Kapitel 14 - Halbtod

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„Lilith!", schrie jemand und zerrte sie von Clare weg. Clare hörte auf zu schreien und betrachtete schockiert ihre Pulsadern. Aus einem tiefen Biss floss immer mehr Blut raus. Die Person die Lilith aufhielt war Ivan gewesen. Er hockte sich neben den Stuhl an den Clare gebunden war und nahm ihren Arm. Sie zog ihn weg und ihr Gesichtsausdruck änderte sich von Überraschung zu Wut. „Du Miststück!", brüllte sie und versuchte sich von den Fesseln loszureißen. „Das ist gar nicht gut, Lilith!", rief Ivan.
Sie wusste das. Es gab nun kein zurück mehr. „Sie wird sich verwandeln." Das war nicht ihr Plan. Sie wollte Clare töten. Nickend wischte sie sich die Blutstropfen von ihren Lippen. „Was?!", schrie Clare, in einer Hysterie die niemand ihr nachmachen könnte. Ivan band sie los. Sie wollte aufstehen doch ihre Beine gaben nach und sie plumpste zurück auf ihren Stuhl. „Du bist zu schwach, du musst dich ausruhen. Dann sehen wir weiter.", meinte Ivan und hob sie hoch. Den einen Arm unter ihren Kniekehlen und der andere stützte ihren Rücken. Er trug sie an Lilith vorbei, die einen Schritt zur Seite machte. Er sah sie mit vorwurfsvollen Blick an und ging die Treppen hoch. Lilith starrte den beiden ein paar Sekunden hinterher, wollte aber erstmal nicht mehr von irgendwen gesehen werden. Sie schämte sich, es war ganz klar unüberlegt von ihr gewesen. Sie seufzte und setzte sich auf den Boden. Auf den Stuhl war noch ein bisschen Blut. Sie starrte betrübt in als Licht der Öllampe und war wie in Trance.
Sie hatte gerade das ganze Leben von Clare zerstört. Sie würde niemals altern, könnte nicht mehr richtig in die Öffentlichkeit treten und ist ewig gefangen in diesem Bann. Lilith war als Vampir geboren, das heißt sie altert bis zu einem bestimmten Jahr ganz normal, doch Ivan wurde mit 18 vor langer, langer Zeit (ca. im 1. Weltkrieg) verwandelt.
Lilith umarmte ihre Beine und legte ihren Kopf auf ihren Knien ab. Eine Träne rollte ihr über die Wange, gefolgt von der nächsten.
Nach einer Zeit hörte sie Schritte, schon von dem Klang der Schuhe wusste das es Mercy war. „Hey.", begrüßte Mercy sie als sie sich vor Lilith hockte und eine Hand auf ihre Schulter legte. „Du kannst dieses Mädchen nicht leiden, oder?", fragte sie. Lilith schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen weg.
„Ich auch nicht besonders. Ivan scheint wirklich sauer zu sein." „Natürlich ist der das! Clare muss jetzt das gleiche Schicksal erleiden wie er. Da ist es wohl selbstverständlich das er mich jetzt hasst.", meinte Lilith und setzte sich im Schneidersitz hin. Mercy seufzte und fuhr sich durch ihre zerzausten Haare.
„Sie schläft schon. Das bedeutet ihre Verwandlung beginnt in diesem Moment.", erzählte sie. Lilith dachte an Timo, wie bringt man ihm am besten bei das sie seine Schwester halb getötet hat?
„Liegt dir was auf dem Herzen, Liebes?", fragte Mercy. Sie war so gut zu Lilith gewesen, immer schon.
Sie konnte sich gar nicht vorstellen das Mercy mürrisch gewesen sein soll als sie weg war. „Naja.. Clare hat natürlich auch eine Familie. Sogar einen Bruder der mir.. sehr viel bedeutet." Mercy hob eine Augenbraue. Lilith konnte auch nicht fassen, dass sie das gerade Laut ausgesprochen hat.
„Du- Du bist verliebt?", fragte sie überrascht, mit einem leichten Lächeln auf dem Lippen. Lilith schwieg, sie zuckte nur mit den Achseln. „Haha, das ist ja mal was.", lachte sie, doch das Lachen verging ihr schnell wieder. „Wir lassen uns was einfallen.", sagte Mercy und stand auf. Sie reichte Lilith die Hand die sie annahm. „Erstmal reden wir mit deinem Mann.", sagte sie und begleitete Lilith nach oben.

Ivan saß im Speiseraum und starrte nachdenklich aus dem alten Fenster in das ungepflegte Gestrüpp von draußen. „Ivan.", kündigte sich Mercy an. Er schreckte aus seinen Gedanken und starrte die beiden an. „Ich denke wir haben einiges zu bereden.", meinte Mercy und setzte sich gegenüber von Ivan, Lilith neben sie. Ivan lehnte sich zurück, bereit zuzuhören. „Also.. Ivan.", fing Lilith an und sah ihn besorgt an. „Es war aus der Situation heraus. Ich kann dieses Mädchen nicht leiden und sie mich nicht. Aber ich muss mich ja vor dir nicht rechtfertigen, sondern vor Clare." „Was du nicht sagst. Aber nichts könnte das jemals gut machen. Denkst du ich habe meinen Mörder verziehen?", erwiderte er. Lilith schüttelte den Kopf. „Also da gibt es nichts mehr zu sagen.", sprach Ivan aus und wollte gerade aufstehen. „Warte. Was machen wir jetzt mit ihr?", fragte Mercy. Ivan setzte sich wieder richtig ihn und und starrte Lilith erwartend an. Es stimmt. Sie war jetzt Liliths Problem. „Sie kann schlecht wieder zurück. Sie wird ihren Durst nicht unter Kontrolle haben am Anfang. Sie kann aber auch nicht hierbleiben. Ich weiß nicht wie meiner Eltern darauf reagieren werden.", sagte sie. „Da hast du Recht.", bestätigte Mercy sie. „Wir könnten sie in eines der anderen Häuser verstecken, solange wir kein besseren Einfall haben.", schlug sie vor. Ivan saß ausdruckslos auf seinen Stuhl und sah so aus als ob er geistig gerade nicht anwesend war. „Warten wir mal ab bis sie wach wird.", sagte Lilith und stand auf. „Wo willst du hin?", fragte Mercy sie. „Ich werde ein bisschen versuchen mein Kopf freizubekommen.", antwortete sie und verließ das Haus.
Frische Waldluft erfüllte sie, aber hier war auch immer ein leichter Geruch von Verwesung, den man aber irgendwann ausblenden kann.

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