Das seine Beine zittern liegt nur daran, dass er schon solange ohne Pause gestanden hat, da ist Zeo sich sicher. Er muss unbedingt an die frische Luft. Als er den Tiefkühler öffnet, kommt kalte Luft raus, das ist fast genauso gut. Mit der Pepsi in der Hand geht er zurück an die Theke, aber der Mann mit dem schönen Lächeln ist gar nicht mehr da.
Verwundert stupst er Rina an. »Weißt du, wo der Typ hin ist, der da gerade noch saß?«
»Der mit den Tattoos? Ich glaub, dem hast du 'nh bisschen zu viel gegeben, der ist eben abgeschmiert«, sagt sie, zuckt mit den Schultern und schneidet weiter eine Limette in Scheiben.
Einen Moment lang steht Zeo verdutzt da, dann hechtet er hinter der Theke vor. Tatsächlich, der Mann ist vom Barhocker gerutscht und liegt auf dem Boden, zusammengerollt wie ein Embryo.
Zeo ist kurz davor ihm ein paar Backpfeifen zu geben, aber der Typ ist ja nicht total dicht, sondern wahrscheinlich einfach eingepennt. So müde wie er gerade gewesen ist? Vielleicht ist es schon ein paar Tage her, dass er das letzte Mal geschlafen hat und sein Körper hat ihm einfach den Stecker gezogen.
Zeo schaut sich in der Bar um, aber der Mann scheint allein gekommen zu sein. Da ist niemand, der nach ihm Ausschau hält oder besorgt scheint. Auf dem Boden liegen lassen, will Zeo ihn nicht. Er schiebt die Arme unter die Kniekehlen und den Rücken des Mannes und hebt ihn hoch, er ist leichter als erwartet, trotzdem aber schwer. Sein Kopf fällt an Zeos Brust und sein Nasenpiercing blitzt auf.
»Wieso hast du nicht nach ihm geschaut?« schnauft Zeo, als er den leblosen Körper hinter die Theke bugsiert.
»Er ist dein Kunde«, sagt Rina grimmig, aber auch irgendwie abgelenkt, sie sieht Zeo gar nicht an. Er bleibt einen Augenblick stehen und folgt ihrem Blick: In einer der Nische sitzt ein junger Mann und rührt in seinem Glas, während er auf sein Smartphone starrt. Rinas Exfreund?
Zeos Arme werden schwer und er fragt nicht nach. Seitlich hinter der Bar ist der Durchgang zum Flur versteckt und einer der Hinterräume ist für das Personal eingerichtet, unteranderem mit einem Bett.Zum Glück ist die Tür zum Personalraum nur angelehnt und Zeo kann sie mit dem Fuß aufschieben. Mit seinem Ellenbogen tastet er nach dem Lichtschalter und als er nur auf nackte Wand trifft, beschließt er das Licht einfach auszulassen. Er will nicht, dass der Schlafende in seinen Armen davon aufwacht.
Das Licht aus dem Flur beleuchtet den Raum spärlich, aber Zeos Augen gewöhnen sich daran. Behutsam legt er den fremden jungen Mann auf das Bett, deckt ihn mit der Wolldecke zu und verlässt den Raum schnell wieder. Die Tür lässt er einen Spalt weit offen, damit es nicht komplett finster ist.
Jetzt braucht Zeo definitiv eine Pause.
Zurück hinter der Theke füllt er sich ein Glas mit Leitungswasser auf und leert es in einem Zug. »Hey, Rina, ich geh' kurz vor die Tür, ja?«
»Klar«, sagt sie. »Du siehst ehrlich gesagt auch ein bisschen blass aus. Lass dir Zeit, ist ja gerade eh nichts los.«
Zeo nickt und will gerade wieder gehen, als er die Pepsi auf der Arbeitsplatte stehen sieht. Kurzerhand nimmt er die Flasche mit sich und auf dem Weg zum Hinterausgang der Bar biegt er noch einmal in den Personalraum ab.
Der junge Mann schläft tief, den Mund leicht geöffnet und die Decke an die Brust gezogen, er hat sich wieder zusammengerollt. Zeo betrachtet ihn im schummerigen Licht.
Und dann steht er da irgendwie eine kleine Weile in dem Raum und spürt auf einmal alles viel intensiver. Sein Kopf brummt und seine Beine sind zittrig von der langen, ungewohnten Arbeit hinter der Bar. Das Licht im Flur geht aus und Zeo stellt sich vor, dass er in der totalen Dunkelheit nur das Schlagen der zwei Herzen sehen kann, eines, nach Tagen wieder im ruhigen Takt des Schlafes schlagend, eines, nach Monaten wieder im holprigen Takt der Liebe schlagend.
