Gemeinsamer Flug

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»Bereit?«, fragte Hawks, sich zu seinem Partner umdrehend, der gerade einmal einen Meter von ihm entfernt stand. Der Schwarzhaarige blickte hinab und stellte sich dabei die Frage, was ihn dazu verleitet hatte, mit dem Vogeltypen trinken zu gehen. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee gewesen, wenn nicht die Tatsache, dass sie sich auf dem Dach eines Gebäudes befanden und es tief hinab ging. Und vielleicht wäre auch alles in Ordnung, wenn ein gewisser idiotischer Held nicht auf seine glorreiche Idee gekommen wäre.

Und er? Natürlich stimmte er zu, ohne groß über die Konsequenzen nachgedacht zu haben, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Erst jetzt wurde ihm bewusst, in was für einer Situation er sich dort eigentlich befand und so fürchtete er um sein Leben. Das breite Grinsen des blonden Helden beruhigte ihn kein bisschen, eher genau das Gegenteil war der Fall.

»Müssen wir das tun?«, seufzte er und versenkte seine Hand in den dunklen Haaren. Noch hatte er die Hoffnung, dass sein Begleiter es sich doch noch einmal überlegen würde. Hawks war betrunken, vielleicht nicht gänzlich. Aber bei dem Gedanken an einen gemeinsamen Flug mit ihm fühlte Dabi sich wie jemand, der in ein Auto stieg, das ebenfalls von einem Betrunkenen gesteuert wurde.

»Hast du Angst?« Keigo zog die Augenbraue hoch und bedachte den Anderen mit einem spöttischen Blick, mit dem Ziel der Provokation. Und es funktionierte. Dabi steckte seine Hände in die Taschen und blickte teilnahmens los zu ihm herüber.

»Ich sehe darin einfach keinen Sinn«, erklärte er. Doch selbst sein gelangweilter Ton konnte den Helden nicht entmutigen. Schließlich hatte er längst einen Plan ausgearbeitet. Er hatte nicht mehr die Absicht, ihn zu provozieren, und zog sich zurück an den Platz, wo sie zuvor den Alkohol konsumiert hatten. Und während Dabi so auf die Straße hinab blickte, die in dem künstlichen Licht getaucht war, da empfand er auf einmal Erleichterung

Schließlich wollte er keinen Fall aus dieser Höhe riskieren. Man konnte es sehen wie man wollte, doch er wollte noch ein bisschen länger leben. Eigentlich gab es keinen Grund zur Besorgnis, schließlich waren die Flügel des Helden eine Teil seiner Spezialität und oft genug hatte er sie in Aktion gesehen. Doch da war ja noch der Alkohol.

Als sich dann zwei Arme um ihn schlangen, da riskierte er einen Blick über die Schulter, direkt zu dem hinter ihm stehenden Blonden. Keigo grinste ihn gerissen an und Dabis Gesichtszüge entgleisten bei dem Anblick. Hätte er sich doch denken können, dass Hawks nicht so einfach aufgeben würde.

Und ehe er sich aus der Umarmung losreißen konnte, hoben sie, mit einem mächtigen Schlag der Schwingen, in die Höhe ab. Erschrocken zog Dabi heftig die Luft ein, als er den Boden unter den Füßen verlor. Im Begriff, sich an etwas zu klammern, krallte sich der Schurke in die Arme des Helden, die um seine Brust geschlungen waren.

»Ich frage noch einmal, bereit?« Der junge Mann konnte sein zufriedenes Lächeln nicht verbergen und der Schwarzhaarige hörte seine Stimme direkt neben seinem Ohr. Er drehte seinen Kopf leicht zur Seite, um den Sadisten hinter ihm in die Augen zu blicken. Doch das, was in genau dem Moment passierte, ließ sein Herz für eine Sekunde aussetzen.

»Verdammte Scheiße!« War das Einzige, was er hervorbringen konnte, als sie unerwartet nah an der Straße vorbeiflogen und immer näher an die spazierenden Passanten heranflogen. Sie fielen und Dabi konnte, atemlos wie er war, kein Wort hervorbringen. Und auch wenn er es nicht sehen konnte, er war sich ziemlich sicher, dass Hawks' Gesicht ein breites Grinsen zierte. Er schwor sich, wenn all das vorbei sein sollte, dann würde er sich rächen. Sofern er das hier überleben sollte.

Keigo blickte zu seinem gestressten Begleiter hinunter und entschied sich, sein Leid zu beenden. Einige Meter vom Boden entfernt, breitete er seine Schwingen aus und änderte die Richtung. Damit konnte er den Aufprall mit dem Gehweg noch verhindern.

Schon wollte er einen Kommentar ablassen, hielt sich jedoch im letzten Moment davon ab. Schließlich hatte er den Schwarzhaarigen schon genug geärgert und er würde es ihm nicht so schnell wieder verzeihen. Trotz dessen konnte Keigo es sich nicht entgehen lassen, er wollte dem Schurken noch ein wenig mehr Angst einjagen.

Je weiter sie hinauf stiegen, desto mehr spürte Dabi den kalten Wind auf seinem Gesicht, auch wenn sie gar nicht schnell unterwegs waren. Er fühlte immer noch das Adrenalin, das durch den plötzlichen Sturz in die Tiefe durch seinen Körper gepumpt wurde. Aber je mehr Zeit verging, desto mehr gewöhnte er sich an diesen Zustand. Einzig die Arme, die fest um ihn geschlungen waren, boten ihm ein Gefühl von Sicherheit.

Zugegeben fühlte Dabi sich sicher und der Anblick, auf die nächtliche Stadt die sich bot, raubte ihm beinahe den Atem. Noch nie in seinem Leben war er so weit oben und Hawks war der erste, der es ihm ermöglicht hatte. Während er dem Schurken etwas zeigte, was für ihn alltäglich war. Trotz der negativen Gefühlen, die sich angesammelt hatten, war es eine sehr angenehme Erfahrung. Vermutlich würde er sich kein zweites Mal darauf einlassen, doch wenn es schon zu diesem ungeplanten ersten Mal kam, wollte er es ausnutzen und genießen.

»Und wie ist es da unten?«, hörte er die belustigte Stimme seines Partners, woraufhin er kraftlos seufzte. In dem Moment bereute er es, dass er dem Blonden keine verpassen konnte. Keigo lachte bei der Reaktion auf, doch gleichzeitig wollte er sichergehen, dass der Schwarzhaarige das Bewusstsein nicht verloren hatte. Es war eine ganze zeitlang still und es kam keinerlei Gegenwehr seitens des Schurken.

Fast befürchtete er, Dabi wäre durch dieses unverhoffte Erlebnis in Ohnmacht gefallen. Jedoch irrte er sich. Denn Dabi bewunderte die ganze Zeit die Welt, wie Hawks sie ihm zeigte, und nur ihm alleine. Seine eigene, himmlisch Welt. Ihn überkam ein Gefühl der Erleichterung und Begeisterung, hervorgerufen durch das Interesse seines Partners für so etwas banalen und faszinierenden zugleich.

Anfänglich wollte Dabi ihn anmotzen, doch am Ende resignierte er und richtete seine Aufmerksamkeit auf das, was direkt vor ihm war. Es gefiel ihm sogar sehr und trotzdem hatte er nicht vorgehabt, dies laut auszusprechen. Dies war eine fantastische Ablenkung vom typischen Alltag und nie hätte der Schwarzhaarige damit gerechnet, dass ihr gemeinsames Treffen in einem nächtlichen Flug enden könnte. Und selbst wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er sich darauf einlassen.

Wie sagte man so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt ...

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