hat er das?", frage ich und werfe einen Blick zu Henry. Er guckt auf seine Füße. "Schön, dass du hier bist, Edward. Wir haben gerade gegessen. Hast du Hunger?"
"Nein, danke, ich bin voll. Wenn ihr mich mal entschuldigt." Und weg ist er.
"Dein Bruder ist sehr nett."
"Ja und nervig."
"Wirklich? Finde ich nicht."
"Du kennst ihn auch nicht so gut wie ich. Glaub mir, er ist der nervigste Bruder den man haben kann."
Am Abend verabschieden wir uns von jedem. Auch von unseren Eltern. Sie müssen beide schon wieder los. Es gibt Umarmungen, Tränen und noch weiter Umarmungen. Dann wird es aufgeräumt. Auch wenn wir nicht müssen, helfen wir dem Putzteam beim Saubermachen. Und dann sind wir allein.
"Chloe?"
"Ja?" Wir stehen in der Halle und sehen uns bloß gegenseitig an.
"Zieh dich um."
"Warum?"
"Wir fahren weg."
"Wohin?"
"Eine Überraschung."
"Jetzt?"
"Ja, jetzt."
Also gehe ich hoch, ziehe mich um und wir fahren los. Henry hat sich ebenfalls umgezogen.
"Wohin fahren wir?"
"Flughafen."
"Wir haben keine Koffer eingepackt", stelle ich fest.
"Alles was wir brauchen, ist auch dort, wo wir hingehen werden."
Nach einer Weile sind wir am Flughafen angekommen, steigen in ein Privatjet, fliegen nur eine halbe Stunde zu einer Insel. Von dort geht's auf eine Yacht.
"Der Yacht gehört dir?", frage ich erstaunt.
"Ja."
Wir fahren ein wenig hinaus aufs Meer. Das Meer ist ruhig. Ich kann nicht glauben, dass ich nun die Ehefrau eines tollen Mannes bin. Ich kann nicht glauben, dass ich geheiratet habe. Ich betrachte das dunkle Meer und den hell scheinenden Vollmond.
Ich spüre Henrys warme Körper an meinem Rücken. Er schließt die Arme um mich herum.
"An was denkst du gerade?", flüstert er mir ins Ohr.
"An unsere Zukunft."
"Daran habe ich auch gedacht", gibt er zu.
"Und, was denkst du?"
"Nicht mehr als 2 Kinder und das erst in fünf Jahren."
Ich kichere. "Einverstanden."
"Bis dahin haben wir aber noch genügend Zeit. Lass uns erst mal Spaß haben." Er küsst mich hinter dem Ohr.
Wir gehen rein ins Schlafzimmer, das erstaunlich groß ist.
Er drückt mich auf das Bett und zieht mir das Oberteil aus.
Das wird eine lange Nacht.