Zeo blinzelt. Wie bitte? Hat er das gerade wirklich gedacht? Er fühlt sich, als würde er aufwachen, die schlagenden Herzen verschwinden, denn in der Realität ist der Raum voll von dunklen Schemen. Er bemerkt, dass er die Flasche Pepsi mit verkrampften Fingern an seine Brust gedrückt hält.
Er stellt die Pepsi neben dem schlafenden Mann auf den Tisch und kommt sich dabei vor wie ein Creep. Wieder flüchtet er aus dem Raum und verlässt den Flur diesmal durch den Hintereingang.
Die kühle Nachtluft umfängt ihn und Zeo atmet tief ein. Neben der Tür steht eine Bank und er lässt sich auf das Holz fallen. Verdammt, bevor er die Schicht von Yoshi übernommen hat, hätte er eindeutig länger schlafen sollen, er ist selbst müde. Kein Wunder, dass er dann so wirre Gedanken bekommt.
An der frischen Luft fühlt sich sein Kopf wieder klarer an und weil er sich nicht mit den Gedanken über den fremden Mann befassen will, denkt er an jenes, was Rina ihm gesagt hat.
Aber er kann sich einfach keinen festen Job vorstellen, wirklich nicht. Er mag es an mehreren Projekten zu arbeiten und an nichts Festes gebunden zu sein, hin und wieder ein Gig als Comedian, immer an einem neuen Film arbeiten, sei es am Skript schreiben, Crowdfunding-Kampagnen organisieren, Dreharbeiten oder Schnitt, und eben mal zwischendurch für Yoshi einspringen. Aber wenn er wieder für seinen Kumpel eine Schicht übernehmen sollte, Zeo schwört sich, dann wird er komplett ausgeschlafen sein.
Er merkt regelrecht, wie sein Gehirn ein Häkchen setzt und zum nächsten Punkt der Tagesordnung überspringt: die Liebe. Nur ist dieses Thema nicht so einfach zu beantworten, wie die Frage, ob Zeo einen festen Job möchte. Mit diesem Thema taucht eine Frage auf und die Frage ist unaufhaltbar, sie blinkt wie ein Neonschild und lässt nicht zu, dass Zeo an etwas anderes denkt: Ist er wirklich verliebt? Es ist Wahnsinn an Liebe zu denken, hat er doch nicht mal mehr als drei Sätze mit dem Mann getauscht.
Aber es ist kein neues Phänomen, Zeo hat das in letzter Zeit öfters erlebt- im Bus, bei Leuten, mit denen er zusammengearbeitet hat oder im Supermarkt- ein plötzlicher, leiser Gedanke an Liebe. Um genauer zu sein, hat das irgendwann nach seiner Exfreundin angefangen. Zeo rechnet nach und stellt fest, dass ihre Trennung mittlerweile schon fast zweieinhalb Jahre zurückliegt und ist wieder einmal erstaunt, wie schnell die Zeit vergeht. Er vermisst seine Exfreundin nicht, sie verstehen sich zwar noch gut und treffen sich manchmal noch, aber sie ist nicht, was ihm fehlt.
Zeo beobachtet die Insekten, die um die Straßenlaterne schwirren und auf einmal weiß er, was es ist- Er fühlt sich einsam.
Das ist der Nachteil daran keinen festen Job zu haben, er muss die ganze Zeit versuchen, genug Geld zu bekommen und dabei kommen seine Familie und seine Freunde zu kurz, von einer festen Beziehung gar nicht zu sprechen.
Es wird kälter oder vielleicht spürt Zeo die Kälte intensiver, nachdem ihm bewusst geworden ist, dass zuhause, in seiner kleinen Wohnung, niemand ist, der auf ihn wartet und ihn mit Wärme und Geborgenheit empfängt. Zeo reibt die Hände aneinander und stopft sie in seine Jackentaschen.
Er wirft einen letzten Blick auf die von Motten umschwirrten Laterne, dann steht er auf und geht.
✿✿✿
Zeo is lonely :(
lieber einen festen Job haben oder freiberuflich arbeiten?
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Sweet wie 'ne Pepsi
FanfictionEr tauchte kurz nach Mitternacht auf- total übermüdet und das schönste Lächeln der Welt auf den Lippen. ✿ Wenn Zeo nicht gerade an einem neuen Film arbeitet, Crowdfunding-Kampagnen organisiert oder einen Auftritt als Comedian hat, hilf...