Es ist einer der Abende, an denen Zeo das Singlespeed betritt und bis spät in der Nacht hinter der Theke stehen, Alkohol ausschenken und jede Menge fremde Menschen kennenlernen wird.
»Ist Yoshi schon wieder krank?« fragt Rina lächelnd und stellt ein Tablett mit vollen Flaschen auf der Arbeitsplatte ab.
»Ja, krank«, antwortet Zeo und verdreht die Augen. »Er hat mich auf Knien angebettelt, dass ich für ihn einspringe.«
Rina kichert und reiht die Flaschen auf der Arbeitsplatte auf. Vor etwa einem halben Jahr hatte Zeo das erste Mal eine Schicht von Yoshi übernommen, da hatte Rina ihn angelernt und ihm in Schnelldurchlauf das Wichtigste beigebracht. In letzter Zeit sprang Zeo immer öfter für Yoshi ein und er spürte, wie seine Handgriffe immer sicherer wurden.
Nachdem Zeo mühelos die ersten Kunden bedient hat, bemerkt er, wie Rina ihn mit verschränkten Armen beobachtet. Sie lehnt sich an den Tisch und bedenkt ihn mit einem auffordernden Blick. »Du wirst immer besser. Warum fragst du nicht mal beim Chef nach einer richtigen Stelle? Ich weiß, dann kannst du nicht mehr für Yoshi einspringen, aber dann muss er eben darauf verzichten immer krank zu sein.«
Bevor Zeo antworten kann, kommt eine schwarzhaarige Frau an den Tresen, ihre verheulte Freundin im Schlepptau, und hebt die Hand. »Entschuldigen Sie? Zwei Martini, bitte.«
»Geschüttelt, nicht gerührt, nehme ich an?«, fragt Zeo mit einem Augenzwinkern und lächelt den beiden Frauen zu. Neben ihm öffnet Rina die Packung Zitronenoliven und schüttet sie in eine kleine Schale.
Die Schwarzhaarige kramt in ihrem Portemonnaie und zählt ihr Kleingeld durch, die verheulte Freundin reibt über ihre geröteten Augen und lacht leise. »Nein, ganz klassisch bitte.«
»Na gut«, Zeo zuckt mit den Schultern und holt zwei Martinigläser aus dem Gläserfroster. Die schwarzhaarige Frau reicht ihm das Geld passend und beginnt zu erzählen, warum ihre Freundin, Luisa, so verheult ist, Zeo hört nicht ganz zu, aber scheinbar spielen eine rote Unterhose, eine Ziege und ein Ochse eine große Rolle.
Rina stellt die Schale Oliven vor Zeo auf die Platte, schiebt die Cocktailspieße daneben und flüstert leise: »Ich meins ernst, du bist gut. Denk wenigstens mal drüber nach!«, dann macht sich selbst an die Arbeit.
Während die schwarzhaarige Frau beim Erzählen Zeos Handgriffe beobachtet, sieht Luisa ihm dabei ins Gesicht. Ein wenig abgelenkt lächelt er ihr zu, füllt Eiswürfel in ein Rührglas und gibt Gin und Wermut dazu. Während des Umrührens zwingt Zeo sich dazu aufzupassen, was ihm erzählt wird. Rinas Worte schwirren ihm immer noch im Kopf rum.
»Wenn es dir nichts ausmacht, geh ich kurz auf Toilette, ja?« hört er die schwarzhaarige Frau sagen. Er blickt auf und Luisa lächelt ihn an. »Du könntest also auch einen Wodka Martini wie von James Bond machen?«
»Ihr wolltet ja keinen«, sagt er mit bedauernder Miene und grinst dann. Sein amüsierter Ausdruck währt aber nicht lange, denn das Barsieb ist unauffindbar. »Das gibt's doch nicht! Wo ist denn das blöde Sieb hin?« murmelt er verärgert mit dem Rührglas in der Hand.
»Meinst du das?« fragt Luisa grinsend und zaubert das Sieb hervor. Verlegen nimmt Zeo es ihr aus der Hand. »Danke dir, ich... bin noch nicht so lange im Geschäft.«
Das Sieb hält er vor die Öffnung des Rührglases, um die Eiswürfel zurückzuhalten, als er den Cocktail in die beiden Martinigläser füllt.
»Hätte ich eigentlich nicht gedacht, also, dass du das noch nicht so lange machst. Du siehst so lässig dabei aus.«
»Pass auf, ich verrat dir ein Geheimnis«, sagt Zeo und Luisa beugt sich neugierig über den Tresen. »Das einzige Getränk, das ich locker im Schlaf zubereiten kann, ist genau dieser Wodka Martini von James Bond, weil meine Chefin verrückt nach dem Zeug ist. Sie hasst die Filme und den Typen, aber den Martini- davon trinkt sie jeden Abend 'ne Badewanne, ich schwöre.«
Zeo grinst und verschränkt Zeige- und Mittelfinger. Es ist zwar genau genommen nicht seine Chefin, sondern Yoshis, aber das ist für Luisa uninteressant. Sie lacht.
»Ja, das Frauenbild ist echt furchtbar«, stimmt sie nachdenklich zu und dann taucht ihre Freundin wieder auf. Schnell piekst Zeo für jedes Glas eine Olive auf einen Cocktailspießer und garniert die Drinks damit.
Mit den Worten »Bitte sehr die Damen, zwei Martini- gerührt, nicht geschüttelt« schiebt er die Gläser über die Theke und lachend verabschieden sich die beiden. Zeo sieht ihnen nach, wie sie es sich in einer der Sitznischen bequem machen.
»Was ist denn deine Meinung zu den James-Bond Filmen?« fragt jemand und irritiert sieht Zeo zu der Frau, die kurz nach Luisa und ihrer Freundin aufgetaucht ist und sich neben die beiden an die Theke gesetzt hat. Nachdem er gesehen hatte, dass Rina die Frau schon bediente, hatte er sie guten Gewissens ignoriert.
»007 ist schon ein cooler Typ, aber es stimmt, sexistisch sind die Filme schon, besonders die alten.«
Die Frau lacht ein tiefes, raues Lachen und hält ihm ihre Hand hin. »Ich bin Selma«, stellt sie sich vor und Zeo schüttelt ihre Hand höflich, aber als sie »Und immer für eine schnelle Nummer zu haben«, hinten dranhängt, lässt er sie schnell wieder los. Ihm ist klar geworden, dass ihre Frage nur ein Aufhänger war. Und er mag Händeschütteln sowieso nicht.
»Tut mir leid, ich hab' kein Interesse«, lehnt er peinlich berührt ab und spürt, dass er rot wird.
»Ach, das sagen sie alle«, sagt Selma und will ihm eine mit Kugelschreiber bekritzelte Serviette in die Hand drücken. »Ich habe wirklich kein Interesse«, wiederholt Zeo mit Nachdruck und schließlich gibt Selma auf, wirft die Serviette vor ihn auf den Tisch und steht auf. Sie hält Daumen und den kleinen Finger gestreckt und wackelt vor ihrem Ohr- Call Me. Dann ist sie weg und Zeo atmet erleichtert aus.
Auch wenn Rina sagt, dass er sich wirklich gut anstellen würde, der ganze Kontakt zu fremden Menschen stresst ihn ziemlich.
Bei den nächsten Kunden entspannt er sich, es sind zwei Männer, die kurz zwei Bier bestellen und sich dann weiter unterhalten. Während Zeo die beiden Flaschen öffnet, richtet Rina das Wort an ihn. »Für solche Fälle solltest du dir einen Freund oder eine Freundin zulegen.« Sie deutet auf die zerknüllte Papierserviette und Zeo weiß, dass er schon wieder rot wird, als er sie in den Mülleimer stopft. »Ich hab' aber auch kein Interesse an einer Beziehung«, brummt er und Rina lacht. »Schwindel doch einfach.«
Auch die nächsten Kunden, drei Mädchen, fragen nach simplen Longdrinks, die Zeo keine größeren Schwierigkeiten bereiten und betreiben freundlichen Small-Talk bis ihre Getränke fertig sind und sie sich in eine der Sitzecken verziehen.
Bei komplizierteren Bestellungen übernimmt Rina oder souffliert ihm die Zubereitung, bei einfachen Drinks lässt er sich mitunter zu kleinen Spielerein verleiten.
Eine Weile ist es ruhig im Laden, bis kurz nach Mitternacht ein junger Mann reinkommt. Zeo begrüßt ihn höflich und der Mann setzt sich auf einen der Barhocker.
Er hat die Kapuze seines Sweaters tief ins Gesicht gezogen und als Zeo fragt, was er trinken möchte, muss er herzhaft gähnen. Dabei hält er sich die Hand vor den Mund und schiebt die Kapuze etwas zurück. Erst jetzt stellt Zeo fest, dass der Typ Gesichts-Tattoos hat, seine Haare leicht bläulich wirken und tiefe Schatten unter seinen Augen liegen.
»Sorry, ich bin todmüde«, sagt er und gähnt schon wieder. Zeo grinst und stützt sich auf der Arbeitsplatte ab. »Soll ich dir einen Kaffee machen?«
»Hm, nee.« Der Mann beugt sich ein wenig vor und schmunzelt mit zusammengekniffenen Augen. Er spricht langsam, als würde die Müdigkeit ihm das Denken schwermachen. »Ich will etwas, das so ist wie du.«
»Ach ja?«, fragt Zeo neugierig. »Was bin ich denn?«
Ein Lächeln breitet sich auf den Lippen des Mannes aus, es ist ein wissendes und amüsiertes Lächeln über das, was er gleich sagen wird. Er hat kleine Grübchen. Seine Augen funkeln. Egal, was er gleich sagen wird, sein Lächeln ist eines der schönsten, die Zeo je gesehen hat. Ihm wird schwindelig.
»Sweet wie 'ne Pepsi.«
![](https://img.wattpad.com/cover/234944724-288-k20043.jpg)
DU LIEST GERADE
Sweet wie 'ne Pepsi
FanfictionEr tauchte kurz nach Mitternacht auf- total übermüdet und das schönste Lächeln der Welt auf den Lippen. ✿ Wenn Zeo nicht gerade an einem neuen Film arbeitet, Crowdfunding-Kampagnen organisiert oder einen Auftritt als Comedian hat, hilf...